Spätestens seit Ihrer Zusammenarbeit im Bereich Smart Meter Gateway Administration werden Gisa und Robotron als Schwergewichte im Markt gehandelt. Was macht diese Zusammenarbeit aus?
Michael Krüger:
Robotron und Gisa ergänzen sich sehr gut und wir sind beide IT-Experten für energiewirtschaftliche Prozesse. Wir sind Integrationspartner und betreiben die Lösungen für Kunden. Ganz wichtig für den Erfolg unserer Partnerschaft: Wir begegnen uns auf Augenhöhe, gemeinsame Projekte sind immer von Wertschätzung geprägt. Das ist das Wichtigste.
Björn Heinemann:
Die Zusammenarbeit vereint den sicheren, professionellen Rechenzentrumsbetrieb und kompetente Softwareentwicklung. Die überdurchschnittliche Marktkenntnis beider Dienstleister und der stetige Erfahrungsaustausch sind die Basis dafür, immer neue Anforderungen aus dem Betrieb in die Neu- und Weiterentwicklung der Produkte einfließen zu lassen und damit neue Entwicklungen schnellstmöglich in Betrieb zu nehmen.
Welche Rolle spielt die räumliche Nähe – Halle und Dresden?
Krüger:
Unsere Unternehmen stammen aus Mitteldeutschland, wir haben eine große Verbundenheit zur Region und teilen sicher auch Geschichte und Erfahrungen. Kurze Wege sind immer von Vorteil. Selbstverständlich fahre ich nach Dresden, um den persönlichen Kontakt zu pflegen. Und auch Gisa-Mitarbeiter kennen die Robotron-Experten seit Jahren persönlich
Heinemann:
Insbesondere zu Beginn unserer Partnerschaft konnte für den Aufbau der Systemlandschaft schnell ein hocheffektives Projektteam etabliert werden. Das persönliche Kennenlernen hat für Vertrauen gesorgt und damit die Grundlage für eine überaus erfolgreiche Fortführung der Kooperation in Corona-Zeiten geschaffen.
Perspektivisch wird ein erheblicher Anteil von intelligenten Messsystemen in Deutschland mit der gemeinsamen Lösung von Robotron und Gisa betreut. Welche Bedeutung messen Sie dem Smart Meter Gateways (SMGW) für neue Anwendungsfälle bei?
Krüger:
Als sich Innogy und verschiedene Regionalgesellschaften vor einigen Jahren entschieden haben, mit uns gemeinsam auf Basis der Software von Robotron den Weg in die Digitalisierung der Energiewende zu gehen, war das eine Entscheidung mit Ausrufezeichen. Wir sind fest davon überzeugt, dass das SMGW eine Schlüsselrolle für künftige Geschäftsmodelle und notwendige Anwendungsfälle innehat.
Heinemann:
Die intelligenten Messsysteme schaffen die Basis für eine Vielzahl von neuen Anwendungsfällen. Der Rollout dieser Infrastruktur ist essenziell für das Gelingen der Energiewende. Im besten Fall können mit den bereits heute verfügbaren SMGW variable Stromtarife abgebildet werden. Diese sollten nicht nur durch die Energievertriebe erstellt werden. Auch im Netzbereich könnten durch gezielte Anreize mit netzdienlichen Tarifen wertvolle Entlastungen entstehen. Weg von harten Regeln hin zur dynamischen Anreizsteuerung auch für den Kleinstverbraucher. Mit Blick auf die erweiterten Möglichkeiten mittels CLS-Kanals ergeben sich zahlreiche weitere Anwendungsfälle. So sind die Anbindung schaltbarer Verbraucher und Einspeiser, die Verbindung zur Elektromobilität, Anwendungsfälle im Health-Care-Bereich, wie Ambient Assisted Living nur ein Ausschnitt der vielfältigen Optionen.
Welche neuen IoT-Projekte kommen aus den Häusern Gisa und Robotron?
Heinemann:
Im Kontext von IoT stellen wir Lösungen für intelligentes Energie- und Lademanagement bereit. Die Anwendungsfälle demonstrieren wir außerdem am Robotron-Hauptsitz in Dresden im Rahmen des Pilotprojekts „Robotron SMART Campus“. Weiterhin stehen das Last- und Einspeisemanagement auf Basis unterschiedlicher Technologien sowie Submetering und Smart-City-Lösungen im Fokus unserer IoT-Projekte.
Krüger:
Wir sehen IoT-Projekte immer aus den Anforderungen des kommunalen Querverbundes und mit einem starken Fokus auf Smart-Meter-Mehrwertdiensten. Mobilität spielt hier eine große Rolle ebenso dezentrale Energieerzeugung und flexibles Lastmanagement.
IT-Plattformen und Hubs gibt es auch bei anderen Anbietern, was ist das Alleinstellungsmerkmal für den gemeinsam vermarkteten IoT-Hub?
Heinemann:
Die Besonderheit liegt in der Verbindung von langjährigem Energiemarkt-Know-how mit den Möglichkeiten, die IoT bietet. Das alles unter Beachtung der Vorgaben im Energiemarkt. Plattformen, wie der IoTHub4Utilities, unterstützen Produktentwicklung und die flexible Erstellung von Proof of Concepts zur Prüfung neuer Geschäftsideen.
Krüger:
Wir bieten Kunden im Rahmen einer Enterprise Cloud (SaaS) einen hohen Service. Unsere Plattform kann Daten aus fast allen Quellen aufnehmen und verarbeiten und auch in einer hochsicheren, BSI-zertifizierten Umgebung Daten vom SMGW empfangen und an das SMGW übertragen. Wir können Daten von nicht regulierten Sensoren mit regulierten kombinieren und so neue Anwendungsfälle ermöglichen. Es spielt auch keine Rolle wie die Daten übertragen werden, ob per Mobilfunk, LoRaWAN oder klassischer Leitung.
Wie schätzen Sie die Situation am Markt im Umfeld Smart Energy ein – der Rollout ließ ja lange auf sich warten?
Krüger:
Dass der Rollout erst im vergangenen Jahr gestartet ist, hat die Branche sehr viel Kraft und Nerven gekostet – und ehrlich gesagt auch viel Geld. Viele sind in Vorleistung gegangen mit ihren Innovationen, auch wir. Umso mehr freut es mich, dass derzeit ein Erfindergeist in der Branche herrscht. Dass der Gesetzentwurf zum Steuerbare-Verbrauchseinrichtungen-Gesetz (SteuVerG) aber jetzt wieder zurückgenommen wurde, weckt keine guten Erinnerungen. Wir brauchen hier Klarheit, anders wird die Energiewende nicht gelingen.
Heinemann:
Die Technik kommt sehr langsam ins Feld. Bedingt durch Corona erfolgt der Rollout langsamer als geplant. Noch immer sind die möglichen Mehrwerte nicht allen Marktakteuren bekannt und bewusst. Teilweise wird der Rollout noch als notwendiges Übel gesehen. Vermutlich ist hier der Handlungsdruck zum aktiven Überwachen und Steuern im Niederspannungsnetz noch nicht groß genug. Die Erkenntnis eines ausgewogenen Netzausbaus mit „Kupfer und IT“ muss teilweise noch reifen.
Hyperscaler und andere Cloudanbieter verändern den Markt der IT-Dienstleistungen derzeit grundlegend – wie begegnen Sie dem? Bleibt mehr als eine Nische für Unternehmen wie Gisa und Robotron?
Krüger:
Ich bin davon überzeugt, dass Platz für uns bleibt. Die Stärke von regionalen Schwergewichten wie unseren beiden Unternehmen sind spezielles Branchen-Know-how, räumliche Nähe und der Service, den wir Kunden bieten. Auch wenn die Systeme in der Cloud stehen, braucht es einen Dienstleister, der sich um Betrieb und Betreuung kümmert. Außerdem achten Stadtwerke, Behörden und auch Energieversorger nach wie vor darauf, dass sensible Daten weiterhin zertifiziert in Deutschland gespeichert und verarbeitet werden.
Heinemann:
Wir sehen diese Angebote nicht als Konkurrenz, sondern als Chance. Es gilt, immer wieder neu zu bewerten, was die effektivste Betriebsform ist. Bieten sich Teile unserer Leistungen zum Betrieb auf derartigen Plattformen an, dann binden wir diese mit ein. Hierfür haben wir auch Cloud-native Anwendungen entwickelt und stellen diese bereit. Unsere Mehrwerte für Kunden bestehen insbesondere in unserer Expertise im Energieumfeld. Wir sehen uns als Schnittstelle zwischen dem fachlichen Energiemarkt und der IT.
Man hat den Eindruck, der Trend zu IT- Kooperationen nimmt immer mehr an Fahrt auf. Was sind die Hintergründe und wie wird dies die IT-Landschaft verändern?
Krüger:
Digitalisierung hat auch immer etwas mit Geschwindigkeit und Kompetenz zu tun. Das ist allein nicht zu schaffen. Auch für Großkonzerne nicht, was man gut an der Einkaufstour von SAP bei Start-ups sehen kann. Wir haben beispielsweise wenig Kompetenz in der Softwareentwicklung, dafür aber in der Integration, bei Betreuung und Betrieb. Partnerschaften machen uns stark. Wobei es immer um eine Balance geht, stark zu sein, heißt auch, den Partner zu stärken.
Heinemann:
Das kann ich voll und ganz unterstreichen: Die Themengebiete werden immer umfangreicher und komplexer. Der Wissensaufbau ist damit für den Einzelnen immer anspruchsvoller. Gisa und Robotron ergänzen sich hier hervorragend, um bestmögliche Services für unsere Kunden zu erbringen.
Welche Chancen, aber auch Risiken sehen Sie für Kunden und Anwender?
Heinemann:
Neue Vorgaben und Regularien im Markt können Geschäftsfelder eröffnen, aber auch bestehende unattraktiv machen. Nicht zu verachten ist der immer wiederkehrende Aufwand zur Anpassung bereits erfolgreich laufender Prozesse an die neuen Vorgaben. Das bindet wertvolle Ressourcen, die sich dann nicht um innovative neue Geschäftsmodelle kümmern können. Hier möchten wir beide Unternehmen als Partner größtmögliche Unterstützung für die Kunden bieten.
Krüger:
Der Kunde hat den Vorteil, dass er Komplettlösungen bekommen kann. Nicht nur die Software, sondern auch jemanden, der sich um deren Betrieb und Betreuung kümmert und darüber hinaus auch darum, Geschäftsmodelle zu entwickeln und diese auch umzusetzen.
Ist ein Ende des Trends absehbar?
Krüger:
Nein, das glaube ich nicht. Innovativ und schnell marktreif, das gelingt gerade Mittelständlern nur innerhalb von Partnerschaften. Wer denkt, das ist alles allein zu schaffen, ist ganz schnell abgehängt. Dennoch werden wir auch in Zukunft nur wenige strategische und Technologiepartnerschaften eingehen. Wir brauchen das gegenseitige Vertrauen, so wie mit Robotron.
Heinemann:
Die Entwicklungen, insbesondere in Sachen Digitalisierung der Energieversorgung, sind noch lange nicht abgeschlossen. Mit den auf den intelligenten Messsystemen basierenden neuen Geschäftsfeldern, wie variable Tarife, Mehrwertdienste oder flexible Steuerung werden weitere Ideen entstehen und Lösungen erarbeitet werden. Neue Technologien wie 5G, LoRaWAN oder NBIoT erweitern die Handlungsfelder unserer Kunden maßgeblich.