Mit dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren ist ein stetiger Netzausbau nötig – zumindest theoretisch. Doch es gibt noch viel mehr Möglichkeiten, eine nachhaltige Stromerzeugung zu realisieren und dabei weder den lokalen Netzausbau exzessiv voranzutreiben, noch den Ausbau erneuerbarer Energien einschränken zu müssen. So fordert etwa die Dena [1] den Ausbau von Stromspeichern vehement ein. Wie ihre Verwendung in Niederspannungsnetzen bereits heute aussehen kann, zeigen mehrere Projekte in Nordbayern.
„Intelligente“ Speicher für die Energiewende
Im Rahmen einer Projektgemeinschaft haben die SWN Stadtwerke Neustadt und IBC Solar im September 2012 erstmals die Einbindung eines Quartierspeichers in ein Ortsnetz realisiert. Ziel des Pilotprojekts war, insbesondere den über die Mittagsspitze von Solaranlagen produzierten Sonnenstrom in Batterien zu speichern, um diesen dann im Sinne von Peak-shaving abends oder in den Morgenstunden wieder abzugeben. Dadurch kann der Netzausbau vermieden und zusätzliche Kapazität für weitere dezentrale Erzeugungsanlagen geschaffen werden.
Im ländlichen Raum rund um Fechheim ist eine Vielzahl von PV-Anlagen auf Privathäusern, aber auch auf großen landwirtschaftlichen Gebäuden installiert. 2012 waren Anlagen mit einer Gesamtleistung von 58 Kilowatt Peak (kWp) am untersuchten Strang des Ortsnetzes angeschlossen. Zeitweise erreichte die Spannung mit bis zu 250 Volt die absolute Toleranzgrenze. Am Mittelspannungstransformator wurden bis zu 52 kW Rückspeisung in das Mittelspannungsnetz gemessen – an manchen Sommertagen also fast die gesamte von den PV-Anlagen erzeugte Energie.
Der Stromspeicher ist als Komplettlösung konzipiert. Er integriert klassische Blei-Gel-Batterien mit einer Kapazität von 240 kWh sowie bidirektionale Wechselrichter mit einer Leistung von 45 kW mit unterschiedlichen Regelfunktionen, die speziell für die Anwendung programmiert wurden. Nach zwei Jahren Betrieb zeigt sich, dass der Speicher seine Funktion erfüllt, die Spannung im Netz stabil zu halten.
Im Wirkleistungsbetrieb konnten die Spannungsstabilisierung und damit die Entlastung des Leitungsstranges und des Ortstrafos nachgewiesen werden. Der Speicher kann somit helfen, den Bedarf für einen weiteren Netzausbau zu verringern oder zumindest zu verzögern. Einem zügigen weiteren Zubau von erneuerbaren Energien steht somit nichts im Wege.
Nachfolgeprojekt Smart Grid Solar
Konsequent weitergedacht wird dieser Ansatz in einem weiteren Forschungsprojekt, bei dem IBC Solar Projektpartner ist: „Smart Grid Solar“ unter Projektleitung des ZAE Bayern konzentriert sich auf zwei nordbayerische Standorte. Arzberg im Landkreis Wunsiedel beherbergt seit Oktober 2014 das Testfeld des Projekts mit mehreren Demonstrationsanlagen.
Darunter befinden sich verschiedene PV-Technologien, drei Redox-Flow-Großbatterien als kurzfristige Speicher sowie ein Wasserstoffspeicher für die Speicherung im saisonalen Maßstab. Dieser erzeugt aus Strom Wasserstoff, speichert ihn in einem organischen Trägermedium zwischen und ist über eine Brennstoffzelle wieder zur Stromproduktion fähig.
Das Testfeld ist am Niederspannungsnetz des Ortsteils Schlottenhof angeschlossen. Mehrere Anwohner nehmen am Projekt teil und stellen mit installierten Smart Metern elektrische Messdaten bereit. Sieben Haushalte, die über PV-Anlagen im Eigenverbrauchsmodus verfügen, wurden zudem mit elektrischen, stationären Batteriespeichern ausgestattet. Untersuchungsgegenstand ist das Zusammenspiel verschiedener Speichertechnologien, auch über mehrere Standorte hinweg.
Auch in Epplas, einem ländlich geprägten Ortsteil der Stadt Hof, haben fast alle Einwohner Smart Meter installieren lassen. Die Besonderheit: Auf 16 Haushalte kommen hier 17 PV-Anlagen mit einer Gesamtleistung von 287 kWp. Über das Jahr gesehen produziert Epplas damit ein Vielfaches des Stroms, den die Bewohner verbrauchen können. Hier setzt das Forscherteam mit IBC Solar seit April 2015 einen Quartierspeicher im Niederspannungsnetz ein (siehe Abbildung oben), ähnlich dem in Fechheim.
Bei der Auslegung des Quartierspeichers orientierten sich die Wissenschaftler an der Herangehensweise der Netzbetreiber. Zur Planung ihrer Netze gehen diese vom Worst-case-Szenario aus: Alle PV-Anlagen speisen gleichzeitig mit voller Leistung ein, während keine Last auftritt. Die Leistung des Speichers wurde so dimensioniert, dass auch bei weiterem Zubau von dezentralen Energieerzeugern sich an keiner Stelle des Ortsnetzes eine Spannungsanhebung ergibt, die nach VDE-AR-N 4015 unzulässig wäre.
Auch für die Festlegung der Kapazität dient das Worst-case-Szenario. Hierfür muss die Energiemenge berechnet werden, die sich aus Höhe und Dauer der zu vermeidenden Spannungsanhebung ergibt und beim Peak-shaving aus dem System genommen werden muss. Der Quartierspeicher wurde damit für eine maximale Leistungsaufnahme von 70 kW und eine Gesamtkapazität von 330 kWh ausgelegt.
Vorbetrachtungen mit Simulationsbaukasten
Um eine realistische Abschätzung für die Nutzung des Speichers in Epplas bereits vor der Inbetriebnahme erheben zu können, wurde im Projekt ein umfassendes Simulationsmodell aufgesetzt. Dieses Modell basiert auf dem Simulationsbaukasten „i7-AnyEnergy“, der in Kooperation mit dem Lehrstuhl Informatik 7 der FAU Erlangen-Nürnberg entwickelt wird. Es bildet die Haushalte mit PV-Anlagen und Verbrauch sowie die vorliegende Netztopologie ab.
Dabei wurden erstmals die Fluktuationen der Erzeugung aufgrund von wechselhaftem Wetter sowie im Verbrauch eines Einzelhaushaltes genau berücksichtigt. Die sich damit stets verändernden Leistungsflüsse wirken sich auf das Spannungsgefüge im Niederspannungsnetz aus. Am Beispiel der Wettersituation im betrachteten Simulationsjahr 2014 beläuft sich die zeitliche Nutzung des Speichers trotz des hohen PV-Ausbaus auf zirka 20 Vollzyklen pro Jahr. Die niedrige Maximalladung von nur 40 Prozent SOC (state of charge) zeigt, dass der Worst-case-Fall in der Simulation nicht auftritt (siehe Abbildung oben rechts).
Betrachtet man hingegen theoretisch ein Jahr mit sonnigem Wetter ohne Bewölkung, würde die vorab bestimmte Kapazität voll ausgenutzt werden. Über das Jahr gesehen ergäben sich 200 Vollzyklen. Um einen wirtschaftlichen Einsatz zu erreichen, sollte die kalendarische Lebenserwartung der Akkus auch mit der Zyklenerwartung im Einklang stehen. Dies entspricht im konkreten Fall einer Auslastung von etwa 300 Zyklen pro Jahr.
Es gilt also, den Speicher auch in den häufigen Zeiten des Stillstands, was in der Grafik eine gleichbleibende Färbung darstellt, sinnvoll einzusetzen. Die gute Nachricht: Technisch umsetzbare Anwendungen für elektrische Speicher sind vorhanden – und einige davon sind bereits auch regulatorisch möglich. Nichtsdestotrotz ist hier der Gesetzgeber gefragt, regulatorische Hürden abzubauen und so für den wirtschaftlich sinnvollen Betrieb von Quartiersspeichern auch rechtlich sichere Rahmenbedingungen zu schaffen.
Der nun anstehende Realbetrieb des Speichers soll Aufschluss darüber gehen, zu welchen Zeiten der Speicher und das Ortsnetz für eine Mehrfachnutzung verwendet werden können. Ausgehend davon werden weitere Einsatzszenarien, wie eine fiktive Teilnahme am Regelleistungsmarkt, die Eigenverbrauchserhöhung im Ortsnetz sowie die Verstetigung der Residualleistung im Ortsnetz umgesetzt sowie das Verhalten aus Netzsicht bewertet. Die Simulation dient dabei zur schnellen Überprüfung von Ansätzen.
Anschließend wird die Anwendung im Ortsnetz von Epplas in die Realität umgesetzt und deren technische Voraussetzungen und Machbarkeit geprüft. Bis Mitte 2017 werden die Forscher am ZAE Bayern den Speicher zur Beantwortung von Zukunftsfragen ausgiebig testen. Nach dem Projektende wird der Speicher vom örtlichen Netzbetreiber zur dauerhaften Stabilisierung des Ortsnetzes weiter verwendet.
Weitere Informationen
[1] „Stromspeicher müssen zügig ausgebaut werden“ (Pressemitteilung): http://goo.gl/wNXr9K
[2] Informationen zum Projekt: www.smart-grid-solar.de und www7.cs.fau.de/de/forschung-uebersicht/#smartgrid