Der derzeit niedrige Ölpreis lässt die Rentabilität der erneuerbaren Energien im Vergleich zu den fossilen sinken. Damit gefährdet er die energie- und klimapolitischen Ziele der EU und Deutschlands, vor allem, wenn aus dieser kurzfristigen Entwicklung falsche Schlüsse gezogen werden. Zum einen hat sich an der grundsätzlichen Knappheit der fossilen Energieträger nichts verändert und zum anderen sind die erneuerbaren Energien und hier besonders die Windkraft an Land (Onshore Windkraft) bereits auf einem Erfolgskurs, der jetzt nicht unterbrochen werden darf.
Dazu muss die öffentliche Hand vor allem in den Netzausbau investieren. Aber auch auf Betreiberseite besteht Handlungsbedarf. Wie die Experten von Roland Berger in ihrer Studie „Windkraft Onshore – Neue Spielregeln für einen reifen Markt“ herausgefunden haben, könnten alleine die Windkraftbetreiber in Deutschland ihre Gewinne um mehr als 300 Millionen Euro pro Jahr steigern. Unter anderem besteht bei den Betriebskosten ein durchschnittliches Einsparpotenzial von 45 Prozent.
„Die Kapazitäten zur Stromerzeugung aus Windkraft haben sich in den vergangenen 20 Jahren weltweit verfünfzigfacht“, sagt Torsten Henzelmann, Partner von Roland Berger. „Und speziell die Windstromerzeugung an Land ist mittlerweile in vielen europäischen Märkten wettbewerbsfähig geworden.“ So sind die Kosten zwischen 2010 und 2014 um ein Drittel gesunken, und Strom aus Onshore-Wind ist an guten Standorten selbst ohne Förderung günstiger als Strom aus Kohle- oder Kernkraftwerken. „Diese positive Entwicklung kann und muss weitergehen. Gerade vor dem Hintergrund des derzeitigen Ölpreisverfalls müssen die Betreiber, aber auch die Politik jetzt handeln“, fordert der Experte.
Denn kurzfristig lässt der Ölpreisverfall zwar die Rentabilität der erneuerbaren Energien im Vergleich zu fossilen Brennstoffen sinken und wirkt damit wie Wasser auf die Mühlen von Kritikern. Doch vorschnelle Reaktionen wären falsch, warnt Henzelmann: „Trotz des derzeit billigen Öls hat sich an der grundsätzlichen Knappheit fossiler Energieträger nichts verändert. Energiepolitik muss langfristig gedacht werden. Der Barrel-Preis wird früher oder später wieder anziehen. Deshalb bleibt die Windkraft für die zukünftige Stromversorgung unverzichtbar.“
Die Roland Berger-Experten sehen daher einerseits Handlungsbedarf bei Politik und öffentlicher Hand. Vor allem die mangelnde Netzinfrastruktur gefährde nicht nur die ambitionierten Klimaziele der EU, sondern auch die Versorgungssicherheit. „Klimaschutz und Energiesicherheit sind zwei Seiten derselben Medaille“, sagt Henzelmann. „Um beide zu garantieren, sollten die europäischen Länder verstärkt in ihre Netzinfrastruktur investieren. Denn nur so kommt eine wichtige Energiequelle wie die Windparks an Land richtig zur Geltung.“
Dass Onshore-Wind eine immer wichtigere Rolle spielen wird, belegen die aktuellen Investitionspläne: Bis 2030 werden voraussichtlich 13 Prozent des Stroms in Europa durch Onshore Windparks erzeugt; 2012 waren es noch sechs Prozent. In Deutschland dürfte sich die Stromerzeugung aus Wind bis 2030 ebenfalls verdoppeln. Allerdings gibt es bereits im aktuellen Stromnetz gravierende Engpässe. Dabei werden neue Übertragungskapazitäten gerade bei der Windkraft dringend benötigt, um Flauten und Erzeugungsspitzen abzufangen. „Allein Großbritannien müsste seine Übertragungskapazität bis 2030 fast verdreifachen und die iberische Halbinsel sogar verzehnfachen“, so Henzelmann. „EU-weit werden mittelfristig Investitionen in Höhe von 150 Milliarden Euro benötigt.“ Außerdem sollte die EU verstärkt in intelligente Netze investieren.
Denn diese ermöglichen durch den Datenaustausch zwischen Erzeugern und Verbrauchern eine bessere Stromeffizienz. Vor allem China und die USA investieren in diesen Bereich zwei bis dreimal so viel wie die EU, und für die Forschung zu „Smart-Grids“ gibt alleine Südkorea mit 600 Millionen Euro pro Jahr mehr Geld aus als die gesamte EU (400 Mio. Euro). „Künftige Investoren in Onshore-Windkraft werden ihre Entscheidungen auch von einem adäquaten Netzumfeld abhängig machen“, warnt Henzelmann. „Europa sollte daher schnell nachholen, um den Anschluss nicht zu verpassen.“
Neben der Politik sind andererseits auch die Betreiber von Onshore-Windparks zum Handeln aufgefordert. Denn in Zeiten sinkender Förderungen müssen Windparks effizienter werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Und das Verbesserungspotenzial ist groß: Alleine die 477 Onshore-Windparks in Deutschland könnten ihre Gewinne um mehr als 300 Millionen Euro steigern. Vor allem bei den Betriebskosten könnten Onshore-Windparkbetreiber im Schnitt 45 Prozent sparen, berechnen die Roland Berger-Experten.
Dabei geht es hauptsächlich um sechs wichtige Kostenhebel, an denen die Betreiber ansetzen sollten: an erster Stelle die Wartungskosten als größter Einzelposten der Betriebskosten, aber auch die Kosten für Grundstückspacht, Reparaturen, Versicherungen, Projektmanagement und Kapital können erheblich gesenkt werden. „Unsere Studie zeigt insgesamt einen erfreulichen Trend zur Professionalisierung der Branche“, sagt Henzelmann. „Dadurch wird die Windenergie noch wettbewerbsfähiger und kann ihre Rolle als unverzichtbarer Bestandteil der Energieversorgung weiter ausbauen.“