Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität ist in den letzten Jahren von Seiten der Politik stark forciert worden, sodass die Kapazität der Ladepunkte den tatsächlichen Bedarf der Elektrofahrzeuge derzeit deutlich übersteigt und die Nutzung der Ladestationen so gering ist, dass einige bereits wieder abgebaut wurden. Nichtsdestotrotz hat die Bundesregierung das Ziel, bis 2030 eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte bereit zu stellen. In seiner umfassenden und aktuellen Studie „Der Markt für Ladeinfrastruktur – Elektromobilität in Deutschland bis 2030“ analysiert das Trend- und Marktforschungsinstitut trend:research die weitere Entwicklung des Marktes für Ladeinfrastruktur in fünf Szenarien, betrachtet und bewertet Trends, Markttreiber und -hemmnisse sowie die daraus entstehenden Chancen und Risiken für Marktteilnehmer.
Anteil an Elektroautos
Die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen als PKW ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen: zum Beispiel von Januar 2019 zu Januar 2020 um 64,3 Prozent bei batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen und um 58 Prozent bei Hybridfahrzeugen. Insgesamt gibt es unter den PKW aktuell circa 676.000 Elektrofahrzeuge auf den deutschen Straßen. Gemessen an den 47,7 Millionen PKW ist der Anteil jedoch weiterhin relativ gering.
Dem Gegenüber hat sich der Bestand der Ladeinfrastruktur in den letzten Jahren stark entwickelt: rechnet man die Kapazitäten der heutigen öffentlichen Ladeinfrastruktur in Deutschland zusammen, könnten – bei einer theoretisch angenommenen vollständigen Nutzung – bis zu mehrere Millionen PKW geladen werden. Nach einer umfangreichen Untersuchung werden die Ladestationen jedoch lediglich zwischen einmal die Woche bis einmal am Tag genutzt, dabei sind private Lademöglichkeiten wie Wallboxen oder ganz normale Steckdosen noch nicht einberechnet.
Rechtliche Rahmenbedingungen fördern Ladeinfrastruktur in Deutschland
Der Ausbau der Ladeinfrastruktur wird durch eine Vielzahl rechtlicher Rahmenbedingungen beeinflusst: So wird in dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende die Umrüstung der Zählpunkte von Ladepunkten mit intelligenten Messsystemen ab 2021 beschlossen, während die Ladesäulenverordnung eine leichtere Authentifizierung und Bezahlung anstrebt.
Das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz (GEIG), welches voraussichtlich 2021 in Kraft treten soll, ist vor allem an Wohn- und Nichtwohngebäude mit größeren Parkplätzen adressiert. Ab 2025 sind Eigentümer dazu verpflichtet, diese mit mindestens einem Ladepunkt auszustatten. Laut dem Handelsverband Deutschland (HDE) gibt es in Deutschland rund 450.000 Handelsstandorte. Mit dem Gesetz werden allein im Lebensmitteleinzelhandel rund 38.000 Standorte zum Aufbau von Ladesäulen verpflichtet sein. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Förderprogrammen für den Ausbau der Elektromobilität und der Ladeinfrastruktur sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch kommunal.
Plug-In-Hybride nur selten oder nie geladen
All diese Gesetze und Förderprogramme haben einen erheblichen Einfluss auf den Markt: der Bestand der Ladeinfrastruktur ist in den letzten Jahren stark gestiegen, insbesondere im öffentlichen und teilöffentlichen Bereich. Gab es im Jahr 2015 noch unter 1.000 öffentlich zugängliche Ladesäulen in Deutschland, sind es derzeit bereits über 22.000 Ladesäulen mit mehr als 60.000 Ladepunkten. Dem gegenüber stehen aktuell circa 303.000 Elektroautos, davon 135.000 Plug-In-Hybride, welche geladen werden müssen, insbesondere letztere werden jedoch teilweise nur selten oder nie geladen.
Bundesregierung plant weiteren Ausbau
Im Zuge des Klimaschutzprogramms im Verkehrssektor hat die Bundesregierung das Ziel formuliert, dass bis 2030 sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeuge in Deutschland zugelassen sind. Dieses Ziel wird unter anderen mit Kaufprämien für mit Elektro- und Brennstoffzellen betriebene Fahrzeuge sowie Hybridelektrofahrzeuge gefördert.
Zudem plant die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 den Ausbau der Ladeinfrastruktur auf eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte, was circa 400.000 bis 500.000 Ladestationen entspricht. Dazu hat sie bereits einen „Masterplan Ladeinfrastruktur“ beschlossen. Mit dem Corona-Konjunkturpaket vom 03.06.2020 will der Bund die Umsetzung des Masterplans beschleunigen und plant die Investition von zusätzlich 2,5 Milliarden Euro unter anderen für den Ausbau moderner und sicherer Ladeinfrastruktur.
Zu viele Ladepunkte?
Ob dieses Ziel dem tatsächlichen Bedarf entspricht, wird teilweise in Frage gestellt: der BDEW sagt, es reichen 300.000 bis 350.000 Ladepunkte. Andere sprechen von noch deutlich weniger benötigten Ladepunkten und -stationen, auch vor dem Hintergrund des – trotz deutlichen Anstiegs in den vergangenen Monaten – bisher noch relativ geringen Zuwachses an Elektrofahrzeugen. Hinzu kommt, dass die derzeit noch recht hohen Hürden für die Errichtung privater Ladepunkte durch das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastrukturgesetz beseitigt werden. Mieter und Wohnungseigentümer sollen zukünftig einen Anspruch auf Ladestationen haben, sodass der Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur voraussichtlich weiter sinken wird.
Ungeachtet des Bedarfs ist für die Realisierung des Ausbauziels von einer Million öffentlich zugänglicher Ladepunkte bis 2030 die weitere Förderung von Seiten des Bundes, der Länder und der Kommunen entscheidend. Dabei ist derzeit jedoch fraglich, ob diese – u.a. aufgrund der geringen Auslastung und der damit für die Betreiber verbundenen geringen Wirtschaftlichkeit der Ladesäulen – auch in den nächsten Jahren die finanziellen Mittel für den weiteren Ausbau bereit stellen wollen oder auch können: insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie können dazu führen, dass vor allem Kommunen kurz- und mittelfristig andere Investitionen vorziehen.
Weitere Entwicklung des Marktes für Ladeinfrastruktur anhand von fünf Szenarien
In seiner aktuellen Studie „Der Markt für Ladeinfrastruktur – Elektromobilität in Deutschland bis 2030“ untersucht das Trend- und Marktforschungsinstitut trend:research die weitere Entwicklung der Ladeinfrastruktur bis 2030 auf Basis von über 220 Prämissen und Kategorien: diese reichen von politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen auf kommunaler, nationaler und europäischer Ebene, über gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie Akzeptanz, demographische Entwicklung, Konsumverhalten und ökologisches Bewusstsein bis hin zu ökonomischen Rahmenbedingungen wie der Konjunktur, den Auswirkungen der „Coronakrise“ und der Wettbewerbssituation. Auch die zukünftigen Zulassungszahlen für Elektrofahrzeuge sind ein wesentlicher Bestandteil.
Unter Berücksichtigung dieser Prämissen betrachtet trend:research fünf Szenarien für die weitere Entwicklung der Ladeinfrastruktur.
Im Szenario „Corona“ kommt es zu einer spürbaren Rezession, welche sich unmittelbar auf den Markt durch ein stagnierendes Kaufinteresse an Elektrofahrzeugen und dem damit geringen/längerfristig ausbleibenden Ausbau der Ladeinfrastruktur auswirkt.
Im wahrscheinlichsten Szenario „Referenz“ wird sich nach Ende der Coronakrise der Markt für die Elektromobilität bereits im kommenden Jahr erholen. Durch ein weiterhin steigendes ökologisches Bewusstsein in der Bevölkerung, die Erhöhung der Batteriekapazität und Fördermaßnahmen des Staates nimmt das Interesse an Elektromobilität weiter zu und führt zu einer Zulassung von 9 Millionen Elektrofahrzeugen bis 2030.
Im „dynamischen“ Szenario wird von einer starken Förderung der Elektromobilität und deren Ladeinfrastruktur ausgegangen. Das deutlich zunehmende Bewusstsein für Nachhaltigkeit in der Bevölkerung führt zu einer starken Nutzung von Elektromobilität.
Im Szenario „Fördermittel LIS“ wird von einer sehr hohen Förderung sowohl für Ladeinfrastruktur als auch Elektromobilität im Allgemeinen ausgegangen. So beinhaltet das im Zuge der Coronakrise beschlossene Wirtschafts- und Konjunkturpaket Förderungen für den Bereich Elektromobilität in Höhe von insgesamt 8,4 Milliarden Euro, wodurch sich der Markt besonders stark und schnell entwickelt.
Im fünften Szenario erhält Elektromobilität starke Konkurrenz durch Wasserstoff, unter anderen bezüglich Ausbau der Infrastruktur, sodass die Förderungen und damit der Ausbau der Ladeinfrastruktur in den kommenden Jahren sinken werden.