Versorgungssicherheit & Autarkiekonzepte Dezentrale Energieversorgung: Energieeffizienz durch Nahwärme & Contracting


Prozessdampf und Strom aus Contracting: Hier die Energiezentrale von Michelin in Bad Kreuznach.

04.04.2013

Ein Portfolio, wie es wohl sonst niemand hat: Von Grubengas über Geothermie bis zu Bioenergie und Wind als Energiequellen - ohne die Herkunft aus der Wärmeversorgung zu verleugnen. Jetzt kommt noch eine Investitionsplattform dazu, die Stadtwerke als Partner an Bord holen soll.

Die Wurzeln der Steag reichen schon so weit zurück, dass viele in der Branche den Ursprung des Firmennamens heute nicht mehr kennen: 1937 als „Steinkohlen-Elektrizität AG“ gestartet und jahrzehntelang vor allem Lieferant von Industriestrom und Fernwärme für das Revier hat die Steag in den Neunziger Jahren begonnen, sich mit erneuerbaren Energien zu befassen - wohl nicht zufällig erst mal wieder mit einer Quelle unter der Erde: „Wir haben - aus der Wärmeversorgung kommend - sehr früh mit der Geothermie angefangen“, sagt Dr. Stephan Nahrath, Sprecher der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft Steag New Energies. „Bereits 1994 haben wir unser erstes Geothermieprojekt in Erding angestoßen und sind seitdem dort sehr erfolgreich.“ Dabei ging es immer um die Wärmeversorgung unter anderem der dortigen Therme, nie um die Verstromung der Energie aus dem Erdinneren. Im Vergleich zur Stromerzeugung auf Basis von Geothermie, die höhere Temperaturen benötigt, verringert die Beschränkung auf Wärmelieferung den Aufwand und damit auch das Risiko. Denn statt 4000 oder 5000 Meter müssen die Bohrungen nur 2000 oder 3000 Meter reichen. Weitere Standorte für solche Geothermie-Anwendungen hat das Saarbrückener Unternehmen in Unterschleißheim bei München und in Simbach-Braunau an der deutsch-österreichischen Grenze erschlossen, wo die Steag New Energies an einem Projekt beteiligt ist. „Wir verfolgen auch weitere Projekte insbesondere im Molassebecken zwischen Donau und den Alpen“, sagt Dr. Nahrath. Interessiert ist sein Unternehmen dabei besonders an der Wärmeversorgung von städtischen Infrastrukturen, wie sie für mehr als 10.000 Einwohner nötig sind.In der Fernwärmeversorgung ist Steag New Energies auch als Contractor aktiv. „Wir unterstützen den Ausbau von Fernwärmeversorgung gerne als Co-Investor und helfen gleichzeitig dabei Fernwärmeversorgungsstrukturen zu optimieren“, beschreibt Dr. Nahrath diese Rolle. „Wir sehen da erhebliches Potenzial darin, dass man die Rücklauftemperatur der Kunden absenkt und so dafür sorgt, dass die Energieausbeute beim Fernwärmekunden optimal ist.“ Das bringt beiden Seiten Vorteile: „Dann können wir mit der Wärmebereitstellung auf einem niedrigeren Rücklauftemperaturniveau aufsetzen und sind insgesamt deutlich effizienter.“ Beispiel dafür ist wiederum Erding, wo über die Jahre die Rücklauftemperatur deutlich abgesenkt und damit die Effizienz dieses Fernwärmeprojekts deutlich erhöht werden konnte.

Auf die Zukunft setzen mit Windenergie

Doch Wärmelieferung ist nicht alles. „Wir wollen vor allem das Thema Wind sehr stark ausbauen“, beschreibt Dr. Nahrath seine aktuellen Pläne, auch wenn er für Deutschland aufgrund der politischen Unsicherheiten vorsichtig formuliert: „Wir haben natürlich Deutschland sehr stark im Fokus, müssen aber auf die vielleicht noch für 2013 oder spätestens 2014 zu erwartenden �?nderungen der Gesetzgebung reagieren.“ Davon unabhängig erscheinen Polen und Frankreich im Hinblick auf Windkraft sehr attraktiv, wo die Wachstumspotenziale mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland seien, „weil die Energiewende einfach noch nicht so weit umgesetzt ist. Da sind wir auch sehr aktiv, insbesondere in Frankreich im grenznahen Bereich.“ Begonnen hat das Windkraft-Engagement allerdings auf der Halde Oberscholven im Ruhrgebiet, wo Windkraftanlagen auf ehemaligen Bergbauhalden die Naben um 50 bis 100 Meter höher in den Himmel recken als es der früheren Topographie entspricht. Das bringt eine deutlich höhere Volllaufstundenzahl im Vergleich zum normalen Binnenland, „fast schon wie an Küstenstandorten“, so Dr. Nahrath. Rund 30 MW Windprojekte prüft die Steag New Energies dort derzeit, wo solche Halden aus der Bergbauaufsicht entlassen sind.Ein auslaufendes Geschäftsmodell ist dagegen die Grubengasverstromung. „Der Bergbau an der Saar ist seit Mitte 2012 beendet, aber wir gehen davon aus, dass es noch einige Jahre Grubengas hier an der Saar geben wird.“ In Nordrhein-Westfalen kann man nach dem anvisierten Ende der Kohleförderung 2018 ebenfalls mit einem Nachlauf von etwa fünf bis zehn Jahren rechnen, während dessen es sich lohnt, aus stillgelegten Bergwerken Grubengas abzusaugen. „Wenn dort Wasserhaltung betrieben werden muss, um zum Beispiel das Grundwasser vor Verunreinigung durch Sole zu schützen, kann man sicherlich auch dort weiterhin sehr gut Grubengas gewinnen“, lautet die Einschätzung von Dr. Nahrath.

Wärme und Strom im Portfolio

„Wir haben insgesamt Anlagen mit rund 1300 MW thermischer Leistung im Portfolio und rund 300 MB elektrisch installierte Leistung“, beschreibt der Chef von Steag New Energies die Ausrichtung des Unternehmens. Derzeit stammt noch mehr als die Hälfte des Strom vom Grubengas. Wind und Biogas sind die beiden jüngsten Bereiche, von daher sind diese noch nicht so stark ausgeprägt. „Wir sind insbesondere beim Thema Biogas sehr risikoorientiert vorgegangen, sind dort jetzt in einer Größenordnung von etwa 4 MW elektrisch“, so Dr. Nahrath. „Bei Wind haben wir zurzeit eine installierte Leistung in eigenen Anlagen oder in Beteiligung von rund 25 MW und bauen zurzeit noch ein Projekt mit 8 MW in Polen.“ „Wir denken, dass wir insbesondere im Bereich Windenergie weiter wachsen werden und da nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen und in Frankreich, was uns ein Stück weit von Landesspezifika unabhängig macht.“ Allerdings richtet sich der Blick auf Projekte immer nur auf Standorte an Land: „Wir sind als Steag New Energies nur im Onshore-Bereich aktiv“, schränkt Dr. Nahrath ein. Die Offshore-Investitionen finden in einer Liga statt, in der sich nur die Essener Konzernmutter Steag bewegt: Im Konzern gilt daher die Devise, dass die Steag New Energies nur Projekte bis zu 25 Millionen Euro Investitionen anpackt.

Eine neue Plattform für Erneuerbare

Dennoch dreht auch die Neue-Energien-Tochter in Saarbrücken ein großes Rad: „Unser Ziel ist es in den nächsten fünf Jahren rund 400 Millionen Euro zu investieren, um auf eine grüne Stromerzeugungsmenge von rund 600 GWh pro Jahr zu kommen“, beschreibt ihr Geschäftsführer die Pläne, für die er derzeit Partner akquiriert (siehe Interview): „Wir würden gerne gemeinsam mit den Stadtwerken hier investieren.“ Dabei will die Steag New Energies die Mehrheit in einer zu gründenden Gesellschaft halten und Partner unter einen Hut bringen, die sich mit jeweils etwa 50 Millionen Euro beteiligen. Neben dem organischen Wachstum durch Projektentwicklung soll diese bisher unter dem Projektnamen „Newco“ geführte Gesellschaft den Saarbrückern einen weiteren Wachstumspfad eröffnen. Aber was haben ihre Partner davon? „Für die Stadtwerke liegt der Vorteil darin, über uns Zugang zu einem größeren Portfolio und zu neuen Standorten auch in Auslandsmärkten zu erhalten“, erläutert Dr. Nahrath. Das ergebe eine deutliche Risikostreuung für beide Seiten, denn sie hängen nicht mehr so deutlich am deutschen EEG und werden nicht zurückgeworfen, falls es dort Einschnitte geben sollte. Ein weiterer Vorteil ist eher technischer Natur: „Unsere Partner sind dadurch an der Weiterentwicklung in der Windtechnologie unmittelbar beteiligt. Wir verfügen über gebündelte technische Kompetenz, die so in den Stadtwerken nicht vorliegt. Hier kann man sich sicherlich auch in der Betriebserfahrung ergänzen“, so Dr. Nahrath. Und der dritte Vorteil für die Stadtwerke sei die Selbstverpflichtung der Steag New Energies, „alle unsere Erneuerbaren-Energie-Projekte dort anzubieten.“

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