Interview über Verbund-Power-Flex „Energiehandel, aber flexibel, bitte!“

VERBUND Energy4Business Germany GmbH

Harald Ott, Produktmanager für Flexibilitätslösungen bei Verbund Energy4Business

Bild: Verbund
15.05.2023

Ob Regelenergie, Intraday oder Spot – der Energiemarkt wird durch Dezentralität, die alternativen Energien und neuen Marktplayern immer komplexer, aber auch flexibler. Eine zentrale und leistungsfähige Energiehandelslösung ist hier gefragt. Wie der Grünstromversorger Verbund mit dieser Problematik umgeht, erfahren Sie von Harald Ott, Teamleiter für Flexibilitätslösungen der Verbund Energy4Business.

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Mit welchen Problemen müssen sich Energieerzeuger heute auseinandersetzen, wenn sie ihre Energie vermarkten wollen?

Die Vermarktung von Erzeugungsanlagen, die mit konventionellen Technologien Energie produzieren, sind stark von ihren Grenzkosten in Bezug auf Gas und Kohle sowie die CO2-Kosten getrieben. In den letzten Monaten haben die Verbraucher gesehen, wie dynamisch die Energiepreise durch die Preisanstiege bei diesen Energieträgern steigen. Jetzt hat sich die Lage wieder entspannt. Die Energieerzeugung aus konventionellen Kraftwerken ist aktuell gut plan- und steuerbar, aber anders sieht es bei der Vermarktung von fluktuierenden Erzeugungsanlagen aus: Je nach Prognose, die mehr oder weniger gut sein kann, sind hier dezidierte Marktmechanismen notwendig, da der Direktvermarkter bereits am Vortag seine prognostizierte Erzeugung vermarkten muss. In diesem Marktumfeld gibt es durch das Marktdesign und die Regulation immer mehr Öffnungen der kurzfristigen Handelsmärkte. Hier kann man bis zu fünf Minuten vorher noch Handelsgeschäfte tätigen und innerhalb Deutschlands auch Regelzonen-überschreitend bis zu einer halben Stunde, damit etwaige Ungleichgewichte der Energieerzeugung nicht im Netz landen. Denn in diesem Fall wäre die letzte Konsequenz, über die Netzregelung auszugleichen, was Mehrkosten bedeutet und Netzinstabilitäten verursacht.

Mit welchen Hindernissen haben auch die Industrieunternehmen zu kämpfen, wenn sie auf dem Markt Energie beziehen wollen?

Hier haben wir es mit dem gleichen Thema zu tun: mit dem Zugriff auf den Energiehandelsmarkt. Große Unternehmen können sich eigene Abteilungen für Energiebeschaffung leisten. Aber die meisten Firmen müssen einen Partner haben, der für sie die Energieprobleme löst, wie etwa Grünstrom zu beschaffen. Das ist auch etwas, dass Verbund sehr erfolgreich in den letzten Jahrzehnten in Deutschland umgesetzt hat: Flexibilitäten vermarkten oder klassisch, Strommengen bereitstellen. Die Herausforderung ist nun, genau dies kostengünstig zu machen. Durch den technologischen Wandel verändert sich die europäische Industrie aktuell dahingehend, dass dank neuer Anlagentechnologien sie überschüssige elektrischer Energie erzeugt und gegebenenfalls in Batteriespeichern ablegt. Für das Vermarkten des "elektrischen Kapitals" braucht man aber jemanden, der das managt. Hier wäre eine automatisierte Lösung, wie Verbund-Power-Flex, die mit kurzfristigen Energiehandelsmärkten verbunden ist, eine ideale Lösung.

Was steckt eigentlich hinter Verbund-Power-Flex?

Dahinter steckt ein Portfolio an Lösungen wie der Verbund-Power-Pool und individuelle Handelsstrategien, um zusätzliche Erlöse aus dem Energiehandel für Industrieunternehmen, Energieversorger und Anlagenbetreiber zu generieren. Das heißt, wir bieten den Kunden innovative, maßgeschneiderte Produkte zur Energievermarktung an. Das kann zum Beispiel die komplette Optimierung einer Anlage sein. Unter anderem übernehmen wir etwa bei Photovoltaik-Anlagen mit Batteriespeichern die komplette Einsatzplanung und Optimierung solcher Hybridparks. Zudem bieten wir Industrieunternehmen und Stadtwerken kombinierte Marktzugänge mittels automatisierten Handelsalgorithmen, die sehr spezifisch auf die jeweilige Anlage zugeschnitten sind. Solche Anlagen sind in der Lage, mit uns zu kommunizieren. Damit sind wir wiederum in der Lage, das freie Potenzial für Kauf oder Verkauf von Energie optimal zu nutzen und diese dann automatisiert mit den Handelsmärkten zu verbinden. Die Kunden können sich hier entscheiden, ob sie eine volle Integration in die VERBUND-Optimierungslösung oder lieber einzelne Lösungen aus dem Bereich Intraday- oder Regelenergievermarktung nutzen wollen.

Wie bekommen Sie technisch alle Anlagen unter einen Hut und können den vorhandenen Energieüberschuss oder Energiebedarf bestimmen sowie den Bedarf für Unternehmen decken?

Uns ist es am liebsten, wenn die flexiblen Anlagen komplett automatisiert steuerbar sind. Das heißt, wenn wir die Anlage nutzen wollen, muss sich diese etwa über ein Gateway per Signal von uns ansprechen lassen. Dafür haben wir eine hauseigene Hardware entwickelt, die vor Ort beim Kunden installiert wird. Diese liefert dann im Sekundentakt alle notwendigen Daten, die unser zentrales System benötigt, um die einzelnen Anlagen oder gemeinsam als Schwarm zu optimieren. Am Regelenergiemarkt poolen wir die Anlagen immer zusammen, weil das ein sehr kritischer Markt ist. Denn hier haben wir eine entsprechende Sorgfaltspflicht als Anbieter gegenüber den Übertragungsnetzbetreibern, ausreichende Reserven einzuhalten. Der Kunde läuft dann nicht in die Verpflichtung, Geld bezahlen zu müssen, weil er nicht mit seiner Leistung verfügbar war. Wir organisieren also die Ausfalls-, die Backup-Kapazitäten. Und, wenn einmal ein Teilnehmer beziehungsweise Kunde ausfällt, springen wir selbst kurzfristig mit unseren Optimierungsmöglichkeiten ein, bevor wir Kunden Kosten verrechnen – das ist auch einer unserer Stärken.

Was sind als Verbund Ihre Stärken und wo stehen Sie mit Power-Flex im Vergleich zum Mitbewerb?

Als Verbund beherrschen wir schon seit Jahrzehnten die Optimierung von Pumpspeicherkraftwerken. Deshalb haben wir auch recht früh begonnen, unser Know-how auch für Kurzzeitspeicher, zum Beispiel Batteriespeicher oder Wasserstoffspeicher, zu nutzen. In diesem Marktsegment sind wir zwar nicht konkurrenzlos, profitieren aber von unserem tiefen Wissensvorsprung. So sammelten wir schon recht früh Markterfahrungen als Investor für Batteriespeicher. Hier bieten wir unseren Kunden sehr spannende und interessante Lösungen an. Natürlich gibt es im Bereich des Energiehandels für Stadtwerke, Industriebetriebe, Intraday, Regelenergie Wettbewerb und wir sind sicherlich nicht in allen Bereichen die First Mover, doch bei automatisierten Intradayhandelsprodukten waren wir von Anfang an dabei und haben eine fundierte Expertise aufbauen können. Hier haben wir mit Verbund-Power-Flex auch eine sehr gute Lösung für die Versorger. Mit Verbund-Power-Flex versuchen wir seit Beginn durch die Möglichkeit, den Regelenergiemarkt und den Intraday-Markt durch MARI/PICASSO gemeinsam zu betrachten, unsere flexible Lösung über alle Märkte automatisch einzusetzen. Hinter PICASSO und MARI verbergen sich digitale Plattformen, auf denen in Zukunft Regelenergie- und Systemdienstleistungen innerhalb der teilnehmenden europäischen Partnerländer auktioniert, verrechnet und überwacht werden. Der Kunde hat hier durch das Einbeziehen des Intraday-Marktes die Entscheidungsfreiheit, von einem zusätzlichen Markt zu profitieren. Hierbei ist es immer einfacher, alle Funktionen und Services aus einer Hand – wie von Verbund – zu erhalten. Das erleichtert zum Beispiel bei zwei Steuerungseinheiten die Koordination hinsichtlich der Entscheidung, in welchen Markt welche elektrische Leistung geht.

Wie sehen Sie die Entwicklung des Regelmarktes und des Intraday-Marktes? Wer wird in Zukunft schneller wachsen? Wo ist mehr Potential zu erwarten?

Unternehmen können leichter am Intraday-Markt teilnehmen, weil es dort nicht so strenge Anforderungen an die Anlagen gibt. Ich kann zum Beispiel an Stundenprodukten teilnehmen, wenn ich binnen einer Viertelstunde mit einem langsam hochfahrenden System die Maximallast erreiche. Im Regelenergiemarkt dagegen muss der Teilnehmer mit dem langsamsten Produkt innerhalb von zehn Minuten die angeforderte Leistung erreichen. Die meisten Nutzer haben sich aber weiterentwickelt und schaffen das natürlich auch innerhalb von fünf Minuten, sind dadurch sekundärregelfähig. Aktuell wird hauptsächlich die Regelenergie der Sekundärregelung im Regelenergiemarkt eingesetzt. Der Regelenergiemarkt hat sich in den letzten Jahren natürlich auch geöffnet und regulatorische Änderungen bekommen, indem man etwa bei den Bereitstellungszeiten auf eine Viertelstunde runtergegangen ist. Aber an den Anlagenanforderungen und der Dimensionierung oder Ausschreibungsmengen hat sich kaum etwas geändert. Es ist eben ein sehr restriktiver Markt, der den Fokus nicht auf Masse, sondern auf Qualität setzt und entsprechend strenge Präqualifikationsverfahren besitzt. Der Intraday-Markt wird in Zukunft stark wachsen, weil die Mengen, die gehandelt werden, groß sind und durch die Integration der Erneuerbaren Energien immer größer werden. Aber durch Rückkopplungseffekte und die Nutzung sowie Etablierung neuer Technologien wird auch langfristig der Regelenergiemarkt von dieser Entwicklung profitieren.

Was sind aktuell Ihre thematischen Schwerpunkte?

Verbund ist ein Unternehmen, das mit mehreren Subunternehmen „verheiratet“ ist. Aktuell beschäftigen wir uns mit Investitionen in erneuerbare Energien, beziehungsweise deren Technologien. So wollen wir gerade in den Kernmärkten Deutschland und Österreich weiter im Photovoltaik- und Windbereich wachsen. Aber auch Märkte wie Spanien oder Italien sind für uns interessant. Wir vermarkten viele Erzeugungsanlagen in Deutschland und Österreich von Anlagenbetreibern. Diese Prozesse optimieren wir ständig. Auch unsere eigene Energieproduktion und die Verbund-Energiespeicher stellen wir ständig auf den Prüfstand. Mit unserem Know-how und neuen Technologien versuchen wir, das Optimum in Bezug auf Energievermarktung im Sinne unserer Kunden zu erreichen und das mit maximaler Transparenz und Fairness. Aktuell bauen wir unsere Batteriespeicherkette in Deutschland weiter aus. Das strategische Ziel ist, ein Gigawatt Gesamtleistung zu installieren. Zudem beobachten wir die Märkte sehr genau und evaluieren unsere gesteckten Ziele ständig.

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