Der Anteil an erneuerbaren Energien an der deutschen Stromproduktion liegt heute bei einem knappen Drittel. Er soll bis 2050 – so die Bundesregierung – auf 80 Prozent steigen. Wind- und Solarenergie fällt auch an, wenn man sie nicht braucht. Und in windstiller Nacht erzeugen weder Photovoltaik- noch Windkraftanlagen Strom. Soll die Energiewende gelingen, benötigt man deshalb Speicher, die die stark schwankende Einspeisung von Strom ausgleichen und das Stromnetz stabilisieren. Dafür gibt es verschiedene Technologien, zum Beispiel Batterie- oder Pumpspeicherkraftwerke.
Eine Alternative besteht darin, Energie als Wärme zu speichern. Die Arbeitsgruppe um Projektleiter Prof. Dr. Stefan Lechner vom Zentrum für Energietechnik und Energiemanagement will hierfür einen neuartigen Hochtemperaturspeicher entwickeln. Elektrische Heizelemente erzeugen dabei Wärme von bis zu 1200 Grad. Diese wird in Keramikelementen gespeichert. Bei Bedarf wird sie über eine Gasturbine in Strom und Heizenergie umgewandelt. Mit diesem Verfahren werden 80 Prozent der Ausgangsenergie nutzbar sein.
Forschungsschwerpunkt Speichergeometrie
Forschungsschwerpunkte des Projekts liegen unter anderem auf Fragen der optimalen Geometrie des Speichers und der Integration der Heizelemente in den aus keramischen Formsteinen bestehenden Speicherblock. Bestimmte Bauteile wie zum Beispiel Turbinenlaufräder oder Keramikkomponenten wollen die Wissenschaftler mit Verfahren der Lasertechnik fertigen, um die Gesamteffizienz der Anlage zu verbessern. Für diesen Projektteil ist Prof. Dr. Klaus Behler vom Kompetenzzentrum für Optische Technologien und Systeme der Hochschule verantwortlich.
Die Kooperationspartner Stadtwerke Gießen sowie Schunk aus Heuchelheim werden auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke Gießen eine Demonstrationsanlage mit einer Speicherkapazität von 1750 Kilowattstunden aufbauen. Großanlagen mit deutlich höherer Kapazität von bis zu 100 Megawattstunden sind möglich. Diese Energiemenge böte über 10.000 Haushalten einen Tag lang genügend Strom.
Baustein auf dem Weg zur energieeffizienten Stadt
Lechner sieht das Hochtemperatur-Speichersystem zukünftig als einen wichtigen Baustein für eine energieeffiziente Stadt. „Durch die unkomplizierte Einspeicherung erneuerbarer Energien in Zeiten hoher Produktion und eine zeitversetzte Rückgewinnung von Strom und Wärme können ganze städtische Quartiere versorgt werden. Das System liefert Energie für Haushalte, Gewerbe und auch Elektrofahrzeuge.“ Im Vergleich zu anderen Technologien sei die Kapazität der Hochtemperaturspeicher zudem kostengünstig skalierbar.
THM-Vizepräsident und etem-Sprecher Prof. Olaf Berger bewertet die Förderung des Projekts durch das BMBF als wichtigen Schritt zur Etablierung des Forschungsschwerpunkts Energietechnik und -management an der THM. „Energie ist ein fachübergreifendes Zukunftsthema mit hoher gesellschaftlicher Bedeutung. Mit diesem und weiteren Projekten, in denen Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen zusammenarbeiten, tragen wir zur Profilbildung der Hochschule bei. Davon profitieren nicht nur unsere Studentinnen und Studenten, sondern auch die Unternehmen der Region.“