Energiemanagement Hybrides Energiespeichersystem

Entwickelte Lösungen für Energieautonomie werden unter realen Bedingungen getestet, um sie später auf andere Regionen übertragen zu können.

Bild: Fraunhofer ISE
19.03.2018

Im Zuge der Energiewende steigt der Stromanteil aus fluktuierenden erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne. Dies macht den Ausbau von Stromspeicherkapazitäten und ein flexibel reagierendes Energiemanagement erforderlich. Nun hat das Fraunhofer ISE gemeinsam mit Partnern auf der Nordseeinsel Borkum einen hybriden Energiespeicher aufgebaut. Dieser besteht aus einer Lithium-Ionen-Batterie und einem Superkondensator für kurzzeitige Leistungsanforderungen. Mittels eines neuartigen modularen Wechselrichters, wird der hybride Speicher an das Mittelspannungsnetz gekoppelt.

Im Rahmen des EU- Projekts NETfficient wird auf der Nordseeinsel Borkum das Stromverteilnetz mit einem hohen Anteil an erneuerbaren Energien und diversen Speichertechnologien ausgestattet. Die im Projekt entwickelten Lösungen für Energieautonomie werden unter realen Bedingungen getestet, um sie später auf andere Regionen übertragen zu können. Die räumlich verteilten Speicher und Erzeuger werden in ein Smart Grid eingebunden und von einem intelligenten Energie- und Netzmanagementsystem gesteuert.

Leistungsspitzen einfach abfedern

In das Mittelspannungsnetz sind 40 Heim-Speicher, fünf Gewerbespeicher, ein thermischer Speicher sowie ein hybrider Energiespeicher integriert. Neben der 500 kWh Lithium-Ionen-Batterie ist, ein am Fraunhofer ISE entwickelter Batteriewechselrichter, eine wichtige Komponente des Systems. Dieser hat eine Gesamtleistung von einem Megawatt und besteht aus kompakten und dynamischen Untereinheiten, mit einer Leistung von je 125 kW. Dadurch lassen sich, laut dem Fraunhofer ISE, alle beliebigen Systemgrößen bis in den Multi-Megawatt-Bereich realisieren. Zusätzlich zur Lithium-Ionen-Batterie wird über eine weitere Leistungselektronik ein Superkondensator als Kurzzeitspeicher eingebunden. Dieser federt Leistungsspitzen ab und verlängert damit die Lebensdauer der Batterie.

Kleinster Wechselrichter auf dem Markt

Der Wechselrichter soll durch eine erhöhte Schaltfrequenz schneller auf Schwankungen im Stromnetz reagieren können, als kommerziell erhältliche Geräte. Er kann also als Primärreserve für die Reduktion von Spitzenlasten sowie für Eigenverbrauchslösungen im Industriemaßstab dienen. Realisiert wurde der Megawatt-Wechselrichter in einem 19 Zoll-Rack mit einer Höhe von 200 cm. Damit ist er um den Faktor zwei bis vier kleiner als aktuell verfügbare Vergleichsgeräte. Möglich wurde dies durch den Einsatz von Siliciumkarbid-Halbleitern sowie einen neuen Aufbau der Leiterkarten, Filterelementen und verschiedenen Kühlmethoden.

Ausfälle werden in einem Sekundenbruchteil behoben

Um die extrem schnellen Schaltgeschwindigkeiten realisieren zu können und die daraus entstehenden Überspannungen an den Halbleitern klein zu halten, wurde eine spezielle Dickkupferleiterkarte mit ausschließlicher Verwendung von Folienkondensatoren realisiert. Für die Kühlung sorgt hauptsächlich ein Flüssigkeitskühler. Um die Drosseln sowohl kompakt als auch verlustarm zu realisieren, wurde ein Pulverkernmaterial in Tablettenbauform verwendet.

Durch den Einsatz dieser Elemente konnte ein vollwertiger Wechselrichter-Einschub mit einer Leistung von 125 kW und zahlreichen Schalt- und Schutzelementen in einem 19 Zoll-Einschub mit einer Höhe von nur 15 cm realisiert werden. Der Einschub besitzt Steckkontakte für Strom und Kühlflüssigkeit und kann während des Betriebs getauscht werden. Die interne Kommunikation verteilt bei Tausch oder Ausfall eines Einschubs in Sekundenbruchteilen die Master- und Slave-Rollen neu. Somit ist das Gesamtsystem sehr robust und wartungsfreundlich.

Aufteilung der Leistung zwischen Batterie und Superkondensator

Die Regelung der Leistungselektronik beruht auf einer neuen modellbasiert vorausschauenden Regelung. Durch die Messung aller relevanten Ströme und Spannungen im System und die modellbasierte Vorhersage zukünftiger Zustände kann diese gegenüber den bisher üblichen Stromreglern deutliche Leistungsgewinne erzielen. Neben der Leistungselektronik entwickelten die Forscher des Fraunhofer ISE auch ein Energiemanagementsystem für das hybride Energiespeichersystem.

Dort kam das am Institut entwickelte Energiemanagement-Software-Framework OpenMUC zum Einsatz. Angesichts des modularen Aufbaus und der Vielzahl an Kommunikationsmöglichkeiten wird OpenMUC verwendet, um Batteriespeicher, Superkondensator und Wechselrichter zu steuern und sicherheitsrelevante Parameter zu überwachen. Mit neuartigen Algorithmen teilt das Energiemanagementsystem im Feldtest die Leistung zwischen Batterie und Superkondensator auf. Untersucht werden zwei verschiedene Ansätze mit unterschiedlichen Parametern und Nachladestrategien. Die mittelfristige Einsatzplanung wird von den Projektpartnern mittels einer Erzeugungs- und Verbrauchsvorhersage und durch die Einbindung in die Plattform zur Steuerung der verteilten Systeme gewährleistet.

Weitere Entwicklungen aus dem Fraunhofer ISE, die in das Projekt einfließen, sind neue Geschäftsmodelle für Speichersysteme, wie die solare Eigenversorgung, das Peak Shaving sowie für Regelenergiemärkte und die Kontrolle von Leistungsgradienten sowie Blindleistungsbereitstellung im Niederspannungsnetz.

Bildergalerie

  • Installation des Batteriespeichersystems auf Borkum.

    Installation des Batteriespeichersystems auf Borkum.

    Bild: Fraunhofer ISE

  • Ein Batteriewechselrichter, der durch seinen modularen Aufbau für Industriespeicher zwischen 125 und 2000 Kilowatt eingesetzt werden kann.

    Ein Batteriewechselrichter, der durch seinen modularen Aufbau für Industriespeicher zwischen 125 und 2000 Kilowatt eingesetzt werden kann.

    Bild: Fraunhofer ISE

Verwandte Artikel