Dem Markt für erneuerbare Energien steht ein Boom bevor. Daran gibt es spätestens seit der Verschärfung des Klimaschutzgesetzes im Mai keinen Zweifel mehr. Um das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen, sind massive Investitionen in grüne Energien und ein erheblicher Ausbau des europäischen Stromnetzes nötig.
Vier Billionen Euro werden auf europäischer Ebene bis 2050 laut einer Studie von Deloitte notwendig sein, um mehr als 90 Prozent der Stromerzeugung über erneuerbare Energien abdecken zu können. Welche grünen Technologien auch im Strommarkt der Zukunft das Rennen machen, modelliert der Report mithilfe eines quantitativen Marktmodells, das neben Investitionen auch die Variabilität in Angebot und Nachfrage einbezieht.
Größte Investitionen im Bereich Wind- und Solarenergie
Die größten Investitionen werden voraussichtlich im Bereich Windkraft und Solarenergie getätigt. Deloitte geht davon aus, dass allein bis 2030 jährlich über 45 Milliarden Euro für Onshore- und vor allem Offshore-Projekte ausgegeben werden müssen.
Bis 2050 werden es jährlich 70 Milliarden Euro sein. Während für Offshore-Projekte ein beachtliches jährliches Investitionswachstum von 19 Prozent erwartet wird, liegt es bei Onshore-Projekten immerhin bei 12 Prozent. Ein geringes Investitionswachstum von 10 Prozent erwarten die Experten für Solarenergie. Das entspricht aber immerhin 40 Milliarden Euro jährlich.
Da die Installation von Photovoltaikanlagen vergleichsweise günstig ist, kann durch diese Finanzspritze ein größerer Kapazitätszuwachs ermöglicht werden. Konkret bedeutet das: Die Kapazität könnte zwischen 2025 und 2050 sogar verdreifacht werden, sodass künftig der Großteil des Stroms durch Solarenergie erzeugt werden kann.
8.000 Quadratkilometer Fläche allein für Solarenergie
Damit die Energiewende gelingt, braucht es nicht nur finanzielle Ressourcen, sondern auch diverse Rohstoffe, viel Platz und Arbeitskraft sowie die Zustimmung der Bevölkerung. So müssten für die Erreichung der Klimaziele bis 2050 allein für Solarenergie europaweit rund 8.000 Quadratkilometer Fläche für neue Anlagen zur Verfügung stehen. Das entspricht der doppelten Fläche der Insel Mallorca. Zusätzlich müssten insgesamt 320.000 Onshore- und Offshore-Turbinen in 8.000 Windparks in Europa in Betrieb gesetzt werden.
Die Deloitte-Studie macht deutlich: Für Politik und Energieversorger stellt die Energiewende ein Mammutprojekt dar, das von großer Unsicherheit geprägt ist. „Die europäischen Energieanbieter stehen vor einem Dilemma: Sie müssen langfristige Strategien entwickeln, um die Energiewende effizient und erfolgreich zu meistern. Ob und wie das gelingt, ist aber maßgeblich durch häufig unsichere politische, wirtschaftliche, technologische und soziale Trends bestimmt. Deshalb ist es jetzt umso wichtiger, die wesentlichen Schlüsselfaktoren zu identifizieren und realistische, konkrete Zukunftsszenarien aufzuzeigen“, erklärt Thomas Schlaak, Partner im Bereich Power, Utilities & Renewables bei Deloitte.
Im Rahmen der Studie hat Deloitte vier gleichermaßen plausible Zukunftsszenarien entwickelt, die auf einer Vielzahl von Variablen basieren. Dazu gehören zum Beispiel die Entwicklung der Stromnachfrageseite, steuerpolitische Entscheidungen sowie die Entwicklung der CO2-Preise. Doch letztlich geht klar hervor, dass vor allem zwei Schlüsselfaktoren die Entwicklung und den Erfolg der Energiewende wesentlich beeinflussen: die Entschlossenheit zur Umsetzung einer grünen Wende in den europäischen Ländern und der Grad der Elektrifizierung.
Grüne Energie braucht digitale Lösungen
Eine entschlossene europäische Klimapolitik wird demnach für die effiziente Erreichung der Pariser Klimaziele notwendig sein, um die entscheidenden Investitionen zur Entwicklung neuer Technologien zu sichern. Denn Versorger müssen künftig nicht nur die sich stetig ändernde Nachfrage der Nutzerinnen und Nutzer genauestens im Blick haben, sondern auch die Variabilität der erneuerbaren Energieerzeugung ausgleichen können.
Dafür braucht es neben fortschrittlicheren Nachfrage- und Wettervorhersagen auch Technologien zur saisonalen Speicherung oder zur Verschiebung des Stromverbrauchs. Das bietet neue Chancen für die gesamte Energiewirtschaft und schafft Platz für neue Akteure, die ihre Geschäftsmodelle auf Basis der Nachfrageflexibilität ausrichten.
Durch einen europaweiten Wettbewerb kann auch die Entwicklung alternativer Lösungen begünstigt werden, die die Energiewende weiter vorantreibt. Schließlich sind von Biokraftstoffen bis hin zu Wasserstoff künftig verschiedene Komponenten im Strom-Mix möglich. Gerade der innovativeren Erdgas-Technologie mit CCS – die auf der Abspaltung und Einlagerung von CO2 beruht – könnte in einem sehr diversen Strom-Mix eine tragende Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität zukommen.
„Niemand weiß, wie die Zukunft aussieht“, räumt Thomas Schlaak ein. „Dennoch benötigen Energieversorger nun eine langfristige Wachstumsstrategie. Unsere Analyse gibt konkrete Anhaltspunkte, um diese Strategie auf ein tragfähiges Fundament zu stellen. Wichtig ist in jedem Fall, dass Energieversorger ihren Willen zur grünen Wende aufzeigen, um die Unterstützung durch Investoren und Gesellschaft zu gewinnen. Dazu gehört auch, dass sie in der Lage sind, sich die besten Standorte für die erneuerbare Energieerzeugung zu sichern. Schon jetzt sind daher langfristige Investitionen in die Energieinfrastruktur notwendig.“