Industrielle Energiewende Innovationen für die Energiewende

04.08.2014

Behindert der energiepolitische Ordnungsrahmen innovative Energietechnik? Energieversorger diskutierten auf Einladung von Energy 2.0 mit Vertretern von Bundesnetzagentur und BMWi über sinnvolle Rahmenbedingungen für die Energiewende.

Kein leichter Job: „Die Bandbreite der Beteiligten ist groß und dennoch sollten Regulierung und Ordnungsrahmen im Idealfall für jeden passgenau sein“, beschrieb Barbie Kornelia Haller, Referatsleiterin Wirtschaftliche Grundsatzfragen der Energieregulierung der Bundesnetzagentur die Aufgabe ihrer Behörde. „Wir haben mit der Anreizregulierung versucht ein System zu entwickeln, mit dem jedes Unternehmen leben kann und evaluieren jetzt, ob das wirklich so geschehen ist.“ Höchste Zeit, so Michael Lucke, Geschäftsführer der Allgäuer Überlandwerke (AÜW): „Alle Systeme, über die wie heute reden, wurden vor der Energiewende entwickelt und ins Leben gerufen und basieren auf den Erfahrungen mit Netzen, die wir früher errichtet haben.“ Die Frage sei aber, wo, wann und wie man welche Betriebsmittel einsetzt und wie dies im Zuge einer Anreizregulierung honoriert wird.

BDEW- und VKU-Vorschläge in der Kritik

Langfristig, so Luckes Überzeugung, werden sich intelligentere Systeme durchsetzen, weil sie im Vergleich zur konventionellen „kupferbasierten“ Systemen die effizienteren sind. „Wenn die intelligente Technologie die effizientere ist, dann soll der Netzbetreiber sie durchführen“, gab Haller zurück. Das sei das Credo der Anreizregulierung. „Die derzeitigen Vorschläge des VKU und des BDEW sind aber das komplette Gegenteil dieses Gedankens, mehr Dynamik und Intelligenz in die Netze zu bekommen“.

Man könne jedoch nicht einfach nach dem effizientesten System suchen, weil die Energieversorger auch für die Versorgungssicherheit zu garantieren haben, gab Dr. Jörg Hermsmeier, Leiter Forschung & Entwicklung der EWE, zu bedenken, unterstrich aber die Rolle der Anreizregulierung: „Egal ob sie sich als Innovator, Smart Follower oder Beobachter sehen: Die Energieversorger sind sehr weit, was das Wissen etwa über Smart Grids angeht. Aber bei den Investitionen sind alle zurückhaltend und warten auf die Anreizregulierung.“ Deshalb bestehe heute ein Investitionsstau.

Systemtransformation durch die Energiewende

„Man muss sich deutlich mehr Gedanken über den Transformationsprozess machen“, forderte Mainova-Vorstand Prof. Peter Birkner. Denn während das Energiesystem vor 15 Jahren sehr einfach strukturiert und die dafür nötige Regulierungstiefe überschaubar gewesen sei, mache die Energiewende es mit ihren volatilen und dezentralen Energiequellen um Größenordnungen komplexer. „Will man dieses neue System in der gleichen Detaillierungstiefe regeln, wird man scheitern“, so Birkners Warnung. Seine Anregung: „Die Vielfalt über das Prinzip der Dekarbonisierung steuern und jeden belohnen, der zur Dekarbonisierung beiträgt. Das bringt einen Wettbewerb der Technologien.“

„Der Emissionshandel sollte das zentrale Instrument sein“, unterstützte Ministerialrätin Christina Wittek vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) diese Position. Dies sei auch eine ständige Forderung der Wirtschaftsweisen. „Denn das EEG ist eindeutig Technologieförderung, kostet viel Geld und es setzt sich nicht die Technologie durch, die den größten Effekt zu den geringsten Kosten hat.“ Allerdings sei das bisher politisch nicht durchsetzbar gewesen.

„Andere Länder wie etwa die USA lassen Innovationen laufen und den Markt entscheiden“, warf Michael Lucke ein. „Wir müssen in den Systemen, die wir haben, innovatives Verhalten fördern und den Netzbetreibern mehr Sicherheit geben. Wir müssen Ziele definieren und Leitplanken setzen, in denen Netzbetreiber sich bewegen können.“

„Wir sollten auch nicht im Detail vorgeben, welche Technologie sich durchsetzen soll“, meinte auch Prof. Birkner. „Die Technologie muss allerdings die gewünschten Eigenschaften haben, also beispielsweise effizient und mit hohem Wirkungsgrad Energie speichern oder mit minimalem CO2-Ausstoß Energie erzeugen.“ Vor der Gefahr, in diesem Zusammenhang als Regulierer ein System aufzubauen, das eine Kapitalisierung in noch stärkerem Maße honoriert, warnte Barbie Kornelia Haller: „Das ist einer der großen Punkte, die uns jetzt beschäftigen: Es gibt Unternehmen, die große Kapitalaufwendungen haben und nicht in die großen innovativen Lösungen einsteigen können. Andere Unternehmen haben Forschungsprojekte und sehen großes Einsparpotenzial, haben aber deshalb mehr Betriebskosten und Forschungsaufwendungen. Für diese Unternehmen ist die effizienteste Technologie im regulierten Umfeld die beste.“

Um Intelligenz durch Kupfer zu ersetzen, gibt es aber derzeit kein Regulierungs- und Marktmodell, kritisierte Lucke. „Mit unseren Technologien im Allgäu sparen wir 600.000 Euro Ausbaukosten jedes Jahr – das könnte hochgerechnet unserer Volkswirtschaft 80 bis 90 Millionen Euro im Jahr sparen. Wenn wir das Verteilnetzbetreibern vorschlagen, fragen die aber immer: Wer honoriert, dass ich mich volkswirtschaftlich gut verhalte?“

Regulierung kontra technischer Sachverstand

Ein Beispiel, das den Antagonismus zwischen technisch Sinnvollem und staatlichen Vorgaben zeigt, ist Power-to-­Heat, also die Umwandlung von Überschussstrom in Wärme, die gespeichert oder in (Fern-)Wärmenetze eingespeist werden kann, „eine verfügbare und preisgünstige Technologie zur Kompensation der volatilen Erzeugung erneuerbarer Energien“, wie Prof. Birkner betont. Eine kurzfristige Amortisation sei im Grundsatz möglich. „Alle Anlagen, die ich kenne, sind aber in der Leistung begrenzt, um ein Steuerproblem zu vermeiden“, gibt er zu bedenken. „Und eine weitere Ungereimtheit: Power-to-Gas ist von Netzentgelten befreit, Power-to-­Heat dagegen nicht“.

Technisch wären in Frankfurt jedenfalls einige hundert Megawatt an installierter Power-to-Heat-Leistung eine vernünftige und machbare Größenordnung, um Volatilität aus dem deutschen Stromnetz zu nehmen. Tatsächlich hat die Mainova nur 8 MW an einem Kraftwerkstandort installiert, passend zu der dortigen minimalen Erzeugungsleistung von 10 MW. „Dabei bleibt es, weil wir bei Einsatz des eigenproduzierten Stroms keine Steuern, Entgelte und Umlagen bezahlen. Der Standort muss ein Nettoerzeuger bleiben. Sobald man jedoch den Strom aus dem öffentlichen Netz in Wärme umwandelt – was zu bestimmten Zeiten sinnvoll wäre, um das System vom Überschussstrom zu entlasten – würden Steuern, Entgelte und Umlagen fällig und die Anlage wird unwirtschaftlich“, so der Mainova-Vorstand.

Der konzeptionelle Fehler liege darin, dass Power-to-Heat-Anlagen steuerlich als Endverbraucher behandelt werden. Allgemein müsste Energiewandler wie Power-to-Heat, Power-to-Gas oder Batterien steuertechnisch als eigenständige Komponente behandelt werden und nicht nur als Summe aus Endverbraucher (Laden mit Steuern) und Erzeuger (Entladen ohne Steuern aber auch ohne Steuerrückvergütung). Seine Folgerung: „Ohne Anpassung der Steuer-, Entgelt- und Umlagenlogik für Speicher wird die Technik im öffentlichen Netz nicht im erforderlichen Umfang kommen.“

Teuer erkaufte Flexibilität?

„Flexibilität kann man auf unterschiedliche Weise und unterschiedlich teuer herstellen“, betonte Ministerialrätin Wittek. „Die Erkenntnis aus zahlreichen Gutachten ist, dass Speicher die teuerste Art der Flexibilität sind. Es fragt sich auch, welche Speicher wir in der langfristigen Perspektive brauchen, um nicht nur Volatilität abzufangen, sondern Versorgungssicherheit herzustellen.“ Pumpspeicherwerke könnten dies als Kurzzeitspeicher nicht leisten. Zur Sicherung der Versorgungssicherheit bei sehr hohen Anteilen erneuerbarer Energien komme Power-to-Gas als Maßnahme in Frage – wenn auch kein Speicher, sondern eine Art Demand Side Management mit sehr hohem Wirkungsgrad, wie Prof. Birkner präzisierte.

„Der Energy-only-Markt vergütet Flexibilität so, wie der Markt sie braucht. Am Energy-only-Markt sind also alle gleich“, formulierte Barbie Kornelia Haller. „Da wird sich die Technologie durchsetzen, die die nötige Flexibilität bietet. Aber wie viel Volatilität und Flexibilität wir brauchen, kann niemand beantworten.“

„Man muss die Rahmenbedingungen technologieneutral für alle Speicher gleichermaßen definieren“, sagte Ministerial­rätin Witteck. In der Übergangsphase seien alle Flexibilitäten genauso wertvoll wie Speicher. „Später brauchen wir einen reversiblen Speicher, der einspeisen kann und in der Lage ist, Strom zu produzieren.“

Einen solchen Energiespeicher werde es geben, aber immer hinter dem Zähler, egal ob im Kraftwerk oder im Privathaushalt, mahnte Prof. Peter Birkner, denn nur dort rechne es sich. „Die Flexibilität hinter dem Zähler wird kommen, aber wir brauchen sie auch vor dem Zähler im System, um die hohen volatilen Leistungen zu beherrschen. Das wird aber nicht mit Netzentgelten, Stromsteuer und EEG-Umlagen geschehen, weil es dann keinen Business Case gibt.“

Finanzierung der Netze überdenken

Das erfordere über das grundsätzliche System der Finanzierung von Netzen zu sprechen, warf BNetzA-Expertin Haller ein. „Doch, das könnten Sie schon steuern“, konterte Dr. Hermsmeier. „Egal welcher Speicher und egal ob vor oder hinter dem Zähler, es gibt derzeit keine Flexibilitäts-Anforderung.“ Die Netzgesellschaft stelle derzeit höchstens die Forderung, dass er abschaltbar ist, nutzt Speicher aber nicht für richtiges Einspeisemanagement und über Kommunikationsanbindung für höhere Flexibilität. „Das macht derzeit eher der Vertrieb. Genau da ist Regulierung gefordert, das Einspeisemanagement auf Kommunikationsebene zu fordern und Speicher auch für andere nutzbar zu machen“, verlangte Dr. Hermsmeier. „Derzeit wird so ein Speicher ja nur zu 15 % der Zeit genutzt. Die fehlenden 85 % der Zeit könnte auch der Vertrieb ihn nutzen, darf er aber momentan nicht.“

„Der Quartierspeicher wird sich rechnen, wenn man ihn ‚regulierungsfrei‘, also von Netzentgelten befreit in den Markt stellt“, prophezeite Lucke. Es könne volkswirtschaftlich nicht richtig sein, dass sich jeder Einzelne einen Speicher hinstellt. Es wäre besser, die Kräfte zu bündeln. Nach seinen Informationen will ein großer amerikanischer Batteriehersteller solche Quartiersspeicher bereits bis Ende 2015 entwickeln, und da dürfte es mit der Verbreitung der Elektromobilität Skalen­effekte geben, die sich preissenkend auswirken.

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