Die Versorgung mit Strom wird immer grüner und dezentraler: Die Anzahl an Windenergie- und Photovoltaikanlagen im deutschen Energiesystem nimmt weiter zu, während Atom- und Kohlekraftwerke zunehmend abgeschaltet werden. Zusammen mit Blockheizkraftwerken sollen die erneuerbaren Energien in den Verteilnetzen künftig auch die effiziente Netzführung unterstützen. Das reduziert den Einsatz von zentralen, flexiblen Gaskraftwerken.
Da die Übertragungsnetzbetreiber die dezentral verteilten Anlagen steuern müssen, benötigen sie einen Überblick über die erwartete Erzeugung im Verteilnetz. Daher müssen die Verteilnetzbetreiber bald mehr Transparenz schaffen.
Einspeisung von Ökostromkraftwerken bei Überlast anpassen
Gesetzliche Grundlage ist das Netzausbaubeschleunigungsgesetz. Die bisher geltenden Regelungen zum Einspeisemanagement von Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen werden durch das neue Redispatch-System ergänzt.
Ab dem vierten Quartal müssen Ökostrom- und KWK-Anlagen ab 100 Kilowatt installierter Erzeugungsleistung in den Redispatch einbezogen werden. Verteilnetzbetreiber müssen dazu unter anderem Einspeiseprognosen erstellen und Redispatch-Potenziale ausweisen.
Prognosen für den Redispatch 2.0
Die Prognose von Erzeugungsleistung ist im Redispatch-2.0-Szenario von zentraler Bedeutung. Gute Prognosen sorgen dafür, dass Redispatch-Maßnahmen günstig und effizient ausfallen können. Vor allem kleine Verteilnetzbetreiber stellt das jedoch vor große Herausforderungen. Das ZSW-Prognose-Werkzeug GridSage unterstützt sie dabei. Die Nutzung von GridSage macht Verteilnetze transparent, rüstet sie für die Zukunft und soll helfen, Netzengpässe zu vermeiden.
„GridSage prognostiziert die Stromerzeugung im Verteilnetz für die nächsten 36 Stunden in einer Auflösung von 15 Minuten“, erklärt Dr. Jann Binder vom ZSW. „Wir aktualisieren die Prognosen für die einzelnen EEG-Anlagen und Netzknoten stündlich und stellen sie dem Netzbetreiber automatisiert zur Verfügung.“ Auf Wunsch sind auch andere Zeitintervalle und Prognosehorizonte oder eine flexible Prognoselieferung möglich.
Die ZSW-Forschenden erstellen die Prognosen mit Hilfe von Methoden der künstlichen Intelligenz: Neuronale Netze lernen aus Daten der Vergangenheit, welche Erzeugungsanlage bei welchen Wetterbedingungen wie viel Leistung erzeugt. Diese Information nutzt GridSage, um automatisiert hochauflösende Prognosen zu erzeugen.
An vielen Stellen unterzieht das ZSW die Messdaten einer Plausibilitätsprüfung, etwa durch den Vergleich der Anlagennennleistung mit der Jahreserzeugung oder den Vergleich mit der Erzeugung von gemessenen Nachbaranlagen, um fehlerhafte Daten auszuschließen.
GridSage kann zudem mehr, als vom Redispatch 2.0 gefordert wird: „Neben der Erzeugung prognostiziert das Werkzeug die Last im Verteilnetz“, so Binder. „Künftig wird das immer wichtiger. Je mehr sich die Elektromobilität durchsetzt und Wärmepumpen in Häusern installiert werden, desto größer wird die Bedeutung von präzisen Vorhersagen zum Verbrauch in Verteilnetzen. So können die Netze auch in Zukunft effizient betrieben und der Bedarf für Netzausbau verringert werden.“
GridSage bei Stadtwerke Schwäbisch Hall
Genutzt wird das neue Prognose-Werkzeug bereits erfolgreich. Die Stadtwerke Schwäbisch Hall setzen GridSage seit Oktober 2020 ein. Der kommunale Versorger steuert neben dem eigenen Stromnetz die Netze von zahlreichen weiteren Stadtwerken bundesweit.
Mit der Nutzung von GridSage kann die Schwäbisch Haller Netzleitstelle jederzeit mit aktuellen und belastbaren Fahrplänen arbeiten: Eine gute Entwicklung für die Netzstabilität und die Energiewende.