Regelenergiemarkt Strom und Gas aus einer Hand

Unternehmerischer Mehrwert: Ziel ist, den Regelmarkt für Strom und für Gas auf dasselbe dezentrale Gaskraftwerk anzuwenden.

17.08.2015

Bis die Speicherkapazitäten in Deutschland der Energiewende gewachsen sind, muss Regel­energie für Gleichgewicht im System sorgen. Strom und Gas werden dabei bisher getrennt betrachtet. Dabei würde es durchaus lohnen, beide Welten zu verbinden.

2003 war es erstmals möglich, dezentrale Anlagen in einen noch weitgehend unbekannten Markt zu präqualifizieren. Die Rede ist vom Regelenergiemarkt. Viel hat sich seit damals getan: So waren die Märkte mehrfach Gegenstand von Konsultationsprozessen der Bundesnetzagentur (BNetzA). Zudem hat sich eine Reihe neuer Akteure auf diese Märkte spezialisiert, und im Zeichen der Energiewende rechnet sich kein Asset-Projekt mehr ohne Zuhilfenahme dieser Märkte.

Entsprechend ist das Angebot in den Märkten gestiegen, die Preise der Goldgräberzeit sind längst Vergangenheit. Für die Verbraucher ist es durchaus positiv, dass zumindest eine Komponente der Stromversorgung günstiger geworden ist. Dennoch integrieren die gegenwärtigen energiepolitischen Akteure diese positive Entwicklung nicht in ihre Entscheidungsfindung.

Marktdesign erwünscht

Durch ein geeignetes Marktdesign wäre ein dezentraler Kapazitätsmarkt zu schaffen. Bisher wurden jedoch in keinem der zahlreichen Regierungsgutachten dessen Kosten belastbar quantifiziert. Vage Schätzungen offizieller Gutachten, die nichtsdestotrotz konkrete Auswirkungen auf die Entscheidungsfindung haben, liegen im Milliarden-Euro-Bereich und variieren wild um den Faktor 6. Auch ist per se noch kein konkretes dezentrales Marktdesign vorgestellt worden.

Wenn Leistung gehandelt wird, mangelt es bisher in allen Modellen an einer Verbindung zu den Regelmärkten, der Einbeziehung der TSO (Transmission System Operator) als „Ausübende der Leistungsoptionen“, der Generierung der Nachfrage oder auch am Verhältnis bilanzieller Optimierungen auf Bilanzkreisebene zur Bilanzierung der Regelzone.

Zu all den technisch zwingenden Themen ist noch nicht ein einziger konsequent durchdachter Modellansatz veröffentlicht worden.

Das von den Händlern derzeit favorisierte Grünstrommarktmodell ist zwar ein weitreichender dezentraler Ansatz in die richtige Richtung. Allerdings berücksichtigt das Modell nicht, dass ein lediglich auf den Bilanzkreis zielendes Ausregeln zu Ineffizienzen im Gesamtsystem führt. Dabei waren gerade solche Suboptima – wenn auch zwischen den Regelzonen – Ausgangspunkt zur Schaffung eines Netzregelverbundes in der Regulierung der BNetzA im Jahr 2010.

Vorbild Direktvermarktung

Die erhebliche Effizienzwirkung einer wettbewerblichen Gestaltung stromwirtschaftlicher Teilmärkte zeigt sich auch am Beispiel der Direktvermarktung. Sie wurde 2012 eingeführt und hat einen unbestechlichen Parameter für die Prozess- und Markteffizienz: die verursachten Ausgleichsenergiekosten. Während im Jahr 2012 12 Euro/MWh als Managementprämie zur Verfügung standen – wobei wissenschaftlich davon ausgegangen wurde, dass davon etwa 7 Euro/MWh für Ausgleichs­energie ausgegeben werden müssen – benötigen direktvermarktende Händler heute nur noch etwa 1 bis 1,2 Euro/MWh für die Ausregelung. Das macht eine Effizienzsteigerung um den Faktor 5 in nur drei Jahren.

Derzeit scheint die Politik jedoch nicht auf die historischen Realitäten der Effizienzsteigerungen durch gezielte dezentrale Marktdesigns zu setzen. Für die Akteure bedeutet dies, dass beständig neue Wege gefunden werden müssen, die einzigen derzeit verfügbaren Leistungsmärkte zu nutzen.

Das sind und bleiben im Strombereich vermutlich auf absehbare Zeit der Primär-, der Sekundär- und der Minutenreservemarkt. Im Gasbereich gibt es seit 2008 ebenfalls einen dezentralen Regelenergiemarkt, in dem es gelungen ist, das Poolmodell der Minutenreserve aus dem Strombereich auf die Bündelung dezentraler kommunaler Kugel- und Röhrenspeicher zu übertragen.

Strom und Gas verbinden

Ein unternehmerischer Mehrwert ließe sich generieren, wenn es gelänge, den Regelmarkt für Strom und für Gas auf dasselbe dezentrale Gaskraftwerk anzuwenden – was allerdings schwierig ist, da selbstverständlich beide Märkte umfangreichen Bedingungen zur Marktteilnahme, sprich: der Prä­qualifikation, genügen müssen.

Da in Saarbrücken 2003 das erste virtuelle Regelkraftwerk in der Minutenreserve und 2008 der erste dezentrale Gasregelpool präqualifiziert wurde, liegt es nahe, dass dort auch eine werthaltige Verbindung der Regelwelten Strom und Gas stattfindet. Die ansässige Enovos pilotiert deshalb die bilaterale Prä­qualifikation derzeit an den Kompressoren des Gasspeichers in Frankenthal.

Während sowohl die Präqualifikation eines ab- und zuschaltbaren elektrisch betriebenen Kompressors als auch die Präqualifikation eines Gasspeichers für Regelgas keine substanziellen Probleme aufwerfen, ist jedoch genau die Kombination im Betrieb die Herausforderung.

Der Nominierungsprozess im Gasbereich muss mit den Nominierungsprozessen im Strombereich verzahnt werden. Auch die bei Regelenergieabrufen im Strom- oder Gasbereich stattfindenden energielogistischen Prozesse müssen sorgfältig alle kombinatorisch auftretenden Abruffälle berücksichtigen. Das Projekt befindet sich derzeit in der Präqualifikation. Für die prozessualen Implikationen wurden jedoch bereits Lösungen entwickelt.

Der nächste Schritt ist die Entwicklung eines Kombiregelproduktes für Gaskraftwerke. Obwohl die wesentlichen Prozesse zwar gelöst worden sind, ist nun eine Anpassung an die Verhältnisse des jeweiligen Kraftwerkes notwendig. Das Projekt wird vermutlich im Herbst 2015 den Präqualifikationsprozess durchlaufen haben. Es wird sich ein neuer – wenn auch sehr spezifischer – Markt von schnellstartfähigen Gasturbinen ergeben, der neue Chancen eröffnen wird.

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