Die vierte und bislang letzte Aktualisierung der Projects of Common Interest (PCI)-Liste stammt vom 31.10.2019. Für den Gasmarkt werden darin 32 neue PCIs genannt, die in Summe 338 GW an Kapazität ergänzen sollen. Die Projekte gliedern sich dabei in Pipeline-, Speicher- und Terminalprojekte.
Aber benötigt die EU neue Gasinfrastruktur überhaupt? Ende Januar wurde eine Studie des Beratungsunternehmens Artelys veröffentlicht, in der unter anderem die Diskussion „Ausbau Gasinfrastruktur versus Zielerreichung Klimaschutz“ dargestellt wird. Die Studie kommt auf Basis von Szenario-Betrachtungen zum Schluss, dass die bestehende Gas-Infrastruktur ausreiche, auch eine Vielzahl an zukünftigen Nachfrageszenarien in der EU abzudecken. Um sich zu rentieren, müssten Gaspipelines rund 40 Jahre in Betrieb sein, da sonst 29 Milliarden Euro EU-Fördergelder für diese Vorhaben verschwendet würden, so die Studie. Aus Gesichtspunkten der Versorgungssicherheit sei daher die Mehrheit der neuen Gas-PCIs unnötig.
Passen die Investitionen zu den EU-Klimaschutzzielen?
Nach Veröffentlichung der Studie gab es viele Kommentare und Reaktionen, die sowohl die Ergebnisse der Studie kritisierten als auch bekräftigten. Viele Rückmeldungen forderten dabei vor Verabschiedung der PCI-Liste eine erneute Überprüfung durch die Kommission, da die gelisteten Investitionen nicht zu den geplanten Klimaschutzzielen der EU passen würden. Die Befürworter der Projekte wiesen hingegen sowohl auf die Notwendigkeit hin, Erdgas als Brückentechnologie zu stützen und als auch auf die Tatsache, dass Gaspipelines zukünftig auch für Biogas und Wasserstoff genutzt werden können und einen wichtigen Beitrag zur Zielerreichung der Klimaschutzziele leisten.
„In einer Übergangszeit brauchen wir die Gas-Energie als notwendige Brückentechnologie hin zu noch saubereren, klimaneutralen Energiequellen“, erklärte der Vorsitzende des Industrieausschusses des EU-Parlaments.
Keine Infrastruktur für CO2-neutrale Alternativen?
Der CDU-Europaparlamentarier Markus Pieper bezeichnete den Vorwurf, dass die EU keine neue Gasinfrastruktur brauche, dementsprechend als „lächerlich“ und „gefährlich“. „Diese Gasprojekte sind unbedingt erforderlich“, sagte er dem Handelsblatt. „Ich beobachte, dass beim Klimaschutz gerade alle in Panik verfallen, und sogar das in Frage stellen, was getan werden muss, um eine bezahlbare Energiewende hinzubekommen.“ Ohne Gas als Übergangstechnologie sei die Energiewende nicht machbar. Außerdem mahnte er: „Wenn wir neue Gasprojekte nicht mehr zulassen, haben wir zukünftig keine Infrastruktur mehr für CO2-neutrale Alternativen.“
Vierte PCI-Liste angenommen
Schlussendlich hat das EU-Parlament nun Mitte Februar mehrheitlich die aktuelle vierte PCI-Liste angenommen. In diesem Zusammenhang muss jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass Jean-Claude Juncker nicht mehr Präsident der EU-Kommission ist, sondern Ursula von der Leyen, die eine schärfere Klimaschutzpolitik der EU verfolgt. Ihr Ziel ist es, die EU bis 2050 klimaneutral zu gestalten.
Und das ist auch einer der Gründe, warum im Rahmen der Diskussion um die PCI-Projektliste die Forderung des Energieausschuss des EU-Parlaments aufkam, die Kriterien für die Auswahl von Energieprojekten dahingehend anzupassen, dass sie mit der Klimapolitik der EU konform seien. So dürfte es durchaus spannend werden, mit welchen Emotionen die sowieso in diesem Jahr anstehende Überarbeitung der TEN-E-Verordnung diskutiert wird. Die TEN-E-Verordnung umfasst Leitlinien für die europäische Infrastruktur und soll zum Erreichen der energiepolitischen Ziele der EU beitragen.