Städte wachsen jährlich um rund 70 Millionen Menschen – das sind 1,4 Millionen pro Woche. In jeder Woche wächst also eine Stadt in der Größe Münchens heran. Gegenwärtig leben rund 51 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Schätzungen zufolge wird sich die Landflucht bis 2030 auf 60 Prozent und bis 2050 sogar auf 70 Prozent erhöhen.
Die Prognosen der Vereinten Nationen über die Entwicklung der Urbanisierung zeigen eine deutliche Zunahme der Bevölkerung in Städten. Das Bild aus der chinesischen Millionenstadt Chongqing ist in Erinnerung geblieben, wo inmitten einer überdimensionalen Baugrube auf einem Lehmhügel ein letztes kleines Wohnhaus steht. Derzeit gilt der Ballungsraum Tokio Yokohama als die größte Metropolregion der Welt. 2015 lebten dort auf einer Fläche von 13.556 Quadratkilometern nahezu 38 Millionen Menschen, das waren zwei Millionen mehr als noch 2011. Darüber hinaus müssen Metropolen in Asien, Afrika und Lateinamerika den größten Zuzug verkraften, aber auch in Europa und Nordamerika nimmt der Druck auf die Städte weiter zu.
Urban Age, das Zeitalter der Urbanisierung, ist in aller Munde. Stadtplaner kommen bei der rasanten Entwicklung kaum noch nach, zumal das Stadtleben angesichts von Klimawandel und immer knapper werdenden Ressourcen enorme Probleme aufwirft – beispielsweise beim Energie- und Abfallmanagement. Bis 2050 soll die Urbanisierungsquote um 12,9 auf 66,4 Prozent steigen. In Asien und Afrika ist die Zunahme mit 16 Prozent am höchsten, was wiederum die geopolitische, soziale und ökologische Landschaft neu definiert.
Wenn neue Städte in der Größe Münchens entstehen, besteht hoher Planungsbedarf. Statistiken und Daten bieten Rückschlüsse für Lösungen von Großstadtproblemen. Vergleicht man die Urbanisierung der Länder miteinander, zeigt sich: Generell ist in Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen eine höhere Urbanisierung zu beobachten. Diese Länder haben eine Urbanisierungsquote von 80 Prozent, die mit mittlerem Einkommen von 58 Prozent und mit niedrigem von 38 Prozent.
In Deutschland lebten bereits 1960 71 Prozent der Bevölkerung in Städten, diese Quote stieg bis 2014 leicht auf 75 Prozent. Gemäß dem Urbanisierungsgrad belegt Deutschland weltweit Platz 63. Im Vergleich dazu haben die USA mit 81 Prozent und Japan mit 93 Prozent einen höheren Urbanisierungsgrad. Mit den Analysetool Factfish lassen sich diese Werte ermitteln und Vergleiche heranziehen. Schaubilder und Karten illustrieren, wie brisant die Situation aktuell ist und wie bedrohlich sie künftig werden kann. Das Tool bietet zudem die Möglichkeit, Karten mit dem Urbanisierungsgrad in 2014 weltweit zu generieren und auch die Entwicklung der Urbanisierung in ausgewählten Ländern wie Deutschland, USA, Japan, China in der Zeit von 1960 bis 2014 zu verfolgen.
Stadtdaten im direkten Vergleich
Die Bevölkerungskonzentration in Ballungsräumen unter dem Länderaspekt kann unterschiedlicher nicht sein. Derzeit gibt es verschiedene Ansätze, den Entwicklungsstand einzelner Städte anhand von Indikatoren zu messen. Unter dem Namen UN Habitat gibt es bei den Vereinten Nationen ein Programm zur Dokumentation der Städteentwicklung. Im Rahmen dieses Programms wurde der „City Prosperity Index“ (Wohlstandsindex der Städte, kurz CPI) entwickelt, der den Status einer Stadt misst. Dabei sind fünf Faktoren maßgeblich: Zum einen die Produktivität und damit die wirtschaftliche Stärke, zum anderen die Infrastruktur, darunter fallen Mobilität, Kommunikation und sanitäre Einrichtungen. Ein dritter Aspekt ist die Lebensqualität, dazu zählen öffentliche Angebote und Sicherheitsaspekte. Der CPI berücksichtigt zudem soziale Indikatoren wie Armut und Gleichberechtigung von Frauen. Der fünfte Punkt umfasst den Umweltschutz und den Umgang mit natürlichen Ressourcen.
Weltweit wurden 63 Städte analysiert, wobei der CPI einen Wert zwischen 0 und 1 einnimmt. Unterschieden werden vier Bereiche: ein Wert zwischen 1 und 0,8 gilt als sehr gefestigt, 0,8 bis 0,7 als gefestigt und 0,7 bis 0,5 als moderat. Die Werte ab 0,5 bis 0,2 werden als schwach bezeichnet und unter 0,2 als sehr schwach. Die Städte mit den höchsten Werten sind Kopenhagen und Dublin mit 0,913, Tokio (0,905), London (0,904) und Melbourne (0,903). Auffällig ist, dass alle Städte mit einem CPI-Wert größer als 0,8 in einem nördlichen Breitengrad von 31 Grad oder größer liegen (bis auf Melbourne in Australien und Auckland in Neuseeland). Die südlichste Stadt der Nordhalbkugel mit einem CPI-Wert von über 0,8 ist Shanghai in China. Über die fünf Faktoren des CPI können die Schwächen und Stärken einer Stadt schnell analysiert werden.
Klimawandel unter der Lupe
Ein Beispiel zeigt die Unterschiede anhand von drei Städten auf: In Zürich sind die Infrastruktur und die Umweltfaktoren gut ausgeprägt, allerdings zeigt die Stadt Schwächen im sozialen Bereich auf. Jakarta, die Hauptstadt Indonesiens, verzeichnet hohe Werte im Sozialen, aber die Wirtschaftskraft ist im Vergleich zu den anderen Indikatoren schwächer. Monrovia rangiert auf der Liste auf dem letzten Platz. Die Hauptstadt Liberias hat eine sehr niedrige Produktivität, aber einen sehr hohen Wert im Umgang mit Umweltressourcen. Mit den von Factfish generierten Daten lässt sich ein Schaubild mit dem CPI für alle 63 Länder als Speichendiagramm aufbauen, welches das Nord-Südgefälle gut verdeutlicht.
Wird neben der Urbanisierung auch der Klimawandel analysiert, kann das Factfish-Tool die Zusammenhänge aufzeigen. Länder, die in Küstennähe liegen, sind vom Klimawandel besonders bedroht. Derzeit leben noch weltweit sechs Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten, die maximal fünf Meter über dem Meeresspiegel liegen. Von den Industrieländern ist besonders Japan als Inselstaat gefährdet, denn insgesamt 16 Prozent der Bevölkerung dort leben in Gebieten von höchstens fünf Metern über dem Meeresspiegel. Auch China mit einer Konzentration der Wirtschaftsregionen entlang der Küste liegt mit acht Prozent über dem weltweiten Durchschnitt. Deutschland und die USA sind dagegen nicht so stark betroffen, da nur vier Prozent der Einwohner in niedrig gelegenen Gebieten leben – weit unter dem weltweiten Durchschnitt.
Wird die globale Erwärmung betrachtet, zeigt die Factfish-Ordnung der im Internet verfügbaren Daten, dass 2015 das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1880 war. Es wird mit einer Abweichung der globalen Temperatur von 0,96 Grad Celsius, bezogen auf die Durchschnittstemperatur von 1950 bis 1980, angegeben. In der Differenzierung der Temperaturveränderungen nach Regionen zeigt sich, dass zum Beispiel im November 2015 die Nordhalbkugel und der Bereich um die Polkappen stark vom Temperaturanstieg betroffen waren. In Afrika hingegen blieb die Temperatur unverändert. Allerdings hat der östliche Teil von Südamerika und Australien ebenfalls einen deutlichen Temperaturanstieg erlebt. Laut dem Klimavertrag der UN-Klimakonferenz in Paris soll die globale Erwärmung unter zwei Grad Celsius bleiben. Verglichen mit den ermittelten 0,96 Grad Celsius ist das ein geradezu unheimlicher Wert.