Eine Zwischenbilanz der Energiewende versuchte in Bayern die IHK Ende vergangener Woche. „Die deutsche Energiewende ist zu teuer und bringt für den Klimaschutz zu wenig“, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags (BIHK) Peter Driessen. „Der sogenannte Kohlekompromiss ist ein goldener Handschlag für ohnehin marode Kraftwerke, der sowohl die Verbraucher als auch die Wirtschaft teuer zu stehen kommt.“
Auch mit den politischen Festlegungen zur Kraft-Wärme-Kopplung ging er scharf ins Gericht: „Was wir wirklich nicht nachvollziehen können, ist die Ungleichbehandlung von öffentlichen Versorgern und Industrie“, sagte Driessen – das werde einer Überprüfung in Brüssel bedürfen. Denn hocheffiziente Industrieanlagen zur Energiebereitstellung durch Kraft-Wärme-Kopplung entlasten auch die Stromnetze.
Die deutsche Industrie bezahle heute die vierthöchsten Strompreise in der EU. „Die Industrie kann die Energiewende nicht weiter zu Lasten ihrer Wettbewerbsfähigkeit schultern“, warnte Driessen. „Jetzt muss eine Strompreisbremse her.“ Damit die Strompreise nicht ins Uferlose steigen, sollen die Kosten der Energiewende zukünftig nicht mehr über Umlagen, sondern aus Steuereinnahmen finanziert werden.
Ertrag der Trassen-Formel „2-X“
Mit Blick auf den Ausbau der Übertragungsnetze äußerte Driessen auch Zweifel, dass sich die Trassengegner mit dem Argument einer Erdverkabelung überzeugen lassen. Die bayerische Wirtschaftsministerin Ilse Aigner verteidigte jedoch die in die Verhandlungen mit dem Bund eingebrachte Trassen-Formel „2-X“, die letztlich Anfang Juli in Berlin zu anders nicht erzielbaren Zugeständnissen von 2 GW gesicherte Leistung für Bayern geführt habe. Mit den Worten „Ich bin eine bayerische Ministerin“, versuchte sie im Nachhinein für ihre Verhandlungsstrategie zu werben.
Die durch Umlagen zu finanzierenden Mehrkosten für den Netzausbau bezifferte sie pro Kilowattstunde auf etwa 0,1 Cent über 40 Jahre, die für einen Gaskraftwerke-Betrieb in Bayern bis 2021 auf etwa 0,4 Cent. In der Summe rechnet sie also mit 0,15 Cent pro Kilowattstunde Mehrbelastung für Stromkunden.
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mauch, Geschäftsführer der Münchner Forschungsstelle für Energiewirtschaft, stützte zwar die Kostenabschätzungen der Ministerin, kritisierte jedoch die Strategie, durch politisches Taktieren Vorteile für Bayern auf Kosten des Systemgedankens herauszuschlagen. „Wir müssen aufhören, deutsch oder bayrisch zu denken. Das wäre Effizienz!“, sagte er unter Beifall aus dem Publikum. Langfristig brauche man sogar noch viel mehr Leitungen: ein europäisches Netz, um Solarstrom dort zu erzeugen, wo er günstig produziert werden kann.
Vorrang für Erdkabel in der Kritik
Auch mit der im Hinblick auf Bürger-Proteste getroffenen politischen Festlegung auf einen Vorrang für Erdverkabelung rief die Ministerin bei der IHK-Veranstaltung vehemente Kritik hervor. „Eine vorrangige Erdverkabelung scheint mir unverhältnismäßig“, sagte Dr. Erk Thorsten Heyen, Senior Vice President der Wacker Chemie, einem der größten bayerischen Energieverbraucher. „Das ist so, als würde man Autobahnen vorrangig unter die Erde legen.“
Noch kritischer sah die Erdverkabelung ein Diskussionsteilnehmer, da sie zur Isolierung viel mehr Rohstoffe erfordere als die Luft-isolierten Freileitungen. Falls es zu einem elektrischen Durchbruch zwischen den Leitern komme, sei aufgrund der hohen Spannungen und Leistungen eine Explosion zu erwarten und damit große Leitungsschäden, die aufwändige und zeitraubende Reparaturen erfordern, argumentierte der Stadtwerke-Geschäftsführer.