Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, dass der Anteil der erneuerbaren Energien (EE) am Bruttostromverbrauch 40 bis 45 Prozent im Jahr 2025 und 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035 betragen soll. Dem anvisierten EE-Anteil von 80 Prozent im Jahr 2050 liegt die Annahme zugrunde, dass der Stromverbrauch um 25 Prozent gesenkt und zusätzlich Strom mit einem Anteil von zirka 20 Prozent importiert wird [1]. Im Jahr 2014 lagen der EE-Anteil am Bruttostromverbrauch bei etwa 27 Prozent [2] und die installierte EE-Leistung bei rund 85 GW [3].
Installierte und gesicherte Leistung sind jedoch nicht dasselbe. Stromerzeugung durch EE ist hoch volatil: Solar- und Windenergie sind stark wetter- und tageszeitabhängig, sodass die gesicherte Leistung durch konventionelle Energieerzeugung bereitgestellt werden muss.
Die Abbildung auf Seite 80 zeigt exemplarisch Zeiten mit unterschiedlichen Anteilen von Solar- beziehungsweise Windenergie sowie dem hohen Anteil konventioneller Energieerzeugung im Jahr 2014 [4]. Zwischen Erzeugung und Bedarf ist eine zeitliche und räumliche Diskrepanz entstanden. Manchmal decken die EE zwischen 30 und 80 Prozent, regional sogar bis zu 100 Prozent des Strombedarfs ab, manchmal ist weniger als 10 Prozent vorhanden.
Die EE-Einspeisung zwingt konventionelle Kraftwerke zu einem flexiblen Betrieb, indem die Kraftwerke entweder ihre Lasten verringern, erhöhen oder ganz abgeschaltet werden. Aufgrund der abnehmenden Zahl an Volllaststunden werden effiziente Gas- und Dampf- (GuD) sowie Kohlekraftwerke unwirtschaftlich (Merit-Order-Effekt).
Dies führt zur Stilllegung von Kraftwerken, obwohl sie – insbesondere Kohlekraftwerke – für die Bereitstellung preiswerter Energie und zur Versorgungssicherheit notwendig sind. Kohle ist kostengünstig, weltweit verfügbar, einfach zugänglich und daher zur Diversifizierung von Energieträgern gut geeignet. Neue, effizientere und flexiblere Kohlekraftwerke als Ersatz für Altanlagen erzeugen mit bis zu 33 Prozent höheren Wirkungsgraden geringere CO2-Emissionen [5].
Langzeitspeicher als Brücke
Die zeitliche und räumliche Entkopplung von Energieerzeugung und -verbrauch kann durch Langzeitspeicher mit Kapazitäten von mehreren GWh oder TWh gelöst werden, welche ab 2030/2035 mit einem EE-Anteil von mehr als 30 Prozent immer wichtiger werden [6, 7]. Solche Technologien können Energiespeicher mit Flüssigluft (Liquid Air Energy Storage, LAES) [8] und Power-to-Fuel zur Herstellung von hochwertigen Chemikalien sowie Kraftstoffen wie zum Beispiel Methanol (Power-to-Methanol, PtM) sein.
Flüssige Luft als Energiespeicher
In Zeiten niedriger Strompreise (Stromüberangebot) wird Umgebungsluft verflüssigt und in einem kryogenen Tank gespeichert. Die Entladung beginnt in Zeiten hoher Strompreise (Strommangel): Die flüssige Luft wird zuerst durch Druckerhöhung mit einer Pumpe, anschließend durch Verdampfung auf Umgebungstemperatur und in einem weiteren Schritt auf eine Temperatur gebracht, die über der Umgebungstemperatur liegt.
Die erforderliche Wärme kann durch Zufeuerung beziehungsweise Nutzung der gespeicherten Abwärme während des Verflüssigungsprozesses entstehen oder von einer beliebigen anderen Abwärmequelle kommen, die eine ausreichend hohe Temperatur aufweist. In einer Turbine wird das Gas zum Erzeugen von mechanischer und elektrischer Energie entspannt.
Die Abbildung auf Seite 81 zeigt die Prozessvariante LAES in Kombination mit einer Gasturbine (GT-LAES). Im „Kalten Teil“ befindet sich die bereits erwähnte Luftverflüssigung mit Flüssigluftspeicher und Kältespeicher. Der Kältespeicher erhöht den Wirkungsgrad, da er während der Entladephase die Wärme zum Aufheizen der flüssigen Luft auf Umgebungstemperatur liefert.
In der Aufladephase nimmt er die Abwärme der verflüssigten Luft auf. Im „Heißen Teil“ befindet sich der Rekuperator, der die Luft bei einem Druck von zirka 60 bar auf rund 530 °C erhitzt. Danach wird das Gas in einem Expander auf Umgebungsdruck entspannt und das Abgas der Gasturbine in den Rekuperator geleitet [8].
Falls der Flüssigluftspeicher nicht ausreichend geladen sein sollte, erlaubt GT-LAES einen reinen Gasturbinenbetrieb und bietet damit den Vorteil eines Reservekraftwerks. Statt einer Gasturbine kommen auch Varianten mit reiner Erdgaszufeuerung oder ein adiabatischen LAES in Frage. Die Wirkungsgrade für die Strom-zu-Strom-Umwandlung liegen in Abhängigkeit der Prozessvarianten zwischen 40 und 60 Prozent. Die Energiedichte von LAES liegt bei etwa 26 bis 40 kWhel/kg. Zum Vergleich: Bei Druckluftspeicher liegt die Energiedichte bei etwa 0,08 bis 0,14 kWhel/kg, bei Pumpspeicher bei etwa 0,5 bis 3 kWhel/kg [8]
LAES kann in kurzer Zeit praktisch überall ohne geologische oder Landschaftsschutz-relevanten Restriktionen gebaut werden, denn es werden keine Kavernen oder Speicherseen benötigt. Ein Tankvolumen von 1600 m3 speichert bis zu 220 MWhel. LAES besteht zudem aus verfügbaren Komponenten.
Methanol zur nachhaltigen Energieerzeugung
Mit Power-to-Fuel lässt sich Energieerzeugung zum Beispiel durch Kohlekraftwerke flexibilisieren. Dabei kann man CO2 recyceln und hochwertige Chemikalien sowie Kraftstoffe wie Methanol und seine Derivate, zum Beispiel Dimethylether (DME) oder Methyl-tert-Butylether (MTBE), herstellen.
Methanol wird bisher großtechnisch durch Reformierung aus Erdgas oder durch Kohlevergasung erzeugt. Power-to-Methanol benötigt dagegen nur CO2 und Wasserstoff H2. Als CO2-Quellen dienen Kohlekraftwerke, Stahlwerke (Hochofen), Biogasanlagen, Zementwerke oder ein Chemiestandort.
H2 wird entweder mittels Elektrolyse erzeugt (bei möglichst niedrigen Strompreisen), aus dem Gichtgas eines Hochofens abgetrennt, oder aber er steht als überschüssiges Nebenprodukt, das üblicherweise thermisch verwertet werden würde, zur Verfügung (siehe Abbildung auf der Folgeseite).
Letzteres wäre der kostengünstigste Pfad zur Bereitstellung von H2. Der Wirkungsgrad der Umwandlung von eingebrachter elektrischer Energie in Methanol bezogen auf den unteren Heizwert liegt bei rund 65 Prozent. Alternativ wird die Anwendung von Power-to-Gas (PtG) mit der Erzeugung von Methan aus CO2 und H2 untersucht. Methan lässt sich problemlos in eine bestehende Erdgasinfrastruktur integrieren. Die Speicherkapazität in Deutschland liegt bei etwa 200 TWhth.
Ein Vergleich von PtM und PtG zeigt, dass der Investitions- und Energieaufwand zur Herstellung von Methanol beziehungsweise Methan ähnlich hoch ist, dennoch ist PtM PtG überlegen. Die Speicherdichte von Methanol liegt bei rund 16 MJ/l (1 bar, flüssig), die von Methan bei etwa 9 MJ/l (250 bar, gasförmig). Methanol lässt sich einfach lagern und transportieren. Der Wirkungsgrad eines Prozesses „Power-to-Power“ liegt für PtG bei zirka 24 bis 25 Prozent und für PtM bei zirka 29 bis 30 Prozent [9].
Die wirtschaftliche Überlegenheit von PtM zeigt ein Rechenbeispiel [10]: Der Erdgaspreis liegt bei rund 30 Euro/MWhth. Mit einem Umwandlungswirkungsgrad von 65 Prozent darf PtG nicht mehr als rund 20 Euro/MWhel kosten. Der EU-Marktpreis für Methanol liegt dagegen bei zirka 72 Euro/MWhth (etwa 400 Euro/t). Bei gleichem Umwandlungswirkungsgrad darf PtM rund 46 Euro/MWhel. kosten.
Werden die Spot-Strommarktpreise des EEX (European Energy Exchange) der Jahre 2013/2014 zugrunde gelegt, dann stehen aufgrund der maximal erlaubten Kosten für PtG nicht mehr als etwa 1000 Volllaststunden zur Verfügung, wohingegen für PtM mindestens 6000 Volllaststunden genutzt werden können. Die CO2-Recyclingrate ist bei PtM höher als bei PtG bei gleicher Erzeugungskapazität und es entsteht weniger Abwasser. Für Methanol ist zudem ein weltweit wachsender Markt von etwa 66 Mio. t im Jahr 2013 bis zu rund 92 Mio. t im Jahr 2018 zu erwarten [9].
Erfahrungen mit PtM gibt es schon: Carbon Recycling International betreibt in Island die weltweit erste PtM-Anlage mit 4000 t Methanol pro Jahr. Im Rahmen des EU-Projektes „MEFCO2“ (EU SPIRE2 Horizon 2020) wird PtM im Kohlekraftwerk Lünen untersucht.
Europäische Energiewende
Die Energiewende ist auf Deutschland fokussiert, aber sie muss europäisch gedacht werden. Wettbewerbsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Versorgungssicherheit sind die Eckpunkte des „EU Energy & Climate Policy Framework“, das intelligente Energieinfrastruktur, Energieeffizienz, Einbindung erneuerbarer Ressourcen und Diversifizierung von Rohstoffquellen umfasst.
Es ist abzusehen, dass die Energie- und die Prozessindustrie im Energiesystem der Zukunft stärker miteinander vernetzt sein werden.
Mit Flüssigluftspeichern und Power-to-Methanol stehen sofort Technologien bereit, die wichtige Bausteine für das zukünftige Energiesystem bilden. In Kombination mit den erneuerbaren Energien und modernster Kraftwerkstechnik werden diese zum Gelingen der Energiewende und Erreichen der Klimaschutzziele beitragen.
Literaturhinweise
[1] M. Schlesinger, D. Lindenberger et al.: Entwicklung der Energiemärkte – Energiereferenzprognose, Studie von EWI, GWS und Prognos, Juni 2014
[2] P. Graichen, M. Kleiner et al.: Die Energiewende im Stromsektor: Stand der Dinge 2014, Agora Energiewende, Januar 2015
[3] C. Doetsch: Säulen der Energiewende, Fraunhofer Umsicht, 19. Fachkongress Zukunftsenergien der Energieagentur.NRW, 10.09.2014
[4] B. Burger: Stromerzeugung aus Solar- und Windenergie im Jahr 2014, Fraunhofer-Institut ISE, Stand 07.01.2015
[5] P. Clerens, M. Farley et al.: Thermal Power in 2030 – Added Value for EU Energy Policy, EPPSA Study, 2015
[6] Integration erneuerbaren Stroms in das Erdgasnetz, Dena-Studie, Mai 2012
[7] M. Jakuttis: Chemische Speicher – Verfahren und Technische Umsetzung, Fraunhofer Umsicht, Sommersymposium 27.06.2013
[8] B. Stöver, C. Bergins et al.: Flüssigluftspeicher (LAES): Ein flexibles System für großtechnische Anwendungen, Kraftwerkstechnik 2014, Freiberg, S. 891 ff.
[9] L. Plass, M. Bertau et al.: Energy storage and use via Methanol, Dechema Symposium „The future of Syngas“, Oktober 2014
[10] E. Kakaras: Usage of CO2 in industrial processes, 3rd Internat. Workshop „CO2 – How to use it as resource“, Düsseldorf, November 2014