Der Boom der erneuerbaren Energien hat Betreiber von städtischen Netzen bisher weniger tangiert. Es waren vorwiegend die Betreiber ländlicher Verteil- und Übertragungsnetze, die mit dem enormen Zuwachs der erneuerbaren Erzeugung konfrontiert waren und sich mit dem damit verbundenen technischen Wandel beschäftigen mussten. Um beispielsweise Engpässe zu erkennen, haben sie spezielle IT-Systeme aufgebaut, Möglichkeiten zum kurzfristigen Absenken von Einspeisern eingeführt (Einspeisemanagement) sowie neue Technologien zum Messen und Regeln in Verteilnetzen erprobt.
Druck auf Stadtwerke wächst
Für städtische Netzbetreiber waren solche Maßnahmen bisher kaum erforderlich. Das könnte sich jetzt ändern. Denn vorgelagerte Netzbetreiber und Übertragungsnetzbetreiber werden beim Einspeise- und Lastmanagement aufgrund der weiter steigenden EEG-Quoten immer stärker auch auf Stadtwerke zurückgreifen. Flexible Verbraucher in den Stadtnetzen wie Wärmepumpen oder künftig Elektroautos und „intelligente“ Haushaltsgeräte können eine ökologische und wirtschaftliche Alternative darstellen gegenüber der Absenkung von erneuerbaren Energieerzeugern. Zudem können durch Mikro-KWK-Anlagen, durch den weiteren Zubau von Photovoltaik-Anlagen und durch Ladesäulen im Stadtnetz lokale Probleme für den Netzbetrieb entstehen. Sie gilt es zu erkennen und entweder per Netzausbau oder mit Hilfe von IT-Lösungen anzugehen.
Eingriff in den Netzbetrieb
Aufgrund der beschränkten Möglichkeiten zur Windenergieerzeugung und relativ hoher Kapazitätsreserven mussten städtische Netze bisher wenig mit lokalen Engpässen kämpfen. Auch hatten viele Stadtwerke das Glück, dass sie noch nicht von vorgelagerten Netzbetreibern zum kurzfristigen Einspeisemanagement aufgefordert wurden. Inzwischen spüren jedoch immer mehr Verteilnetzbetreiber und Stadtwerke, die noch keine IT-Systeme für das Einspeisemanagement eingeführt haben – etwa in Teilen von Süd- und Mitteldeutschland – das steigende Risiko, kurzfristig in den Netzbetrieb eingreifen zu müssen. Das heißt, der Druck steigt, die Lücken beim Einspeisemanagement zu schließen.
IT-Systeme für das Einspeisemanagement sichern vor allem die diskriminierungsfreie Anlagenauswahl und die vorgabenkonforme Durchführung von Eingriffen ab. Zudem vermeiden sie Fehler, die bei einer manuellen Auswahl und Absenkung von vielen Anlagen innerhalb kürzester Zeit entstehen können. IT-basierte Einspeisemanagement-Lösungen können sowohl innerhalb als auch außerhalb von Leitsystem angesiedelt werden. Für manchen städtischen Netzbetreiber kann es sinnvoll sein, beim Einspeisemanagement auf eine „intelligente“ Smart-Metering-Lösung aufzusetzen, die Erweiterungen für das Einspeisemanagement bietet. Damit kann auf eine Erweiterung des Leitsystems verzichtet werden.
Bei der Einführung eines technischen Einspeisemanagements im Netzbetrieb sollte man die betriebswirtschaftlichen und administrativen Systeme nicht aus dem Auge verlieren. Die EEG-Einspeiser werden üblicherweise in Systemen wie SAP verwaltet und abgerechnet. An dieser Stelle empfiehlt sich eine standardisierte EEG-Erweiterungslösung. Die Software von BTC beispielsweise bietet neben der Abrechnung mit den aktuellen EEG-Vergütungssätzen auch Schnittstellen zum Einspeisemanagement-Werkzeug. Das Stammdaten-Cockpit dieser Anwendung reduziert die üblichen Projektierungs- und Datenpflegeaufwände von EEG-Anlagen stark. Solche Schnittstellen zwischen technischem und betriebswirtschaftlichem Einspeisemanagement erleichtern die Bearbeitung von Entschädigungsforderungen von Anlagenbetreibern.
Balance durch Lastmanagement
Ein größeres Potenzial beim Mitwirken im Gesamtenergiesystem, aber auch für die bessere Auslastung des eigenen Netzes, bietet sich für Stadtwerke durch das Beeinflussen von Lasten. Das Lastmanagement ist bereits durch bestehende Regelungen wie dem Kaskadenkonzept aus dem VKU/BDEW-Leitfaden als unterstützende Maßnahme für Stromnetzbetreiber vorgesehen, wird aber bisher noch wenig bei Verteilnetzbetreibern eingesetzt.
Für das Stadtnetz lassen sich beim Lastmanagement zwei Szenarien unterscheiden:
Zum einen kann es durch weiterhin steigende EEG-Quoten und einem Wandel der Erzeugung in Nachbarländern (siehe aktuelle Diskussion in Frankreich) zu kritischen Gesamtsystemsituationen kommen, bei denen weitgehende Lastabsenkungen sogar in Stadtnetzen erforderlich werden. Leitsystemnahe IT-Systeme für das Lastmanagement sind in der Lage, geordnete Prozesse umzusetzen – beispielsweise für ein rollierendes Abschalten von Verbrauchssträngen.
Zum anderen kann ein Lastmanagement in städtischen Netzen die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch herstellen: Auch wenn es im Moment noch um Pilotstudien und -projekte geht, zeichnet sich für die Zukunft ab, dass elektrische Heizungen, Elektromobile, Straßenbeleuchtung und intelligente Haushaltsgeräte einen wesentlichen Beitrag leisten können, Erzeugungsschwankungen bei erneuerbaren Energien auszugleichen. Beispielsweise wurden laut BDEW im Jahr 2012 Neubauten bereits zu 24 Prozent mit Wärmepumpen ausgestattet. Neue Verbraucher wie Elektromobile und Ladesäulen sind für den Stadtnetzbetrieb relevant, da sie empfindliche Lastspitzen erzeugen oder umgekehrt als flexible Stromspeicher genutzt werden können.
Die Grundvoraussetzung, um kleine Lasten auf große Stückzahlen an Verbraucher zu verteilen, ist ihre direkte oder indirekte Ansteuerung. Auch dafür sind Smart-Metering-Infrastrukturen eine vielversprechende Lösung, da sie auf große Anlagenzahlen skalieren und bei Lasten ohnehin eine geeichte Zähleinrichtung gefragt ist, um beispielsweise Spezialtarife abzubilden. Dabei sollten sich Stadtwerke die Frage stellen, ob sie auch die strategische Funktion des Smart-Meter-Gateway-Administrators selbst übernehmen wollen statt sie an einen Dienstleister zu übergeben.
Smart Grid statt Netzausbau
Der konventionelle Netzausbau durch mehr Kupfer oder größere Trafos ist insbesondere in städtischen Netzen oft mit aufwendigen Bauarbeiten verbunden. In bestimmten Situationen können auch hier IT-Lösungen helfen, bestehende Netze mit höherer Auslastung stabil zu betreiben. Der erste Schritt in diese Richtung ist das Installieren von Messtechnik, um die Netzsituation auf der unteren Netzebene überhaupt beobachten und überwachen zu können. Zudem empfiehlt es sich, für die Steuerung der unteren Netzebenen einen hohen Automatisierungsgrad anzustreben, da auf dieser Ebene sehr viele kleinteilige Netzelemente beteiligt sind. Je nach Anforderung kann dabei eine dezentrale Regelung oder eine zentrale Steuerung über die Netzleittechnik erfolgen. Dezentral beispielsweise mit „intelligenten“ Ortsnetzstationen oder Ortsnetztransformatoren, die eine lokale Regelung besitzen.
Smart-Grid-Regler, die mit einer Netzberechnung arbeiten, wie etwa der BTC Grid Agent, können zusätzlich sicherstellen, dass Sollwerte und Schwellwerte schwingungsarm erfüllt werden. Da eine solche Regelungskomponente dezentral eingesetzt werden kann und nicht auf permanente Verbindung zu einem Zentralsystem angewiesen ist, wird im Falle der üblichen Kommunikationsstörungen (insbesondere bei Mobilfunkverbindungen) Netzsicherheit gewährleistet. Allerdings müssen auch dezentrale Komponenten zentral verwaltbar sein und mit anderen Systemen zusammenspielen, damit beispielsweise eine Topologie-Änderung eines Netzausbaus in einem geordneten Prozess auf die betroffenen Netzregler ausgerollt wird und somit kein zusätzlicher Konfigurationsaufwand vor Ort entsteht.
IT-Sicherheit im Fokus
Neben den rein energietechnischen Fragestellungen spielt auch die IT-Sicherheit eine wichtige Rolle für sicheren Strom. Spätestens seit die Stadtwerke Ettlingen Anfang 2014 ihre IT-Systeme von einem Profihacker testen ließen und dieser nur zwei Tage brauchte, um sie zu knacken, rückt für Stadtwerke die Datensicherheit vermehrt in den Fokus. Sicherheitschecks und -analysen können eine sinnvolle erste Maßnahme sein.
Eine weitere wichtige Entwicklung wird die Verabschiedung des IT-Sicherheitskatalogs der Bundesnetzagentur bringen. Voraussichtlich wird er von Netzbetreibern verlangen, ein IT-Sicherheitsmanagement einzuführen und die IT-Sicherheit ganzheitlich zu betrachten.
Smart-Metering-Lösungen mit einem integrierten BSI-Schutzprofil sind ein vielversprechender Ansatz, da sie zusätzlich zum Datenschutz auch die IT-Sicherheit (im Sinne von Sicherheit gegen Angriffe auf Erzeuger- und Laststeuerungen) adressieren. Sie können in anderen Bereichen des Netzbetriebs als Vorbild dienen.