Industrielle Energiewende Energieversorger: 10 Tipps für ein besseres Image


Bild: Arkadi Bojaršinov/iStockphoto
16.05.2015

Wenn es um die Energiewende geht, sind viele Bürger zwiegespalten: Sie wollen Energie sparen und loben neue Konzepte, doch dezentrale Erzeugung und Infrastrukturausbau sehen sie oft als Beeinträchtigung der Lebensqualität. Erfolgreiche Energieversorger nehmen den Partizipationswillen der Bevölkerung ernst.

Energieversorgung wurde über Jahrzehnte als Ingenieurleistung angesehen. Im Auftrag der Allgemeinheit und zum Wohl der Menschen und der Wirtschaftsunternehmen gestalteten die Energieversorger eine Infrastruktur, die den Bedarf auf der Basis dessen, was technisch, rechtlich und finanziell machbar war, erfüllte und auch heute noch erfüllt.

Mit der Energiewende ändern sich die Rahmenbedingungen: Weiche Faktoren wie gesellschaftliche Werte und Ängste sowie differenzierte Zukunftsvorstellungen bestimmen heute über die Machbarkeit von Projekten. Die Energieversorger müssen sich darauf einstellen.

Nichts geht ohne den Faktor Mensch

Die Betroffenheit des Bürgers ist massiv gestiegen. Die gefühlte Ohnmacht wächst. Der Bürger traut den Politikern und Unternehmen nicht mehr zu, die Probleme unserer Zeit lösen zu können. Und er quittiert dies mit Partizipationsdrang – der Bürger will mitreden und sich einbringen. Recherchen im Internet bieten dafür in Sekundenschnelle scheinbares Expertenwissen.

Vertrauen und Akzeptanz erfahren vor allem diejenigen Energieversorger, deren Kulturwandel beim Kunden und in der Bevölkerung tatsächlich als erlebbare Haltung wahrnehmbar ist. Erreichen können sie dies mit folgenden Tipps:

1. Nähe zeigen

Die Nahrungsmittelindustrie hat es schon umgesetzt: Verbraucher schätzen nicht nur Bio-Produkte, sondern vor allem Bio-Produkte aus der Region. EVU können daraus lernen: Es geht nicht nur um Öko-Strom, sondern um Öko-Strom aus der Region. Zeigen wir also echte Nähe und nutzen wir die Chancen, die uns unsere historischen Wurzeln in der Region bieten.

2. Lebensqualität steigern

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Erweiterung des Portfolios. Es gilt, neue Produkte zu entwickeln, die Energieversorger unwiderstehlich machen und deren täglicher Einsatz für den Kunden eine Steigerung der Lebensqualität bedeutet.

3. Beteiligung suchen

Energieversorger müssen nicht alles allein stemmen. Nicht, weil sie es nicht könnten, sondern weil sie es nicht wollen. Sie können beispielsweise Anlagen gemeinsam mit Kommunen betreiben oder mit einer Energiegenossenschaft. Auch eine Weiterveräußerung der erneuerbaren Energien-Anlagen an Kommunen oder Bürger nach Errichtung ist möglich.

4. Unterschiede aushalten

Das Leben ist komplexer geworden. Die Menschen und die Gesellschaft auch. Die Aufgabe der Energieversorger ist es, in Kooperationen neue Themen anzugehen. Dabei gilt es auch, „andere“ auszuhalten. Energieversorger müssen nicht mit allem einverstanden sein, was jemand tut oder denkt. Wichtig ist, dass die jeweilige Seite versteht, warum etwas geschieht, welcher Sinn dahinter steckt. Dabei lassen sich die Gemeinsamkeiten nutzen, die ein Projekt erfolgreich machen können.

5. Resonanzmuster identifizieren

Bereits im Vorfeld wichtiger Infrastrukturprojekte können Meinungsbildner, Presse, Multiplikatoren, Politik und mögliche Betroffene informiert werden. So bekommen Bauvorhaben mit den Menschen, die dahinter stehen, ein Gesicht. Sind die Kontaktdaten ausgetauscht, erhöht sich die Chance zum weiteren Dialog. Bedenken können rechtzeitig aufgegriffen und eventuell sogar Wünsche berücksichtigt werden.

Energieversorger sollten nicht nur Argumente austauschen, sondern Resonanz erzeugen und sich mit den Themen, Sorgen und Ängsten der Menschen befassen und darauf eingehen. Wenn Argumente Resonanz auslösen, kommt es zum Dialog und im Idealfall zur Verständigung.

6. Alternativen zulassen

Projekte sollten nicht „alternativlos“ geplant werden. Es gibt selten nur den einen Trassenverlauf oder den einen Standort für eine Anlage. Selbstverständlich gibt es Sachzwänge und Rahmenbedingungen. Aber Alternativlosigkeit heißt Ohnmacht. Und gefühlte oder erlebte Ohnmacht erzeugt Wut und Misstrauen. Die Einsicht in Notwendigkeiten muss wachsen und kann nicht erzwungen werden.

7. Soziotechnisch denken

Beachten sollten EVU bei allen Entscheidungen und Vorhaben die gesellschaftliche Dimension. Früher reichte die positive Antwort auf drei Fragen: Ist das technisch machbar? Ist das rechtlich unbedenklich? Und steht die Finanzierung? Heute fragt sich auch: Was denken die betroffenen Menschen? Akzeptanz und Einbindung gehören in jeden Projektplan.

8. Vertrauenspersonen einsetzen

Das Vertrauen in Autoritäten sinkt. Nicht Politiker oder Unternehmer sind maßgeblich, sondern Menschen wie Du und Ich. Energieversorger sollten solche Vertrauenspersonen für ihre Kommunikation verstärkt einsetzen, ohne diese zu instrumentalisieren.

9. Mit Zielen befassen

Veränderungen machen Angst. Gelernte Handlungsmuster greifen nicht mehr. Und selbst wenn die Einsicht da ist, dass sich etwas ändern muss, ist der Wille, das eigene Verhalten tatsächlich zu verändern, nicht zwangsläufig ausreichend ausgeprägt. Wichtig ist das Ziel: der Sinn der Veränderung.

Wenn das Ziel emotional vollständig akzeptiert ist, wächst die Bereitschaft für einen Lernprozess. Alle Beteiligten probieren dann neue, innovative Verfahrens- und Verhaltensweisen aus. Sie sammeln Erfahrung und bekommen zunehmend positives Feedback. Die Akzeptanz wächst.

10. Die Haltung entscheidet

Unternehmensstrategien bieten die Möglichkeit, auch auf unberechenbareren Märkten angesichts veränderter Kundenerwartungen und Rahmenbedingungen im Wettbewerb erfolgreich zu sein. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, die Strategie ganz gezielt zur Grundlage der erlebbaren Haltung des Unternehmens zu machen.

Das wiederum verlangt, dass sich das Unternehmen viel enger und grundsätzlicher auf sein Umfeld und die Menschen bezieht. Es muss sie einbinden in die Entwicklung seines Portfolios und in seine Entscheidungen. Der Aspekt der Beteiligung wird für Unternehmen immer wichtiger – vor allem für Unternehmen, die Daseinsvorsorge- und Gemeinwohl-Verpflichtungen unterliegen.

Dafür sollten sich die Energieversorger auch in den Köpfen der Menschen neu positionieren – mit der Strategie, den Angeboten, dem Service und den Unternehmensbereichen. Es kommt darauf an, die Unternehmensstrategie in den Köpfen greifbar und praktisch erfahrbar zu machen – kurzum: Die mit der neuen Strategie verbundene Absicht positiv zu positionieren. Denn nicht wie Energieversorger „wirklich sind“, sondern wie der Kunde oder Bürger sie erlebt und bewertet – so sieht er sie und so sind sie für ihn.

Weitere Informationen

  • Stefan Eckart: Akzeptanz verleiht Flügel, 2014

  • Prof. Dr. Peter Kruse (Nextpractice): Energiewende von unten? In: 12. Jahreskonferenz des Nachhaltigkeitsrates, Berlin 25.6.2012

  • Elke Spaeth: Energiewende als Unternehmenswende, 2015, in: Nicole Elert (Hg.), Energiewende – Der (etwas) andere Blick

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