Energy 4.0:
Windenergie und Segeln – wie passt das zusammen?
Hier zitiere ich gerne einen Spruch von Aristoteles: ‚Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.‘ Diese Analogie gilt prinzipiell in der Windkraft wie auch beim Segeln. Ich kann vorhersagen, wie sich der Wind in den nächsten Minuten ändern wird. Des Weiteren kann ich feststellen, wie die Turbine aktiv reagiert und wie ich diese Erkenntnisse in meinen Regelkreis einfließen lassen kann. Das eine ist demnach, wie ich meine Segel, meine Rotoren ausrichte, und das andere, welchen Kurs ich starte. Der Kurs wäre für mich die Gondel. Wenn der Wind aus einer anderen Richtung kommt, drehe ich die Gondel zum Wind. So kann ich aus der Anlage alles herausholen, was eine höhere Produktivität und einen höheren Wirkungsgrad bedeutet. Zum anderen werden auch die Lasten reduziert – nicht nur auf den Blättern, sondern auch auf dem gesamten Antriebsstrang.
Dreht sich die Turbine von alleine in den Wind oder muss der Bediener das tun?
Das hängt von der Strategie des Maschinenbauers ab. Wir stellen in erster Linie die Tools, die Möglichkeiten und die Technologien zur Verfügung. Ob der Maschinenbauer die Anlagen dann selbst ausrichten will oder es intelligenter Sensorik – seiner Schiffscrew – überlässt, kann er entscheiden. Für den Steuermann heißt es ja in erster Linie, den Kurs zu halten – bei der Anlage also die Produktivität zu steigern. Im Prinzip können wir die Möglichkeiten hinsichtlich Sensorik, Aktorik und der Umsetzung dieser Intelligenz zur Verfügung stellen. Das passiert in Form von Simulationen und intelligenten Reglern.
Das klingt wie ein in sich geschlossenes KI-System.
Genau das ist für mich auch der Begriff der Smart Turbine, die nicht nur auf kurzfristige Ereignisse reagiert, sondern entsprechend auch Strategien enthält. Dies wird eine nächste Stufe in Richtung KI bei Windenergieanlage sein.
Wie steht es um alte Windkraftanlagen. Intelligent sind die ja noch nicht, oder?
Über eine gewisse Intelligenz verfügen sie schon. Aber natürlich sind sie nicht so ausgelegt, weder von der Sensorik noch von der Steuerungstechnik und Betriebsführung. Das ist ein Thema, wo wir auch Retrofitting in Betracht ziehen. Zum einen braucht man natürlich eine entsprechende Schnittstelle für die Anlage – sprich Sensorik, zum anderen die Möglichkeit in der Anlage, die Befehle und Aktionen umzusetzen – sprich Steuerungstechnik und Aktoren.
Welche Komponenten müssen erfahrungsgemäß am häufigsten getauscht oder gewechselt werden?
Es kommt auf die Anlage an. Ein Software Update ist in vielen Fällen nicht ganz trivial und muss durch ein neues Automatisierungssytem, das heißt Hardware und Software ersetzt werden. Hinzu kommt die in den letzten zehn bis 15 Jahren weiterentwickelte Technik. Dabei geht es um Condition Monitoring, Netzüberwachung, integrierte Sicherheitstechnik, Daten- und Zugriffsschutz, alles Funktionen, die es in der Form vor 15 Jahren noch nicht gab. Diese Funktionen können heute mit realisiert werden. Speziell im Bereich von Condition Monitoring können etwa mechanische Komponenten überwacht werden, um Fehler vorzeitig zu erkennen, was als zusätzlicher Vorteil einfließt.
Zustandsüberwachung – mittlerweile Daily Business?
Wäre schön. Bei Großanlagen – wo es teilweise auch gefordert wird – gehört es zur Serienausstattung. Nach wie vor gibt es jedoch viele Anlagen, wo Condition Monitoring zwar teilweise integriert ist, meiner Ansicht nach aber nicht immer dem Betreiber zur Verfügung steht, sondern vielmehr dem OEM. Ich finde es auch richtig, dass der OEM aus diesen Erfahrungen darauf schließt, wie er die Anlage verbessern kann. Auf der anderen Seite ist es jedoch wichtig, dass auch der Betreiber über diese Informationen und Auswertungen verfügen kann, um seine Betriebs-, Service und Wartungskosten zu reduzieren.
Was wird gemessen und analysiert?
Im Moment sprechen wir in erster Linie vom Triebstrang. Das heißt vom langsam laufenden Lager vorne bis hin zum gesamten Getriebe, der schnell laufenden Welle, dem Generatorlager und so weiter. Zunehmend sind auch die Anforderungen in Richtung Überwachung der Blattlager, Blatt-Monitoring, das heißt Lasten und Eiserkennung, sowie Turmschwingungsüberwachung. Dies ermöglicht nicht nur Predictive Maintenance, sondern potenziell auch Kosteneinsparungen bei mechanischen Komponenten.
Können Sie einschätzen, inwieweit sich die Lebensdauer einer Anlage durch Condition Monitoring erhöht?
Das ist schwer zu sagen. Wie vorhin erwähnt: Wenn ein Getriebe kaputt geht, wird es auch kaputtgehen – mit oder ohne Condition Monitoring. Durch die Fehlerfrüherkennung kann man jedoch die Wartungskosten senken. Wenn sich ein Totalschaden durch Condition Monitoring verhindern ließe, würde das die Lebensdauer natürlich verlängern; genaue Werte kann ich aber nicht nennen. Condition Monitoring gehört im Prinzip nicht zur Safety Chain, es ist nicht lebenswichtig. Es können jedoch Schäden früher erkannt, Sofort-Maßnahmen, wie reduzierter Betrieb und Serviceeinsätze besser eingeleitet werden und damit die Wartungskosten und Zeiten verringert und die Verfügbarkeit erhöht werden.
Bachmann spricht oft von Windenergie 5.0. Vor ein paar Jahren stand 5.0 noch für Künstliche Intelligenz.
Wir wollten das Ganze nicht 4.0 nennen, da wir fünf Kernkompetenzen beziehungsweise Bereiche sehen – also fünf Boote im Rennen haben. Bei der intelligenten Turbine kann man sehr viel machen, auch auf Basis der Standards. Das ist auch enorm wichtig für die Maschinenhersteller, um in Richtung Plattform-Entwicklung noch mehr hin zur Standardentwicklung zu gehen. Wir sind noch immer in der Situation, dass die Anlagenhersteller vieles an proprietären Produkten verbaut haben. Das heißt, die Maschine ist wenig transparent, es ist ein geschlossenes System. Aus unserer Sicht ist es für die Zukunft der Windenergie wichtig, und das wird laufend an uns herangetragen, dass die Turbinendaten auch für den Betreiber und die Serviceunternehmen zur Verfügung stehen und diese sehr wichtig sich um wirtschaftlich agieren zu können.