Deutschland hat sich ein ehrgeiziges Ziel für das Einsparen von Kohlendioxid gesetzt: Bis 2050 sollen die CO2-Emissionen um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Um zukünftig eine nachhaltige und CO2-neutrale Energieversorgung gewährleisten zu können, muss der gesamte Energiekreislauf in Strom-, Gas- und Wärmenetzen betrachtet werden.
Das große Ganze betrachten können
Um sowohl die Erfordernisse seitens der Energieträger und der Energiespeicherung als auch die Anforderungen der Netzauslastung und des Netzausbaus im Ganzen betrachten zu können, wurde das Verbundprojekt MathEnergy, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), ins Leben gerufen. Es vereint Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus vier Universitäten, zwei Fraunhofer-Instituten und einem Max-Planck-Institut sowie Partner und Netzbetreiber aus der Energiewirtschaft.
Simulationen für schnelle Entscheidungen
Ziel von MathEnergy ist es, eine Softwarebibliothek zu erstellen, die es prinzipiell ermöglicht, das komplette gekoppelte Gas- und Stromnetz Deutschlands in allen Ebenen abzubilden. In Zukunft soll mit dieser Software die Steuerung des Gesamtnetzes verbessert werden können. Die Software soll in der Lage sein, langfristige Entscheidungen zu unterstützen, um Versorgung und Rohstoffzufuhr zu sichern, Netzstabilität zu gewähren oder den Netzausbau lokal voranzutreiben. Es gilt, mit schnellen Simulationen für unterschiedliche Szenarien im täglichen operativen Geschäft unverzügliche und sachliche Entscheidungen treffen zu können.
Dafür müssen mathematische Methoden entwickelt werden, um Gas- und Stromflüsse in großen, komplexen Netzwerken zu berechnen und schließlich simulieren zu können. Die Herausforderung besteht darin, umfassende, hierarchisch aufgebaute Systeme und starke Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Netzen zu erfassen und abzubilden. Aus einem komplexen Modell muss schließlich ein einfacheres, per Algorithmus schnell berechenbares erzeugt werden können.
Theorie und Praxis vereinen
Die energiewirtschaftlichen Anforderungen seitens der Gas- und Stromnetze werden von mehreren Projektpartnern untersucht. Sie gehen der Frage nach, wie die technischen Netzwerke so beschrieben werden können, dass die mathematischen Modellgleichungen einerseits ein gutes Abbild der physikalischen Welt darstellen und andererseits für eine effiziente Simulation geeignet sind. Zum Beispiel müssen die Wissenschaftler im Hinblick auf die Kompressibilität des Gases ermitteln, mit welchen Gleichungen und welchen Parameterwerten der reale Gasfluss am besten widergespiegelt wird. Die entstehenden hochkomplexen Modellgleichungen sollen mit mathematischen Methoden reduziert und mit neuen numerischen Berechnungsverfahren effizient gelöst werden. Diese Aufgabe kommt vorwiegend den Mathematikern des Verbunds zu.
Zustand der Netze einschätzen
Schließlich sind von den Projektpartnern gemeinschaftlich Szenarien für gekoppelte Gas- und Stromnetze zu entwerfen. Wenn sich die Netze berechnen lassen, sind auch verlässliche Aussagen zum Zustand der Netze möglich, klassische Regelungs- und Steuerkonzepte können auf die Netze angewendet werden.
Die praxisorientierteren Projektpartner werden schließlich erarbeitete Module und Analysekonzepte in einer Softwarebibliothek und passenden Workflows zusammenführen. Alle beteiligten Projektpartner werden zudem exemplarische, umfangreiche gekoppelte Netze und Szenarien berechnen und diese schließlich als Anwendungsbeispiele für die Softwarebibliothek bereitstellen.