Neues Konzept für effizientere Datenspeicherung Metamaterialien für die Datenautobahn

Informationen werden durch die tiefenabhängige Orientierung der Magnetisierung in den Domänenwänden gespeichert. Indem Forscher diese Orientierungen gezielt variieren, können sie unterschiedliche Bit-Sequenzen codieren.

Bild: HZDR/Bernd Schröder
17.07.2024

Forscher vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR), der TU Chemnitz, der TU Dresden und dem Forschungszentrum Jülich haben zum ersten Mal gezeigt, dass es möglich ist, nicht nur einzelne Bits, sondern ganze Bit-Sequenzen in winzigen, nur etwa 100 Nanometer großen, zylinderförmigen Bereichen – den sogenannten Zylinderdomänen – zu speichern. Wie das Team berichtet, könnten die gewonnenen Erkenntnisse den Weg für neuartige Speicher und Sensoren bis hin zu magnetischen Varianten neuronaler Netzwerke ebnen.

„Eine Zylinderdomäne, die wir Physiker auch bubble domain nennen, ist ein winziger, zylinderförmiger Bereich in einer dünnen magnetischen Schicht. Dieser Bereich weist eine spezielle Ausrichtung seiner Spins auf, also der Eigendrehimpulse der Elektronen, die das magnetische Moment im Material erzeugen. Damit haben wir dort eine Magnetisierung, die sich von der der restlichen Umgebung unterscheidet. Man kann sich das auch wie eine kleine, magnetische Blase in Zylinderform vorstellen, die in einem Meer mit entgegengesetzt orientierter Magnetisierung schwimmt“, umschreibt Prof. Olav Hellwig vom HZDR-Institut für Ionenstrahlphysik und Materialforschung jenen Forschungsgegenstand, in dem sein Team ein großes Potential für spintronische Anwendungen vermutet.

An den Rändern dieser Zylinderdomäne entstehen sogenannte Domänenwände, also Grenzbereiche, in denen sich die Ausrichtung der Magnetisierung ändert.

Für die von Hellwigs Team angestrebte Magnet-Speichertechnik ist es entscheidend, die Spin-Struktur in der Domänenwand präzise zu kontrollieren, da ihre Ausrichtung im Uhrzeigersinn oder entgegen dem Uhrzeigersinn direkt zur Codierung von Bits genutzt werden kann.

Und einem weiteren Umstand gilt das Augenmerk der Forscher: „Bei aktuellen Festplatten mit Spurbreiten von 30 bis 40 Nanometern und Bitlängen von 15 bis 20 Nanometern lässt sich etwa ein Terabyte auf der Fläche einer gängigen Briefmarke unterbringen. Um diese Datendichte-Beschränkung aufzulösen, arbeiten wir daran, die Speicherung ins Dreidimensionale auszudehnen“, erläutert Hellwig.

Ausweg: Metamaterialien in 3D

Um die interne Spin-Struktur der Domänenwände zu kontrollieren, sind magnetische Mehrschichtstrukturen attraktiv, da man die im Spiel befindlichen magnetischen Energien durch das Zusammenwirken verschiedener Materialien und Schichtdicken entsprechend einstellen kann.

Auf Silizium-Wafern hat das Team um Hellwig Blöcke aus abwechselnden Lagen von Cobalt und Platin aufgetragen, die durch Ruthenium-Schichten voneinander getrennt sind. Das dabei entstandene Metamaterial gehört zu den sogenannten synthetischen Antiferromagneten.

Was diese so besonders macht, ist ihre vertikale Magnetisierungsstruktur, bei der übereinanderliegende Schicht-Blöcke eine entgegengesetzte Magnetisierungsrichtung aufweisen, was zu einer insgesamt neutralen Magnetisierung führt.

„Hier kommt das Konzept des sogenannten Racetrack-Speichers ins Spiel. Das ist ein System, das man sich wie eine Autorennstrecke vorstellen kann, entlang derer die Bits wie auf einer Perlenkette angeordnet sind. Der Clou: In unserem System können wir die Dicke der Schichten und damit die magnetischen Eigenschaften gezielt kontrollieren. Dadurch passen wir das magnetische Verhalten des synthetischen Antiferromagneten so an, dass nicht nur einzelne Bits, sondern ganze Bit-Sequenzen gespeichert werden können, und zwar in Form einer tiefenabhängigen Magnetisierungsrichtung der Domänenwände”, erklärt Hellwig. Perspektivisch sollte es damit möglich werden, solche Multi-Bit-Zylinderdomänen kontrolliert entlang dieser magnetischen Daten-Autobahnen schnell und energieeffizient zu transportieren.

Darüber hinaus sind auch andere Anwendungen in der Magnetoelektronik denkbar. Zum Beispiel für magnetoresistive Sensoren oder in Spintronik-Komponenten.

Zusätzlich besitzen solche komplexen magnetischen Nano-Objekte großes Potential für die magnetische Umsetzung von neuronalen Netzwerken, die nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns Daten verarbeiten könnten.

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