Es ist Feierabend: In den Garagen des Ortes hängen die Elektroautos an den Ladestationen. Wärmepumpen springen an, Waschmaschinen und Elektroherde sind in Betrieb. Die PV-Anlage auf dem Dach hat tagsüber viel Strom erzeugt und in den Batteriespeicher im Keller eingespeist. Die Art, wie wir künftig Strom erzeugen und verbrauchen ist komplex und vielfältig. Strom, Wärme und Verkehr werden eng miteinander vernetzt sein.
Im Projekt FlexQgrid untersucht ein Forschungskonsortium unter der Leitung der Netze BW, wie dieses Zusammenspiel in Zukunft bei gleichbleibend hoher Versorgungsicherheit gelingen kann. Am 27. August startete offiziell der einjährige Feldtest.
Feldtest zur Nutzung lokal erzeugten Stroms
Die Energiewelt von morgen ist weitgehend dezentral. Das gilt für Strom aus erneuerbaren Energien ebenso wie für die Vielfalt neuer Verbraucher wie Elektroautos und Wärmepumpen: Für das Stromnetz sind damit gerade in den unteren Spannungsebenen erhebliche Belastungen verbunden. Der Feldtest des Projekts FlexQgrid soll nun zeigen, wie lokal erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien durch gleichzeitige Nutzung von Batteriespeichern, E-Autos und Wärmestromanlagen in Ortsnetzen unterschiedlicher Struktur sinnvoll ins Stromnetz integriert werden kann. Ziel ist es, Überlastungen im Stromnetz zu vermeiden, bevor sie auftreten.
Am Feldtest beteiligt sind 23 Haushalte in drei Niederspannungsnetzen, an die Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher und flexible Verbraucher wie Wärmepumpen und Wallboxen für Elektrofahrzeuge angeschlossen sind. Die Haushalte verfügen über ein intelligentes Messsystem und eine Steuerbox sowie über ein Gebäudeenergie-Managementsystem, das den Eigenbedarf optimiert und auf Signale aus dem Netz reagieren kann.
Hinzu kommen 31 zusätzliche Photovoltaik-Anlagen entlang eines Mittelspannungsstrangs. Im Minutentakt werden Messwerte aus den Ortsnetzstationen und von intelligenten Messsystemen an den Netzanschlusspunkten übermittelt. Sie sorgen für die erforderliche Transparenz im Netz und sind Grundlage für Engpasserkennung und Netzzustandsprognose.
Smart-Grid-Technologie steuert und überwacht
„Um möglichst viel erneuerbare Energien und innovative Verbraucher in das Netz zu integrieren, setzen wir im Feldtest auf Smart-Grid-Technologien“, erklärt Alix von Haken, Leiterin des Feldtests. Mit Hilfe der Smart-Grid-Technologie werden alle Anlagen und die Situation im Stromnetz überwacht und gesteuert.
Dies geschieht anhand einer so genannten „Netzampel“: Wird ein Engpass prognostiziert tritt die „Gelbphase“ ein. Die Strommengen an den Netzanschlusspunkten werden so angepasst, dass der Übergang auf die Ampelfarbe „Rot“ und damit ein direkter Eingriff des Netzbetreibers vermieden werden kann.
In der Gelbphase kann außerdem freie Netzkapazität automatisiert über einen blockchain-basierten Sekundärmarktplatz gehandelt werden. Dieser intelligente Ansatz ermöglicht auch in Zukunft, bei gleichbleibender Versorgungssicherheit neue Anlagen schnell ans Stromnetz anzubinden.
Hintergrund
Projektpartner der Netze BW sind Fichtner IT Consulting, Forschungszentrum Informatik (FZI), Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Universität Stuttgart, PSI Software, Blockinfinity, Entelios sowie PRE distribuce.
Die 4000-Einwohner-Gemeinde Freiamt im Schwarzwald erprobt bereits seit einigen Jahren gemeinsam mit der Netze BW Lösungen für die Energiewende und war bereits Partner beim Vorgängerprojekt „grid control“.