Derzeit ist Solarhochsaison. Jedoch kann der ganze Solarstrom nicht verwertet werden. Daher wollen Wissenschaftler des ZSW nun aus dem überschüssigen Strom Wasserstoff gewinnen. Zum Zweck der Umwandlung planen sie, eine Hochtemperatur-Biomasseverbrennung mit einer Hochtemperatur-Elektrolyse zu kombinieren. Ziel ist ein reduzierter Strombedarf bei der Herstellung von erneuerbarem Wasserstoff – dem Ausgangsstoff für alle chemischen Power-to-X-Speichermedien. Insgesamt ist eine Halbierung des Stromeinsatzes möglich, so das ZSW. Die ersten Vorversuche verliefen erfolgreich.
Stromnachfrage steigt
Der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch in Deutschland lag nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen im Jahr 2017 durchschnittlich bei rund 36 Prozent. Kurzzeitig ist er deutlich höher: Am 1. Januar und am 1. Mai 2018 etwa schnellte er für jeweils einige Stunden auf 100 Prozent hoch, so die Informationsplattform Smard der Bundesnetzagentur. Wenn 2030 nach dem Willen der Bundesregierung im Mittel 65 Prozent Ökostrom im Stromnetz fließen sollen, wird das Angebot immer öfter auf das Doppelte oder mehr der Stromnachfrage steigen. Damit der Strom dann für das Energiesystem nutzbar gemacht werden kann, bedarf es intelligenter Konzepte zur Umwandlung.
Power-to-X hilft bei Klimaschutz
Einen vielversprechenden Lösungsansatz für langfristige Speicheraufgaben bietet Power-to-X. Darunter sind alle jene Verfahren zu verstehen, die Ökostrom in chemische Energieträger für die Stromspeicherung, in strombasierte Kraftstoffe für die Mobilität oder Rohstoffe für die chemische Industrie umwandeln. Mit Power-to-X lassen sich beispielsweise Wasserstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge, Methan für Erdgasautos, Kerosin für Flugzeuge, verflüssigtes Methan für Schiffe oder Basischemikalien für die Chemieindustrie herstellen – und zwar klimafreundlich.
Ein Kubikmeter Wasserstoff aus 2,5 Kilowattstunden Strom
Bei der Hochtemperatur-Elektrolyse kann im Unterschied zur alkalischen oder PEM-Elektrolyse der Strom als Einsatzenergie zu einem erheblichen Anteil durch Hochtemperaturwärme ersetzt werden. Das Oxyfuel-Verfahren liefert der Elektrolyse durch die Verbrennung mit Sauerstoff die nötige Hochtemperaturwärme und das effizienter als bei Verbrennungsverfahren mit Luft. Als Brennstoff nutzen die Forscher etwa Holz oder Biomassereststoffe.
Die Elektrolyse wiederum erzeugt den für die Hochtemperaturverbrennung notwendigen Sauerstoff, der sonst mit erheblichem Energieaufwand bereitgestellt werden muss. „Mit dieser Technologie wollen wir einen Kubikmeter Wasserstoff aus 2,5 Kilowattstunden Strom erzeugen “, erklärt Dr. Michael Specht, Leiter des ZSW-Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren. Heutige Elektrolyseure benötigten in der Regel etwa doppelt so viel elektrische Energie.
Grünes Kohlendioxid
In einem weiteren Schritt möchten die Forscher das grüne Kohlendioxid aus der Oxyfuel-Verbrennung mit dem Wasserstoff aus der Elektrolyse in einen kohlenstoffhaltigen Energieträger, wie etwa Methan oder in Basischemikalien, wie Methanol, umwandeln. Der Kohlenstoff-Nutzungsgrad ist bei diesem Vorgehen hoch. Die Technologie ist zudem kohlendioxidneutral. Das Vorgehen spart auch Energie, da Kohlendioxid zum Beispiel nicht extra aus einem Rauchgas abgetrennt werden muss.
Power-to-X-Pfad-Bewertung mit Prozess-Simulationen
Um sein Ziel zu verwirklichen, untersucht das Forscherteam zwei Reaktor-Konzepte und vergleicht diese miteinander. Es handelt sich hierbei um einen Wirbelschichtreaktor sowie einen Flox-Brenner. Es soll ein sauerstoffarmer Abgasstrom erzeugt werden, der einerseits Hochtemperaturwärme für die Elektrolyse und andererseits Kohlendioxid für die folgende Synthese bereitstellt. Erste Versuche zur Oxyfuel-Verbrennung von Erdgas im Flox-Brenner lieferten ein heißes Abgas, das gut geeignet ist für eine anschließende Kraftstoff-Synthese.
Parallel wird der neue Power-to-X-Pfad mit Hilfe von Prozess-Simulationen bewertet. Das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des KIT attestierte dem ZSW-Konzept in ersten Analysen ein erhebliches Kohlendioxid-Senkungspotenzial bei relativ geringem Gesamtenergiebedarf. Derzeit stellen die ZSW-Wissenschaftler einen Versuchsstand fertig, um die Kombination der beiden Technologien zu untersuchen. „Für unser Vorhaben wollen wir auch Industriepartner aus der Hochtemperatur-Elektrolyse-Entwicklung gewinnen“, erläutert Specht.