Flexibilität durch automatisch gesteuerte E-Fahrzeuge Energiewende am Hamburger Hafen

Nun gibt es neue Ideen für die Lieferung von Regelenergie aus Batterien.

Bild: iStock; golero, HHLA
08.05.2019

Unter dem Titel „FRESH“ erproben Next Kraftwerke und Partner neue Ideen bei der Lieferung von Regelenergie aus Batterien. Am Containerterminal Altenwerder transportieren rund 100 automatisierte Schwerlastfahrzeuge Container. Die Flotte wird bis 2022 vollständig auf Batterieantrieb umgestellt. Die Fahrzeuge sollen beim Nachladen Regelenergie bereitstellen, oder wenn sie sich in Warteposition befinden. Das ist nicht nur eine komplexe Angelegenheit, sondern bedarf auch Anpassungen bei der Regulierung.

Das Projekt „Flexibilitätsmanagement und Regelenergiebereitstellung von Schwerlastfahrzeugen im Hafen“ (FRESH) ist in vielerlei Hinsicht innovativ. Demand Side Management, also die Bereitstellung von Flexibilität von Stromverbrauchern, bietet ein großes Potenzial für das Gelingen der Energiewende. Im Fokus von Untersuchungen zu dem Thema stehen dabei in der Regel vor allem stromintensive Branchen wie Aluminium, Chemie, Stahl, Papier und Zement.

Die Logistikbranche dagegen wird kaum betrachtet. Hier setzt das Projekt FRESH an. Denn die Digitalisierung und die fortschreitende Elektrifizierung der Logistikbranche stellen natürlich eine Herausforderungen für das Stromsystem dar, bieten aber zeitgleich auch neue Flexibilitäts- und damit auch Optimierungs- und Stabilisierungsoptionen. Und eben dieses wollen die beteiligten Unternehmen erforschen.

Eine weitere Besonderheit ist die variable Flexibilität. Am Container Terminal Altenwerder (CTA) des Projektpartners Hamburger Hafen und Logistik (HHLA) wird erstmals in Deutschland an einer Marktzugangslösung für mobile Energieträger geforscht. Denn die Automated Guided Vehicles (AGV) sind am CTA ständig im Einsatz. Ihre oberste Priorität ist der Transport der Container. Die Bereitstellung von Regelenergie muss dem untergeordnet werden.

Next Kraftwerke entwickelt das Konzept für die Flottenpräqualifikation sowie das im Rahmen der Regelleistungsvorhaltung notwendige Lademanagement und vermarktet die Regelenergie. Dabei liegt der Fokus zunächst auf der Bereitstellung von Primärregelleistung (PRL) aus dem Flottenverbund.

PRL gleicht unvorhergesehene Schwankungen im Stromnetz in Sekundenschnelle aus. Der Anbieter von Primärreserve misst die Netzfrequenz eigenständig am Ort der Erzeugung oder des Verbrauchs und reagiert unmittelbar auf Änderungen. So werden zeitliche Verluste vermieden und ein schneller Ausgleich bewirkt.

Keine Beeinträchtigung des Hafenbetriebs

Die Berechnung und Prognose der verfügbaren Regelenergie in einer Flotte ist komplex. Die Herausforderung besteht darin, die Transportleistungen der Fahrzeuge kontinuierlich zu prognostizieren und mögliche Batteriekapazitäten und Zuweisungen von Ladestationen zu Fahrzeugen zu planen, um damit eine Grundlage für die optimierte Nutzung der verfügbaren Flexibilität zu schaffen. Gleichzeitig muss die Bereitstellung der Batteriekapazitäten für den Strommarkt mit größter Zuverlässigkeit erfolgen und der Logistikbetrieb auf dem Terminal darf nicht beeinträchtigt sein.

So fließen in die Berechnung, wann wie viel Regelenergie bereitgestellt werden kann, verschiedene Parameter ein. Das sind zum Beispiel Segellisten, also die Informationen zu den Schiffsanläufe und Liegezeiten, die wiederum abhängig von Wetterbedingungen sind, die Ladestände der Batterien, die Belegung der Ladestationen, aktuelle Messwerte und die Position der AGV. Auf Basis der Daten berechnet ein Prognosealgorithmus dann die möglichen Angebotsmengen.

Um diese Prognosen stetig zu verbessern, setzen die Projektpartner unter anderem Deep Learning ein, eine Form des Machine Learning. Dabei lernt der Computer Muster in den Daten zu erkennen und kann daraus deren Weiterentwicklung vorhersagen. Redundanzen bei den Stromtankstellen stellen außerdem sicher, dass die Regelenergie dauerhaft und verlässlich bereitgestellt werden kann. Rein rechnerisch könnten die AGV an den dann 18 Stromtankstellen auf dem CTA eine Leistung von vier Megawatt dem Strommarkt zur Verfügung stellen.

Bidirektionale Schnittstelle Next Box

Für die Vorhaltung der Regelenergie werden die Ladestationen über eine bidirektionale Schnittstelle, die von Next Kraftwerke entwickelte Fernsteuereinheit Next Box, an das Virtuelle Kraftwerk angeschlossen. Die bidirektionale Verbindung der Next Box ermöglicht es, dass die elektrisch betriebenen Lastfahrzeuge sowohl bei Ladevorgängen als auch bei Entladevorgängen Regelenergie liefern können.

Wann die erste PRL-Bereitstellung durch die Fahrzeuge erfolgen wird, hängt unter anderem noch von einigen regulatorischen Rahmenbedingungen ab. Derzeit sind die Ausschreibungsbedingungen für die PRL noch nicht für Projekte wie FRESH ausgelegt. Denn diese Ausschreibungen finden momentan noch wöchentlich statt.

Diese Frist ist jedoch aufgrund der extrem variablen Bereitstellung der Flexibilität ungeeignet für FRESH. Die Bundesnetzagentur plant allerdings, die Fristen umzustellen. Ab Juli 2019 soll die Ausschreibung dann täglich stattfinden, ab Juli 2020 sogar alle vier Stunden. Mit den vier Stundenzeitscheiben ab Mitte 2020 ergeben sich dann sehr gute Möglichkeiten für eine optimierte Vermarktung.

Die Ergebnisse des mit Bundesfördermitteln in Höhe von rund 1,4 Millionen Euro im Rahmen des Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität III“ unterstützte Projekt sollen nach Abschluss auch anderen Industrien mit mobilen Energieträgern den Strommarktzugang ermöglichen.

Beispiele sind hier Logistiker mit entsprechenden E-Flotten. Die Partner im Projekt sind neben der HHLA und Next Kraftwerke das Offis e. V. – Institut für Informatik und die Georg-August-Universität Göttingen (Professur für Informationsmanagement).

Bildergalerie

  • Die Grafik zeigt die Regelleistung aus Batterien von automatisch gesteuerten E-Fahrzeugen. Die Herausforderung bei der Bereitstellung von PRL besteht darin, die Transportleistungen der Fahrzeuge und die Batteriekapazitäten kontinuierlich zu prognostizieren.

    Die Grafik zeigt die Regelleistung aus Batterien von automatisch gesteuerten E-Fahrzeugen. Die Herausforderung bei der Bereitstellung von PRL besteht darin, die Transportleistungen der Fahrzeuge und die Batteriekapazitäten kontinuierlich zu prognostizieren.

    Bild: HHLA

  • Die batteriegetriebenen AGV transportieren Container zwischen den Kaikranen und den Blocklagern. Wenn sie sich an der Ladestation befinden, können sie positive oder negative Regelenergie liefern.

    Die batteriegetriebenen AGV transportieren Container zwischen den Kaikranen und den Blocklagern. Wenn sie sich an der Ladestation befinden, können sie positive oder negative Regelenergie liefern.

    Bild: HHLA

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