Energieversorger kämpfen hart um Endkunden, denn jede �?nderung in der Tarifgestaltung birgt ein enormes Wechselrisiko. Verübeln kann man dem Verbraucher seine Volatilität nicht: Seit 2009 hat sich die Anzahl der Stromlieferanten und -marken je Postleitzahl im bundesweiten Durchschnitt auf 129 verdoppelt und Preisvergleichsportale legen Einsparpotenziale schonungslos offen. Kundenverlust aber auch -gewinn bekommen vor diesem Hintergrund für jeden Anbieter essenzielle Bedeutung. Damit Energieversorger in der Tarifgestaltung und im Vertriebsmanagement die richtigen Abwehrmaßnahmen einleiten können, bedarf es einer kontinuierlichen Analyse des Wettbewerbsumfeldes sowie Transparenz zum Markt. Das heißt zum einen, die Tarifdaten der deutschen Strom- und Gasversorger zu recherchieren sowie die dazugehörigen Entgelte der Netzbetreiber und deren Stamm- und Marktkommunikationsdaten und sie regional gestaffelt aufzubereiten. Zum anderen gilt es, die lokalen Wechselaktivitäten und -motive auf Verbraucherseite so schnell wie möglich zu erfassen. Auf Grundlage dieser Informationen können Versorger dann die Konkurrenzfähigkeit eigener Produkte in angestammten und angestrebten Liefersegmenten analysieren.
Markttransparenz zur aktiven Vertriebssteuerung
Theoretisch waren diese Informationen schon in der Vergangenheit zugänglich. Aufwand und systematische und technische Grenzen erschwerten aber die praktische Umsetzung. Selbst für viele Versorger sind der Preis- und Angebotsmarkt sowie die Einstellungen der Verbraucher immer noch undurchsichtig. Marketingkampagnen, Tarifbildung und Vertriebsmanagement erinnern daher oft an einen Blindflug. Selbst wenn in die Maßnahmengestaltung die reichhaltigen Marktdaten eines neutralen Informationsdienstleisters wie beispielsweise GET und von anderen Dritten einfließen, bleibt die Forderung nach Tempo und Zielgenauigkeit in der Verarbeitung ständiger Begleiter. Sind die Eckdaten zum Maßnahmenkatalog und Tarifgefüge einmal festgelegt, ist eine schnelle Anpassung an das aktuelle Geschehen die nächste Herausforderung. In einem zunehmend wettbewerbsintensiven dynamischen Markt ist ein kurzfristiges, vielleicht nur regional wirksames Nachjustieren jedoch unerlässlich, um sich als Strom- oder Gaslieferant erfolgreich zu positionieren. Weitet etwa ein zuvor nur lokal aktiver Konkurrent sein Vertriebsengagement aus, muss das Marketing geeignete Verteidigungsmaßnahmen gegen den drohenden Kundenverlust entwickeln. Falls ein Wettbewerber Schwäche zeigt oder Insolvenz anmeldet, benötigt der Vertrieb das richtige Instrumentarium zur Neukundengewinnung.
Reaktionsgeschwindigkeit erhöhen
Schlussendlich braucht der Lieferant ein Werkzeug, das jederzeit Aufschluss darüber gibt, ob die eigenen Produkte noch wettbewerbsfähig sind oder eine Anpassung sinnvoll ist. Oft erschwerten aber technische Restriktionen die effiziente Umsetzung des geforderten Analyse-Tools und schränkten so die Reaktionsgeschwindigkeit ein. Riesige Datenberge übertrafen die Verarbeitungsmöglichkeit und -geschwindigkeit verfügbarer Software. Die In-Memory-Technologie der Datenbank SAP Hana beispielsweise erlaubt es, Datenmengen in Terabyte-Größe direkt im Hauptspeicher zu verwalten und in Echtzeit zu analysieren. Die darauf basierenden Werkzeuge von Power Reply werten ohne Verzug und in großer Detailtiefe Millionen von Daten aus und setzen sie in Beziehung zueinander, statt wertvolle Zeit mit Datentransfers zu vergeuden. Zudem ist die nahezu beliebige Kombination von Daten aus unterschiedlichen internen und externen Quellen möglich.
Einstieg in High-Speed-Tarifplanung
Die Vorteile zeigen sich an der Tarifplanung: Die Datenbank des Auswertungstools enthält sowohl die von GET republikweit recherchierten Tarife der Strom- und Gasversorger als auch regionalbezogene Kennzahlen zu Wechselaktivitäten und -motiven der Endkunden aus führenden Preisvergleichsportalen. Das gilt auch für die kundenbezogenen Daten aus den versorgereigenen Anwendungen, etwa dem Customer Relationship Management. Die Korrelation dieser Informationen schafft ein Höchstmaß an Transparenz und erlaubt den Einstieg in eine High-Speed-Tarifplanung. Die Auswirkungen jeder Marktänderung oder eigener Tarifüberlegungen lassen sich in Echtzeit analysieren und durchspielen. Dabei findet ein kontinuierlicher Abgleich eigener Indices, wie Beschaffungskosten oder Kundenwert, mit den Tarif- und Entgeltdaten der Wettbewerber im Stamm- oder Zielgebiet statt. Georeferenzierte Daten zur Kundensegmentierung, wie Einwohnerdichte, Durchschnittsalter, Onlineaffinität oder Kaufkraft, erhöhen die Detailtiefe in der Analyse. Ein Lieferant kann nun bei drohender neuer Konkurrenz prüfen, ob die eigenen Produkte wettbewerbsfähig sind und eine Anpassung sinnvoll ist, ohne die Marge aus dem Blick zu verlieren. Auf Basis der Wechselstatistiken gewinnt er somit Zeit, um Marketingaktivitäten zur Kundenbindung zu lancieren, bevor nur noch die Kündigung abgearbeitet werden muss. Für die Ausbreitung des eigenen Engagements lassen sich zudem die Regionen mit den größten Chancen für einen nachhaltigen Vertriebserfolg ermitteln, indem die Datenbank Kennzahlen zur Wechselwilligkeit der Verbraucher oder Schwankungen in der Tarifgestaltung auf Konkurrenzseite mit den Kennzahlen der eigenen Tarifgestaltung und Kundengruppen korreliert. Statt nach dem Gießkannenprinzip Streuverluste und Fehlinvestitionen in Kauf zu nehmen, lassen sich Marketing- und Vertriebsaktivitäten mit Blick auf regionale Besonderheiten und Attraktivität konzentrieren.
Individualisierte Tarifgestaltung als Perspektive
Die Beispielszenarien zeigen, wie die neue In-Memory-Technik im Energieumfeld Transparenz schafft und hilft, fun- dierte Entscheidungen zu fällen. Das Potenzial, das Versorger aus der Kombination georeferenzierter und soziodemographischer Markt- und Verbraucherdaten ziehen können, ist noch größer. Schon heute ist es im Grunde möglich, dass jeder Vertriebsmitarbeiter auf seinem mobilen Smartphone oder Tablet mit eigenen Werten neue Bewertungen oder Simulationen anstößt, um Gewerbekunden individuelle Vertragsangebote vor Ort tagesaktuell zu unterbreiten. Wenn künftig noch Verbraucherinformationen aus Smart-Metering-Systemen in die Analyse einfließen, gewinnt die Tarifplanung zusätzliche Gestaltungsdimensionen. Mit der Kenntnis über die Verbrauchszusammensetzung lassen sich für den Endkundenmarkt neue Vertragsmodelle entwickeln, deren Kostenstrukturen auf das Verbrauchsmuster ausgewählter Kundensegmente abgestimmt und ausdifferenziert sind.Mehr zur In-Memory-Technologie lesen Sie auch in Ausgabe 1.2012 der Energy 2.0 auf Seite 28