ISSDemo steht für „Industrial Process Steam Supply – Demonstration of an ultradynamic thermal energy storage“. Das Projekt verfolgt das Ziel, den Anteil erneuerbarer Energien in der industriellen Prozesswärmeerzeugung zu erhöhen. Der Fokus liegt dabei auf Wärmespeicherung zur Erzeugung von Prozessdampf.
Hierfür wird ein neuartiger Hochtemperatur-Latentwärmespeicher bis zur Anwendungsreife entwickelt, der auf einem so genannten Phasenwechselmaterial (PCM, Phase Changing Material) basiert. In diesem Fall ist das eine spezielle Metalllegierung, die ihren Aggregatszustand von fest nach flüssig und umgekehrt wandelt. Der Speicher kann Wärme mit einem Temperaturniveau zwischen 250 und 500 °C bereitstellen und daraus Dampf erzeugen.
Projektbetrieb und Industrialisierung
Der Speicher soll eine hohe Flexibilität und Dynamik bieten, was sich ideal für die schnelle, bedarfsgerechte Erzeugung von Prozessdampf eignet. Er soll im Projekt auf eine Kapazität von 1 MWh skaliert werden. Die Demonstrationsanlage wird am Hauptsitz der Bitburger Braugruppe in Bitburg errichtet und in das dortige Prozesswärmenetz eingebunden.
„Das Thema Energiespeicherung ist bei uns in der Bitburger Brauerei nicht neu“, sagt Christian Prechtl, leitender Projektingenieur Anlagenplanung bei der Bitburger Braugruppe. „Seit vielen Jahren betreiben wir erfolgreich Dampf- und Warmwasserspeicher. Ebenso nehmen wir am Regelenergiemarkt teil, was wir weiter intensivieren wollen.“
Dafür solle der phasenweise zu erwartende Überschussstrom aus den eigenen regenerativen Energien oder dem Netz im geplanten Latent-Wärmespeicher gepuffert und bei Bedarf als Prozessdampf abgegeben werden. Die Batch-Fahrweise im Braubetrieb führe zu teilweisen Spitzen im Dampfverbrauch, die durch einen schnell reagierenden Latent-Wärmespeicher neben dem vorhandenen Dampfspeicher geglättet werden können. „Damit entlasten wir vor allem unser Kesselhaus. Für uns ist der Hochtemperatur-Wärmespeicher daher ein weiterer innovativer Ansatz zur Dekarbonisierung der Brauerei“, erklärt Prechtl.
Im Projektbetrieb sollen zunächst 300 Lade- und Entladezyklen und 1.000 Betriebsstunden absolviert werden. Felix Kugler, Gruppenleiter Thermische Speicher und Prozesswärme bei Fraunhofer Umsicht, skizziert die Pläne: „Mit den Erfahrungen aus dem Projekt beabsichtigen wir, den Speicher gemeinsam mit einem Anlagenhersteller zur Marktreife zu bringen. Wir gehen davon aus, dass sich in einer industrialisierten Version nahezu unbegrenzte Lade- und Entladezyklen und damit sehr lange Betriebszeiten realisieren lassen.“
Höhere Energiedichte durch verborgene Wärme
Die Fraunhofer-Forscher machen sich bei der Entwicklung des Latent-Wärmespeichers das Prinzip der Phasenumwandlung zunutze. Wenn Materialien eine Änderung ihres Aggregatszustands durchlaufen, zum Beispiel von fest zu flüssig, können sie in ihrem Phasenwechsel sehr große Energiemengen in Form von Wärme speichern. Solange die Phasenumwandlung nicht vollständig abgeschlossen ist, steigt die Temperatur des Materials trotz Wärmezufuhr nicht weiter an, die zugeführte Wärme bleibt „verborgen“. Dies ermöglicht eine höhere Energiedichte im Vergleich zu sensiblen Hochtemperatur-Wärmespeichern, die als Speichermaterialien Feststoffe wie Beton oder Schotter nutzen, ihre Temperatur aber ändern müssen, um Wärme zu speichern.
Für Latentwärmespeicher ist die Entwicklung geeigneter Phasenwechselmaterialien, zum Beispiel Metalllegierungen und deren Verkapselung, entscheidend. In Vorprojekten des Fraunhofer Umsicht wurden entsprechende Werkstoffe identifiziert, getestet und patentiert, die nun für die industrielle Anwendung genutzt werden.
Vorteile für die Industrie
Hochtemperatur-Wärmespeicher bieten für die industrielle Anwendung mehrere Vorteile:
Durch die Nutzung von Strom aus erneuerbaren Quellen zur Erzeugung von Prozessdampf können fossile Brennstoffe ersetzt und CO2-Emissionen reduziert werden.
Der Speicher kann schnell auf wechselnde Anforderungen reagieren und bietet somit eine stabile Prozessdampfversorgung.
Die bestehende Prozessdampf-Infrastruktur kann weiter genutzt werden, was eine kosteneffiziente und schnelle Implementierung ermöglicht.
Der Speicher lässt sich netzdienlich laden und kann somit zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen.
Zukunftsaussichten und Markteinführung
Nach der Demonstration in der Getränkeindustrie soll die Technologie skaliert und auf weitere Industriesektoren wie Chemie, Zellstoff & Papier oder Lebensmittel übertragen werden. Anwendungsszenarien in den entsprechenden Unternehmen werden bereits im Projekt entwickelt. Durch Lizenzierungspartner soll schließlich der europaweite Roll-out erfolgen.
ISSDemo wird von einem Konsortium mit insgesamt fünf Partnern durchgeführt. Die Gesamtkoordination liegt beim Fraunhofer Umsicht, weitere Partner sind
die Silesian University of Technology, verantwortlich für CFD-Simulationen und techno-ökonomische Analysen,
die Universidad de Lleida, für die Durchführung von Materialanalysen und einer umfassenden ökologischen Bewertung,
die Unternehmen Build to Zero und Proen Gliwice, die bei der Fertigung und Integration des Speichersystems sowie bei der Durchführung von HAZOP-Analysen unterstützen.
Als selbstfinanzierte Industriepartner nehmen die Bitburger Braugruppe, Freudenberg Services und der Wirtschaftsverband der rheinisch-westfälischen papiererzeugenden Industrie aus Deutschland sowie die Sanok Rubber Company aus Polen am Projekt teil. Das Vorhaben wird im Rahmen des Clean Energy Transition Partnership Joint Call 2022 gefördert und von der EU kofinanziert.