In den vergangenen Jahren haben sich die Anforderungen und Ansprüche an die Versorgung mit Elektroenergie geändert. Spielte einst eine ausreichende und allumfängliche Versorgungssicherheit die Hauptrolle bei der Planung, Entwicklung und dem Ausbau von Versorgungsnetzen, so haben sich in den vergangenen Jahren weitere wichtige Anforderungen wie etwa der gesteigerte Schutz von Mensch und Umwelt sowie eine möglichst hohe Effizienz herausausgebildet. Innovative Technologien können den neu gewichteten Prioritäten gerecht werden.
Transformatoren und speziell Leistungstransformatoren sind wichtige Knotenpunkte der Elektroenergieversorgungsnetze und unterliegen den voran genannten Forderungen. Beim Bau von Leistungstransformatoren wird konventionell eine Isolierflüssigkeit auf der Basis von Mineralöl verwendet. Diese weist sehr gute thermische und elektrisch isolierende Eigenschaften auf. Allerdings können diese Isolierflüssigkeiten den Forderungen nach einer Erhöhung der Nachhaltigkeit des Betriebsmittels und auch einem gesteigerten Schutz für Mensch und Umwelt nicht genügen. Aus diesem Grund müssen Alternativen gefunden, bewertet und eingesetzt werden. Silikonöle, auf Erdgas basierte Flüssigkeiten oder auch Ester auf synthetischer oder auch natürlicher Basis bilden die Alternativen.
Natürliche Ester, also Pflanzenöle, liegen in puncto Umweltschutz und Nachhaltigkeit weit vorn. Bereits seit mehr als 15 Jahren werden sie eingesetzt. Im Jahr 2013 konnte erstmals ein Leistungstransformator für die deutsche 400-kV-Höchstübertragungsebene gefertigt werden. Dies stellt einen großen Schritt in der Entwicklung des Einsatzes von natürlichen Estern in elektrischen Betriebsmitteln dar. [1]
Eigenschaften und Umsetzung
Die auf natürlichen Estern basierten Isolierflüssigkeiten weisen über den gesamten Betriebstemperaturbereich eines Transformators eine bis zu viermal so hohe kinematische Viskosität auf als Mineralöle. Dies führt zu dem Problem, dass bei tiefen Temperaturen ab etwa 20 °C unter Null die Flüssigkeit nicht mehr vollständig fließfähig ist und ein effektiver Transport der anfallenden Verlustwärme nicht mehr gegeben ist. Um diesem Effekt entgegenzuwirken, müssen entsprechende Maßnahmen getroffen werden. So muss bei der Bemessung des aktiven Teiles des Transformators zwingend die höhere kinematische Viskosität der natürlichen Ester berücksichtigt werden.
Infolge der höheren thermischen Leitfähigkeit und spezifischen Wärmekapazität der natürlichen Ester kann eine größere Menge an thermischer Verlustenergie transportiert werden. Das bessere thermische Verhalten zeigt sich auch durch das Zersetzungs-Verhalten von Zellulose-Isolierstoffen in natürlichen Estern. Tests haben gezeigt, dass Isolierpapier unter bestimmten Umständen in natürlichen Estern langsamer altert als im Mineralöl. Dies wirkt sich bei entsprechender Auslegung des Transformators positiv auf dessen Lebensdauer aus.
Bei den elektrischen Eigenschaften unterscheiden sich die natürlichen Ester gravierend von den Mineralölen. Insbesondere bei Impulsbeanspruchungen bilden sich starke Unterschiede aus. Hierbei kann sich das Mineralöl bis hin zu einem Faktor von 1,4 als elektrisch fester erweisen. Um die unterschiedliche Festigkeit auszugleichen, muss das Isolationssystem des Transformators beim Einsatz von Pflanzenölen speziell bemessen sein.
Führt man den natürlichen Estern permanent Sauerstoff zu, findet eine beschleunigte Zersetzung dieser Flüssigkeit statt. Insbesondere bei Temperaturen ab etwa 45 °C verläuft die Oxidation der Flüssigkeit beschleunigt. Gelingt es den Luftsauerstoff vor der Isolierflüssigkeit vollständig auszusperren, können die Vorteile der langsameren Zersetzung der Zellulose-basierten Feststoffisolierung und der bessere Transport an Verlustwärme berücksichtigt werden. Idealerweise lässt sich der Transformator hermetisch abschließen, sodass der Austausch mit Umgebungsluft und somit eine beschleunigte Oxidation des natürlichen Esters durch die Reaktion mit Luftsauerstoff vermieden wird. Darüber hinaus müssen alle im Transformator eingesetzten Materialen und Komponenten überprüft werden, ob sie mit natürlichen Estern kompatibel sind.
Zukunftsorientierte Lösungen
Mit Pflanzenöl gefüllte Transformatoren bereiten besonders im Bereich des Schutzes von Mensch und Umwelt einen herauszuhebenden Vorteil im Vergleich zu Mineralöl gefüllten Transformatoren. Gemäß OECD 301[2] sind natürliche Ester vollständig biologisch abbaubar und haben somit kein Gefährdungspotenzial für die Umwelt. Somit ermöglichen Pflanzenöle auch den Einsatz von damit gefüllten Leistungstransformatoren in sensiblen Regionen. Entsprechende Schutzmaßnahmen wie Auffangeinrichtungen für die Flüssigkeit können unter Umständen gänzlich entfallen. Dies muss von Fall zu Fall separat untersucht und erlaubt werden. Besondere lokale Gesetzmäßigkeiten können zwangsläufig die Installation eines Auffangbeckens bedingen.
Ein weiterer gewichtiger Vorteil der Pflanzenöle zeigt sich hinsichtlich deren Entflammbarkeit. Mit einem Brennpunkt von mehr als 300 °C werden die Pflanzenöle gemäß IEC 61039 [3] als „K“ bewertetes Isoliermedium eingestuft. Mit Pflanzenöl gefüllte Betriebsmittel reduzieren somit das Gefahrenpotenzial. Der Einsatz in sensiblen Regionen wie etwa in dichten Siedlungsgebieten wird dadurch möglich. Sicherheitseinrichtungen wie beispielsweise Brandschutzwände können entfallen oder weniger aufwendig dimensioniert ausfallen. Abstände zu benachbarten Gebäuden oder anderem elektrischem Equipment innerhalb der Anlage können kleiner dimensioniert werden.
Die global agierende Versicherungsgesellschaft FM Global gibt dazu in ihren Richtlinien exakte Hinweise, wie die Abstände bei Einsatz eines Mediums der „K“-Klasse dimensioniert sein dürfen [4]. Selbstverständlich muss dies auch wieder in jedem Einzelfall für die entsprechende Anlage betrachtet und bewertet werden, dennoch ist die Gefahr für Brände in Summe deutlich geringer. Pflanzenöle ermöglichen bei entsprechendem Design des Transformators eine höhere Lebensdauer und helfen, den Kohlendioxidausstoß des gesamten Produktes zu senken. Zudem kann Pflanzenöl nach Herstellerangaben fast vollständig biologisch wiederaufbereitet werden, während Mineralöl irgendwann nur noch verbrannt werden kann. Dabei kann die dreifache Menge des Mineralöles an Kohlendioxid (CO2) anfallen. Bei 80 Tonnen Mineralöl, wie es der Füllmenge eines großen Leistungstransformators entspricht, können etwa 240 Tonnen CO2 gebildet werden.
Die Ausführung des ersten 420-kV-Leistungstransformators mit Pflanzenöl hat klar gezeigt, dass der Einsatz dieser Isolierflüssigkeit auch in den Betriebsmitteln für die höchsten Übertragungsebenen möglich ist. Der Einsatz pflanzlich basierter Isolierflüssigkeiten bringt erhebliche Vorteile im Hinblick auf den Schutz für Mensch und Umwelt. Unter Umständen kann auch ein kommerzieller Vorteil bei der Anlagenerrichtung, in der das Betriebsmittel eingesetzt werden soll, erzielt werden.
Wegweisender Einsatz
Der Betrieb der 420-kV-Einheit im Umspannwerk Bruchsal und im Eigentum der TransnetBW wird den Weg für einen weiter reichenden Einsatz von Pflanzenölen in Leistungstransformatoren weisen. Die Sensibilität für den Einsatz der pflanzlichen Isolierflüssigkeiten wird sich stetig vergrößern. Und dennoch muss der Einsatz von Fall zu Fall stets kritisch betrachtet werden, um die Pflanzenöle und deren vorteilhafte Eigenschaften auch gezielt und ohne Einbußen sonstiger Eigenschaften der Transformatoren zu gewährleisten.
Weitere Informationen
[1] Fritsche, Ronny: „Ein Meilenstein zur grünen Übertragungstechnologie“, Energie Wirtschaft, 2014
[2] OECD 301, Leichte biologische Abbaubarkeit, Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
[3] IEC 61039, Classification of Insulation Liquids, Edition 2.0, 2008 - 07
[4] FM Global, Transformers, Property Loss Prevention Data Sheets 5-4