Ein Vorsprung gegenüber den Marktbegleitern lässt sich nur erzielen, wenn die eigenen Windenergieanlagen zu günstigeren Kosten Energie erzeugen oder über technische Vorteile verfügen, die ihren höheren Verkaufspreis rechtfertigen. Gleichzeitig werden die technischen Anforderungen immer komplexer. So bieten zahlreiche Hersteller mittlerweile spezielle Anlagen für Schwachwindstandorte an. Darüber hinaus sind Versionen für besonders kalte (CCV – Cold Climate Version) oder heiße (HCV – Hot Climate Version) Standorte erhältlich, weil Betreiber auf der Suche nach einer ertragreichen Lage immer öfter in klimatisch extreme Gegenden ausweichen.
Trotz der wachsenden Ansprüche darf der Preis für die in den Anlagen verbauten Komponenten nicht steigen, sondern sollte bestenfalls sogar sinken. Deshalb setzen Hersteller zunehmend auf industrielle Standards und Technologien, die sich in anderen Branchen mit rauen Umgebungsbedingungen bewährt haben. Da es jedoch keine vergleichbaren Industriezweige gibt, steht lediglich eine kleine Auswahl passender Geräte und Systeme zur Verfügung.
Schneller regeln
In der Vergangenheit verwendeten Hersteller von Windkraftanlagen unterschiedliche Steuerungen und I/O-Systeme. Allerdings sind die Anforderungen an die Steuerungstechnik im Laufe der Zeit erheblich gewachsen. Nicht nur interne Komponente – etwa Generatoren und Umrichter – erfordern heute eine deutlich komplexere speicherprogrammierbare Steuerung (SPS), sondern auch externe Faktoren wie die Vorgaben durch den Netzbetreiber.
Während die Windenergieanlagen früher bei Netzschwankungen einfach abgeschaltet werden konnten, müssen sie heute überall auf der Welt zur Netzstabilität beitragen. Denn aufgrund des stark gestiegenen Anteils an Windstrom in den Netzen kommt ihnen eine wichtigere Funktion bei der Laststeuerung zu. Konnten die Anlagen ehemals ständig Energie erzeugen, wenn der Wind wehte, greifen die Energieversorger mittlerweile in die Regelung der Windparks ein, indem sie Leistung drosseln oder Windkraftanlagen komplett wegschalten.
Die aufgeführten Faktoren ziehen eine immer komplexere Steuerungstechnik und schnellere Regelung nach sich. In einer modernen Windenergieanlage müssen typischerweise 500 und mehr Signalpunkte in das Kommunikationsnetz eingebunden werden. Aus diesem Grund entscheiden sich viele Hersteller für eine Datenübertragung auf Basis von Industrial Ethernet.
Mit Axioline hat Phoenix Contact ein entsprechendes Echtzeit-I/O-System für die Sensorik mit integriertem Hochgeschwindigkeits-Bus entwickelt, das alle Anforderungen der Windenergie erfüllt. Axioline kommt seit 2014 in einer ersten Multimegawatt-Serienanlage zum Einsatz, in der Profinet zur Kommunikation genutzt wird. Das Echtzeit-I/O-System ergänzt dabei die RFC-Steuerung (Remote Field Controller) von Phoenix Contact, weil es die Performance der Peripherie an die Leistungsfähigkeit der SPS anbindet.
Robust gegen elektromagnetische Effekte
Das Axioline-System kombiniert die besonderen Eigenschaften von Industrial Ethernet mit den Vorteilen der klassischen Reihenklemme. Auf diese Weise erschließen die einfach handhabbaren, robusten und schnellen I/O-Module weitere Verbesserungspotenziale in der Anlagenautomation. Das System ist dabei modular aufgebaut. Die I/O-Stationen werden durch ein Kommunikationsmodul – auch als Buskoppler bezeichnet – eröffnet, an das sich die für die jeweilige Aufgabenstellung benötigten Standard- und Funktionsmodule anreihen. Über die Module lassen sich typische Sensoren und Aktoren wie digitale Geber, Ventile, PT100-Sensoren, Drehwinkel-Encoder oder Impulsgeber an die Steuerung anschließen.
Technologisches Schlüsselelement der Lösung sind die Bus-Sockel-Module für die Hutschiene, die als Träger der Modulelektronik fungieren und ohne Elektronik auskommen. Ihre Hochfrequenz-optimierte Ausprägung – beispielsweise in Form der geschirmten Vielpol-Stecker – stellt die Grundlage für den schnellen Bus und damit das Echtzeit-I/O-System dar.
Der Aufbau des internen Systembusses mit Punkt-zu-Punkt-Verbindungen reduziert nicht nur die Komplexität innerhalb des Systems, sondern sorgt ebenfalls für die hohe Übertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s. Von besonderem Interesse für die Windenergie ist zudem die Robustheit der Axioline-Module hinsichtlich elektromagnetischer Effekte und Abstrahlung.
Installation mit Push-in- Anschlusstechnik
Aufgrund der werkzeuglosen Montage der Axioline-Module verkürzt sich die Installationszeit des Schaltschranks in der Windenergieanlage. Gleiches gilt für den Reparaturaufwand, sofern eine Störung in einem Modul auftreten sollte. Die eigentliche Verdrahtung erfolgt über steckbare Klemmen. Um gegen die erheblichen Vibrationen gewappnet zu sein, die insbesondere in der Nabe der Windenergieanlage vorkommen, sind die Axioline-Module mit einer stabilen Verrastung ausgestattet. Gleichzeitig beträgt ihre Einbauhöhe lediglich 50 Millimeter, sodass sich das Echtzeit-I/O-System ebenso in flache Standard-Schaltkästen integrieren lässt.
Die in der Klemmentechnik bewährte Push-in-Anschlusstechnik wird auch bei Axioline angewendet. Somit werden die Vorteile einer werkzeuglosen und folglich schnellen Verdrahtung von der Reihenklemme auf Automatisierungsgeräte übertragen. Wegen der eindeutigen Identifizierung der Push-in-Klemmstelle sind Verdrahtungsfehler durch Fehlstecken des Leiters ausgeschlossen. Die vollisolierte Bedienung trägt zur Erhöhung der Sicherheit bei. Das Push-in-Drückerelement trennt hier die innen liegenden Kontaktelemente über den Isolierwerkstoff. So ist ein sicherer Berührschutz gegeben.
Update in Mikrosekunden
In den aktuellen Windenergieanlagen der Multimegawatt-Klasse werden standardmäßig Pitch-Systeme verbaut. Durch die Verwendung von Axioline lässt sich die Kommunikation zum Pitch schneller und effizienter aufbauen als mit Ethernet. Eine aus 256 I/O-Modulen bestehende Station benötigt eine Update-Zeit von sechs Mikrosekunden, während sie bei 1024 I/O-Modulen 13 Mikrosekunden beträgt. Der Axiobus synchronisiert sich dabei auf das am Buskoppler angeschlossene Ethernet-Protokoll auf. In Verbindung mit Profinet-IRT (Isochronous-Real-Time), das mit einer Zykluszeit von 125 Mikrosekunden für Peripherie-Teilnehmer arbeiten kann, werden synchronisierte Signalwege realisiert, die eine geringere Totzeit haben. So gestaltet sich die Regelung der Windkraftanlage schneller und damit wirtschaftlicher. Denn eine bessere Reaktion auf Änderungen des Windes steigert die Energieausbeute. Gleichzeitig erhöht sich die Sicherheit der Anlage, da das Pitch-System nicht nur der Regelung dient, sondern auch als Hauptbremssystem fungiert. Durch eine kürzere Reaktionszeit lässt sich eine Notbremsung schneller einleiten und die Windenergieanlage schnellstmöglich zum Stillstand bringen.
In der Nabe können lediglich Geräte eingesetzt werden, die den besonders harten Umgebungsbedingungen gewachsen sind. Hier spielen neben Vibrationen und Temperaturschwankungen Faktoren wie die ständige Lageänderung eine Rolle. Das Echtzeit-I/O-System Axioline hat sich in diesem Umfeld bewährt, was unter anderem aus dem robusten Design resultiert.
Durchgängiges System
Seit 2014 umfasst das Axioline-Portfolio ebenfalls Safety-Module. Somit kann ein durchgängiges I/O-System aufgebaut werden, das die funktional sicheren Teile der Windenergieanlage einschließt. Je nach Anlagengröße wird das Echtzeit-I/O-System durch eine Steuerung der Produktfamilie Axiocontrol oder eine Hochleistungs-Steuerung aus der RFC-Baureihe ergänzt.