Fahrzeugintegrierte Photovoltaik Elektromobilität ohne Abhängigkeit von Ladestationen

Driving on Sunshine – VIPV-Versuchsfahrzeug unterwegs im Weserbergland.

Bild: Roland Goslich, ISFH
15.04.2021

Ein Elektrofahrzeug (fast) ohne Abhängigkeit von Ladestationen – das klingt nach Zukunftsmusik, aber erste Schritte dazu werden gerade gemacht. Ein Prototyp eines leichten Nutzfahrzeuges wurde nun auf die Straße gebracht, das mit hocheffizienter fahrzeugintegrierter Photovoltaik ausgestattet ist. Das Besondere daran: Die aus dem Sonnenlicht konvertierte Energie kann in das Hochvolt-Bordnetz eingespeist und damit direkt zur Reichweitenverlängerung genutzt werden.

Mit dem Elektrofahrzeug nicht abhängig von Ladestationen zu sein klingt ideal, erste Schritte dazu werden gerade gemacht. Das Konsortium des Forschungsprojektes „Street“ um das koordinierende Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH), die Firmen Vitesco Technologies, a2-solar und Meyer Burger sowie das Forschungszentrum Jülich, das Helmholtz-Zentrum Berlin und das MBE-Institut der Leibniz Universität Hannover, hat jetzt in enger Zusammenarbeit mit Continental Engineering Services einen Prototypen eines leichten Nutzfahrzeuges auf die Straße gebracht, das mit hocheffizienter fahrzeugintegrierter Photovoltaik (vehicle integrated photovoltaics, VIPV) ausgestattet ist. Das Besondere daran: Die aus dem Sonnenlicht konvertierte Energie kann in das Hochvolt-Bordnetz eingespeist und damit direkt zur Reichweitenverlängerung genutzt werden.

Voraussetzung für Reichweitenverlängerung

Photovoltaikmodule wandeln das Sonnenlicht in elektrische Energie um. Moderne batterieelektrische Fahrzeuge haben stets zwei Stromspeicher an Bord: Eine kleine 12 V-Batterie, die elektrische Verbraucher, Licht und Servolenkung versorgen kann, sowie eine große Traktionsbatterie, die bei höherer Spannung von 400 V arbeitet und den Elektroantrieb mit Energie versorgt. Damit die durch VIPV gewonnene Energie in die große Traktionsbatterie eingespeist werden kann und so zur Reichweitenverlängerung beiträgt, ist eine Ankopplung der PV-Module an das Hochvolt-Bordnetz notwendig. Das ist technisch sehr anspruchsvoll, da dies eine Konvertierung von 12 V auf 400 V erfordert und mit vielen Sicherheitsaspekten verknüpft ist.

Kombination verschiedener Kompetenzen

Genau diese Herausforderung hat nun das Street-Konsortium erfolgreich adressiert. Die Grundlage dafür bildete die Kombination verschiedener Kompetenzen: Die Umwandlung der solaren Energie in elektrische Energie erfolgt in für den Automotive-Einsatz entwickelten PV-Modulen von a2-solar. Diese basieren auf hocheffizienten Silizium-Heterojunction-Solarzellen von Meyer Burger, die am ISFH durch Smartwire-Verbindungstechnologie verschaltet wurden. Diese in Europa entwickelte Technologie ermöglicht nicht nur maximale Zell- und Modulwirkungsgrade, sondern durch einen geringeren Temperaturkoeffizienten auch maximale Modulerträge. Für die Regelung auf den Punkt mit maximaler Leistung sorgt Elektronik von Vitesco Technologies, die außerdem als zentrale Innovation den DC/DC-Konverter von 12 V auf 400 V entwickelt hat. Continental Engineering Services übernahm die Integration sämtlicher Komponenten und deren Einbindung in das Fahrzeug-Bordnetz.

Das als Demonstrator verwendete leichte Nutzfahrzeug Work L der Firma Street Scooter bietet gute Voraussetzungen für VIPV: Für die zehn PV-Module steht eine Fläche von insgesamt 15 m2 zur Verfügung. Im Gegensatz zur Integration auf PKWs mussten die Module weder gewölbt noch eingefärbt werden. Ihre nominelle Gesamtleistung beträgt 2.180 Wp. Gleichzeitig ist der Energiebedarf für das Fahren mit circa 19 kWh / 100 km ähnlich gering wie bei PKWs.

Jeden vierten netzbasierten Ladestopp einsparen

„Wir erwarten eine jährliche Reichweitenverlängerung von circa 5.200 km bei Fahrten in Niedersachsen, und noch deutlich mehr in südlicheren Regionen. Damit würde mehr als jeder vierte netzbasierte Ladestopp eingespart“, sagt Prof. Robby Peibst, Koordinator des Street-Projektes. „Unsere Ergebnisse werden die Attraktivität von fahrzeugintegrierter Photovoltaik zunächst für derartige leichte Nutzfahrzeuge aufzeigen. Darüber hinaus liefern sie aber auch wichtige Erkenntnisse zur Übertragung von VIPV in andere Fahrzeugklassen.“

30 Prozent des Endenergiebedarfs aus PV

Das Demonstrator-Fahrzeug hat eine Straßenzulassung nach StVZO und erste Tests absolviert. Es ist mit zahlreichen Sensoren ausgestattet, um die Energieflüsse genau verfolgen zu können. Bis Projektende sollen alle Komponenten im Rahmen von Testfahrten zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten und unterschiedlichen Wetterbedingungen auf Herz und Nieren geprüft werden. Das Fahrzeug wird daher in nächster Zeit oft auf den Straßen des Weserberglandes, der Region Hannover und in der Landeshauptstadt selbst zu sehen sein. Das Nummernschild „HM-PV-30E“ nimmt Bezug auf das Potenzial für Solarenergie in Niedersachsen: Studien des ISFH zeigen, dass in einem nach Kosten optimierten nachhaltigen Energiesystem in Niedersachsen bis zu 30 Prozent des Endenergiebedarfs aus PV bereitgestellt werden können.

Das Forschungsprojekt Street wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert (Förderkennzeichen 01183157). Die Ergebnisse des Projekts fließen auch in die internationale Arbeitsgruppe „Task 17 – PV for Transport“ im Photovoltaic Power Systems Programm der Internationalen Energieagentur (IEA) ein. Dort tauschen sich Experten weltweit über Ansätze aus, mittels Photovoltaik die CO2-Emission des Transportsektors zu senken.

Bisherige Anwendungsgebiete

Fahrzeugintegrierte Photovoltaik (VIPV) wurde bereits in den sechziger Jahren konzipiert. Die Hauptanwendung lag allerdings über viele Jahre in der Nische von Wettbewerben spezieller stromlinienförmiger Leichtbau-Solarfahrzeuge. Seit einigen Jahren gibt es von verschiedenen Herstellern auch PKW-Modelle mit Solardächern oder auf LKW-Kühlkoffern integrierte PV-Module. Dabei wird die PV-konvertierte Energie für „Zusatzfunktionen“ wie Klimaanlagen oder Kühlung verwendet. Diese Anwendungen laufen auf Niederspannungsniveau von typsicherweise 12 V, für ein Aufladen der Hochvolt-Traktionsbatterie eines Elektrofahrzeugs sind die am Markt verfügbaren Systeme nicht geeignet.

Das ISFH entwickelt mit derzeit 155 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in zwei Abteilungen innovative Technologien für die Solarenergienutzung. Die Abteilung Photovoltaik entwickelt neue industrienahe Solarzelltechnologien, hocheffiziente industrialisierbare Photovoltaikmodule und forscht, wie in diesem Fall, an der Integration von PV in innovative Systeme. Das ISFH ist Mitglied im Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) und der Zuse-Gemeinschaft sowie An-Institut der Leibniz Universität Hannover.

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