Die Pläne der Bundesregierung für die Energiewende sehen vor, dass erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 einen Anteil von mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs decken sollen. Eine wesentliche Säule ist hierbei die Offshore-Windenergie.
Aufgrund der begrenzten nutzbaren Flächen werden Offshore-Windparks in Gruppen, sogenannten Clustern, errichtet. Als Folge beeinflussen sich die Windparks und die einzelnen Anlagen gegenseitig. Im Windschatten hinter den Anlagen entstehen Nachlaufströmungen (Wakes) mit geringeren Windgeschwindigkeiten und stärkeren Turbulenzen.
Ziel des vom Fraunhofer IWES koordinierten Projekts X-Wakes, gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK, ist eine Erfassung der Veränderungen der Windbedingungen für den Betrieb von Offshore-Windparkclustern bei großflächigem Ausbau. Dazu werden mit verschiedenen Messmethoden Daten erfasst, auf deren Basis Modelle für künftige Ausbauszenarien entwickelt werden können – ein idealer Auftrag für unbemannte Luftfahrtsysteme.
Unbemannte Luftfahrtsysteme auf hoher See
Damit die Auswirkungen eines großflächigen Ausbaus von Offshore-Windparks auf die zukünftigen Windverhältnisse messbar werden, haben Wissenschaftler der Eberhard Karls Universität Tübingen meteorologische Daten erhoben, um die Algorithmen, die zur Berechnung von Winddaten aus Satellitenüberflügen verwendet werden, mit den vor Ort gemessenen Daten zu validieren.
Mit Unterstützung des Fraunhofer IFAM kam für diese Aufgabe ein unbemanntes Flugsystem zum Einsatz. Dabei hat das Institut die strategische Planung der zweiwöchigen Flugkampagne federführend vorbereitet.
Ines Weber, Projektleiterin und Doktorandin an der Universität Tübingen, erklärt: „Um für dieses Projekt die erforderlich geringen Flughöhen zu erreichen sowie aus Effizienzgründen, haben wir uns für die Nutzung eines unbemannten Luftfahrzeugs entschieden. Das Fraunhofer IFAM hat für dieses große Projekt im Vorfeld bei der Planung unterstützt und vor Ort auf Helgoland die Koordination übernommen. Hierzu zählten auch die gemeinsame Erarbeitung des Concept of Operations (CONOPS) und dem zugehörigen Specific Operational Risk Assessment (SORA).“
Weber fährt fort: „Auch entsprechende Notfallchecklisten wurden zusammen vorab im Detail definiert. Wir selbst konnten uns so mehr auf das fliegende System, die Messdatenerfassung und Flugmission konzentrieren.“
Umsetzung erfordert viel Absprache
„Die Umsetzung solcher Flugkampagnen beinhaltet eine Reihe von weiteren Sicherheitsmaßnahmen, die mit engen Betriebsabsprachen der luftfahrtechnischen Stellen vor Ort und den vielfältigen Nutzern des Luftraums in der Deutschen Bucht zusammenhängen. Dies beginnt bei der allgemeinen Luftfahrt, Rettungs- und Marineflieger, der Bundespolizei bis hin zum zivilen Flugplatz und der Schifffahrt. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch Systemredundanzen, wie beispielsweise das hier eingesetzte duale Kamerasystem, oder die Nutzung von redundanten Tracking- beziehungsweise Kollisionswarnsystemen“, berichtet Tim Strohbach, Projektleiter in der Abteilung Qualitätssicherung und Cyber-Physische Systeme am Fraunhofer IFAM.
„Während der Messreihen wurde von dem unbemannten Luftfahrzeug pro Einsatz eine Strecke von über 70 km zurückgelegt. Die maximale Entfernung vom Startplatz entsprach dabei etwas mehr als 12 km – also gänzlich außerhalb der Sichtweite. Ein Großteil des Fluges erfolgte dabei in einer Höhe von etwa 30 m über See. Nur im Ab- und Anflug sowie über dem angrenzenden Naturschutzgebiet wurde in größeren Höhen geflogen, um Störungen für die Flora und Fauna zu minimieren“, erklärt Strohbach weiter.
„Zusätzlich begleitete das Forschungsschiff ‘Joseph von Fraunhofer‘ der Fraunhofer-Gesellschaft das Luftfahrzeug in der ersten Flugphase, um so bei potenziellen Problemen eine schnelle Reaktion zu gewährleisten. Auch der Naturschutzverein ‘Jordsand‘ war mit an Bord, um mögliche Einflüsse auf Seevögel zu beobachten“, beschreibt Strohbach das Vorhaben.
„Insgesamt konnten wir während der gesamten Messkampagne alle Flüge unkompliziert durchführen und die relevanten Daten reibungslos erfassen. Auf dieser Basis können wir nun Modelle für künftige Ausbauszenarien von Offshore-Windparks entwickeln,“ freut sich Weber über die Ergebnisse.