Ob bei der Versorgung mit Elektrizität, Wasser oder Lebensmitteln, beim Transport oder im Gesundheitswesen: Die Funktionsfähigkeit kritischer Infrastrukturen entscheidet über die Verfügbarkeit von ebenso alltäglichen wie lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen.
Technologische Entwicklungen, wie die zunehmende Digitalisierung, ermöglichen eine flexible und dezentrale Steuerung der Versorgungssysteme und eröffnen gerade für die Energie- und Mobilitätswende neue Chancen. Sie erhöhen aber auch die Anfälligkeit für Störungen und Angriffe von außen. So steigt seit einigen Jahren die Gefahr von Cyberattacken, bei denen nicht nur Daten missbraucht, sondern ganze Systeme lahmgelegt werden können.
Versorgung sicherstellen
In einem dezentralen Energiesystem, das vor allem regenerative Quellen nutzt, können zudem der Ausfall einzelner Komponenten sowie die zeit- und witterungsbedingt schwankende Einspeisung die Versorgungssicherheit gefährden.
Wie sich Energiesysteme und andere kritische Infrastrukturen nachhaltig und zugleich widerstandsfähig gestalten lassen, erforscht die Arbeitsgruppe Resiliente und Smarte Infrastruktursysteme – RESIS unter Leitung von Dr. Sadeeb Simon Ottenburger und Wolfgang Raskob am Institut für Thermische Energietechnik und Sicherheit des KIT. Auf technische Systeme bezogen bezeichnet Resilienz die Eigenschaft, auch unter hohen Belastungen oder trotz Störungen nicht vollständig zu versagen, sondern wesentliche Funktionen aufrechtzuerhalten und bald wieder voll einsatzfähig zu sein.
Umgang mit Unsicherheit gehört dazu
„Die bereits stattfindende Planung zukünftiger kritischer Infrastrukturen muss neue systemische Risiken und große Unsicherheiten systematisch berücksichtigen und insbesondere negative Auswirkungen einzelner oder mehrerer Ereignisse auf die Gesellschaft verstehen“, sagt Ottenburger.
Bezogen auf die Energieversorgung bedeutet dies beispielsweise, dass mit der Energie- und Mobilitätswende das Stromnetz immer wichtiger wird. Dieses wiederum hängt von Informations- und Kommunikationsnetzen ab. Wie sich die aus neuen Netzstrukturen erwachsenden Gefahren sowie Randbedingungen, beispielsweise die Folgen der Erderwärmung, die Bevölkerungsstruktur oder die Nachfrage nach Strom, Wärme und Verkehr, in Zukunft entwickeln werden, lässt sich jedoch schwer vorhersagen.
Wie robuste Lösungen unter großen Unsicherheiten aussehen können, damit beschäftigen sich die Forschenden um Ottenburger und Raskob mithilfe von Simulationsmodellen, Künstlicher Intelligenz (KI), Mathematik und Erkenntnissen aus den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Die Arbeitsgruppe RESIS entwickelt Konzepte und Methoden zur Gestaltung und zum Betrieb smarter und anpassungsfähiger kritischer Infrastrukturen, besonders Energie-, Wasserversorgungsnetze sowie Verkehrsstrukturen. Zentral ist dabei eine Plattform, die Belastungsszenarien unter verschiedenen Randbedingungen simuliert und dadurch erlaubt, Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Teilsystemen und damit systemischen Risiken zu analysieren.
Microgrids sichern Stromversorgung für lebenswichtige Einrichtungen
Um die Resilienz der Energieversorgung zu erhöhen, lassen sich beispielsweise Microgrids integrieren, das heißt, viele kleine intelligente Energiezellen, die nicht nur eine netzstabilisierende Funktion erfüllen, sondern auch vorübergehend autonom funktionieren. So lassen sich kritische Infrastrukturen, wie Krankenhäuser, Apotheken und Feuerwehren, auf verschiedene Microgrids verteilen. Standorte und Auslegung von Speicher- und Verteilinfrastrukturen sind mit entscheidend, um in kritischen Phasen eine autarke Versorgung zu gewährleisten.
„Diese präventiven Designstrategien greifen bereits bei einem Brownout, also einem Spannungsabfall, beispielsweise aufgrund eines Strommangels auf der Übertragungsnetzebene, um einen Blackout zu verhindern“, erklärt Sadeeb Simon Ottenburger.
Neben den technischen Faktoren binden die Forschenden um Ottenburger und Raskob zunehmend auch soziale Aspekte in ihre Resilienzforschung ein. Kritische Infrastrukturen sind auf das Vertrauen der Bevölkerung angewiesen; präventive Strategien bedürfen der gesellschaftlichen Akzeptanz. Wenn Ressourcen knapp werden, ist von Verbraucherinnen und Verbrauchern Flexibilität gefordert, beispielsweise während einer langanhaltenden europäischen Dunkelflaute, wenn weniger Strom aus regenerativen Quellen bereitgestellt werden kann, sich Energiespeicher leeren, oder Ressourcen aufgrund von Cyberattacken nicht mehr verfügbar sind.
Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology
Das CEDIM, eine interdisziplinäre Einrichtung des KIT, forscht zu Katastrophen, Risiken und Sicherheit. Ziel ist, natürliche und menschengemachte Risiken in einer sich rasch verändernden, von Bevölkerungswachstum, Urbanisierung und Klimawandel geprägten Welt genauer zu verstehen, früher zu erkennen und besser zu bewältigen.
Dazu verbinden die Forschenden Risikoerfassung, Risikoanalyse, Risikomanagement und Risikokommunikation und entwickeln darauf aufbauend Konzepte zur Verbesserung der Resilienz von Infrastrukturen und Versorgung.