Dank Sturmtief Billie speisten die deutschen Windkraftanlagen am 12. Dezember 2014 innerhalb von 24 Stunden eine Rekordmenge von 568 GWh Strom ins Netz ein – ein Drittel des deutschen Tagesverbrauchs. Genau wie die Stromerzeugung aus Wind ist auch die Erzeugung von Solarstrom abhängig von der Witterung und unterliegt Schwankungen. Energiespeicher sollen künftig das Ungleichgewicht zwischen Stromerzeugung und Nachfrage bei erneuerbaren Energien ausgleichen.
Gegenwärtig bietet die Power-to-Gas-Technologie (P2G) eine vielversprechende Lösung. Der Vorteil: Die Elektrolyse kann schnell aus dem Stand-by-Betrieb in die Volllast gefahren werden. Zudem ist Methan chemisch nahezu identisch mit Erdgas und diesem unbegrenzt zumischbar. Dazu besteht in Deutschland eine Infrastruktur aus Rohrleitungssystemen, Hausanschlüssen, Speichern und gut 900 Erdgastankstellen mit zusammen 200 TWh Speicherpotenzial.
Eine erste P2G-Anlage im industriellen Maßstab realisierte der Automobilbauer Audi in Werlte. Die Wahl fiel auf diesen Standort, weil dort eine Biogasanlage für das nötige CO2 sorgt und zwei Erdgaspipelines zum Einspeisen des erzeugten Methans vorhanden sind. Hinzu kommt im örtlichen Verteilnetz ein optimaler Energiemix: über 80 Prozent des Stroms stammen aus erneuerbaren Energiequellen.
Die Anlage selbst besteht aus einem Elektrolyseur, einem Methanisierungsreaktor und einer Gas-Einspeiseanlage. Dazu kommt ein H2-Pufferspeicher, der Elektrolyse und Methanisierung entkoppelt. Für eine wirtschaftlich optimale Methanproduktion ist die Anlagentechnik so wichtig wie die anfallenden Stromkosten. In Deutschland kann Strom direkt über Verträge oder über die Leipziger Strombörse EPEX eingekauft werden. Um den Energiepreis an der EPEX vorherzusagen nutzt Audi derzeit noch Strompreisprognosen für den Folgetag, um einen möglichst günstigen Preis zu bekommen.
Wirtschaftlicher Anlagenbetrieb
Um den Betrieb der Anlage in Werlte möglichst wirtschaftlich und systemdienlich zu gestalten, griff Audi auf Simulationen von Wenger Engineering zurück. Zur Optimierung des Anlagenbetriebs wurde die reale Anlage in einem Simulationsmodell nachgebildet und Optimierungsalgorithmen entwickelt. Dabei ist zu bemerken, dass die Anlage bei Teillast einen höheren Wirkungsgrad zeigt als im Volllastbetrieb.
Für den optimierten Betrieb musste ein auf die Problemstellung angepasster Algorithmus entwickelt werden, abhängig von Spezifika der realen Anlage. Dabei muss dieser Algorithmus so konstruiert sein, dass er auch zukünftig auf variable Eingangsbedingungen wie etwa den Strompreisverlauf richtig reagiert. Man entschied sich deshalb für einen evolutionären Algorithmus, der Optimierungsprobleme löst, indem er die biologische Evolution imitiert. Dazu ändert er wiederholt die Population möglicher Lösungen mit Hilfe von Rekombinations- und Mutationsregeln.
Im Falle der P2G-Anlage wählte das Team eine Startpopulation möglicher Lösungen. Diese bestand aus verschiedenen Kombinationen von sich stündlich ändernden Stellfolgen für Elektrolyseur und Reaktor über einen Zeitraum von 72 Stunden, da die Strompreisprognose immer über 72 Stunden läuft. Für den Elektrolyseur und den Methanreaktor gibt es jeweils fünf diskrete Betriebszustände von 0 bis 100 Prozent. Beide Anlagenteile haben in jeder der 72 Stunden eine bestimmte Kombination von Betriebszuständen, etwa 0 bis 70 Prozent (Elektrolyseur/Reaktor), 70 bis 100 Prozent und so weiter. Rein mathematisch gibt es hier (5x5)72 Möglichkeiten – zu viele um jede Kombination testen zu können.
Der Algorithmus errechnet nun aus der Startpopulation und den Werten der Strompreisprognose eine weitere Generation von Lösungen. Dann wählt er die besten Werte aus der aktuellen Lösungsgeneration und errechnet daraus die Werte der folgenden Generation. Je länger der Algorithmus läuft, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit eine möglichst günstige Stellfolge zu finden um kosteneffizient Methan zu produzieren.
18 Prozent effizienter
Die Einsatzplanung der Anlage erfolgte anfangs manuell: Auf Basis der aktuellen Strompreise wurde entschieden, wann Strom gekauft und Methan produziert wurde. Die Simulation von Wenger Engineering ergab eine bis zu 18 Prozent verbesserte Effizienz verglichen mit der bisherigen Betriebsweise. Im Vergleich zu einem durchgehenden Betrieb würde man sogar bis zu 28 Prozent Energiekosten sparen. Dadurch amortisieren sich die Optimierungskosten in einem überschaubaren Zeitraum und man gewinnt neue Erkenntnisse über die Anlagendynamik – gut für die Planung weiterer P2G-Anlagen.
Das Beispiel Werlte zeigt, dass man mit einer simulationsbasierten Herangehensweise an neue Prozesse noch bessere Ergebnisse erzielen kann. Ob bei dem automatisierten und auf die P2G-Anlage abgestimmten Stromeinkauf plus Anlagenbetrieb, beim Energiemanagement oder beim Skalieren von Energiemanagementkonzepten für Firmen oder Verwaltungen – der Einsatz der Simulation kann Kosten sparen und damit den Gewinn beziehungsweise die Rentabilität erhöhen.