Für Hersteller von Windkraftanlagen ist die elektromagnetische Verträglichkeit oft noch ein Buch mit sieben Siegeln. Doch mit zunehmender Größe der Anlagen wachsen auch die Störsignale für die Umwelt. Je fortgeschrittener die Technik, desto höher ist das Risiko elektromagnetischer Störungen. Auch die Umrichter großer Windkraftanlagen senden solche Störsignale aus – nach innen wie nach außen.
Experten rechnen mittelfristig mit einem Gesetz, das die elektromagnetische Belastung der Umgebung regelt. Bis es soweit ist, können die Hersteller aber schon selbst eine Menge tun. So sollte ein tragfähiges Konzept für elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) entsprechend abschirmende Kabeldurchführungen miteinbeziehen.
EMV-Maßnahmen sind immer dann gefragt, wenn empfindliche Technik Schutz benötigt. Klassische Ursachen für elektromagnetische Störungen sind leistungsstarke Sendeanlagen, Blitzschläge oder Kurzschlüsse. Die Signale, die von den Umrichtern einer Windkraftanlage ausgehen, können vor allem Flug- und Schiffsradare sowie drahtlose Kommunikationssysteme stören – unter Umständen aber auch die eigene Anlage. Das elektromagnetische Feld entsteht während der Stromumwandlung in den Umrichtern und dringt, wenn keine Gegenmaßnahmen erfolgen, ungehindert nach außen. Da elektromagnetische Strahlung leistungsabhängig ist, sind die Störfrequenzen bei großen Windenergieanlagen besonders hoch.
Um zu entscheiden, welche Maßnahmen hier die richtigen sind, sind genaue Messungen das A und O. Bisher gibt es noch kein Gesetz, das elektromagnetische Störungen durch Windkraftanlagen reguliert. Mit der Technischen Richtlinie 9 (TR 9) liefert die Fördergesellschaft Windenergie (FGW) der Branche aber eine wichtige präventive Hilfe. Die Richtlinie beschreibt ein Messverfahren für Windenergie- und Solarstromanlagen, mit dem Hersteller und Betreiber nachweisen können, dass ihre Anlage keine Beeinträchtigung darstellt. Auch andere Messverfahren stehen bereits seit Jahren zur Verfügung.
Störungen effektiv minimieren
Elektromagnetische Störungen lassen sich minimieren, indem die Hersteller die Umrichterschränke als EMV-Variante konzipieren und Kabeldurchführungen mit elektromagnetischer Abschirmung verwenden. Idealerweise geschieht dies gleich zu Beginn, die Umrichter können aber auch später noch nachgerüstet werden. Damit die Störungen nicht nach außen dringen, muss der Schrank als Faradayscher Käfig ausgelegt werden. Die Türen sollten mit EMV-Dichtleisten und die Lüftungsschlitze mit einem EMV-Wabengitter versehen werden. Das engmaschige Metall schwächt die elektromagnetischen Wellen auf ihrem Weg nach außen, und es entsteht eine Streuung. Dabei werden die Frequenzen ähnlich wie Wasser von einem Wellenbrecher gebrochen. Man bezeichnet das als Dämpfung. Kabeldurchführungen mit spezieller EMV-Funktion sollten dann eingesetzt werden, wenn der Kunde eine IP-Schutzklasse einhalten möchte, die zum Beispiel Wasser- und Gasdichtigkeit vorschreibt.
Aufgabe der Kabeldurchführung ist, die Signale aufzunehmen, um sie aus der Anlage fernzuhalten oder die Umgebung vor Störsignalen zu schützen. Dafür muss der Rahmen der Durchführung aus einem leitenden Material bestehen und geerdet sein, die Kabel selbst werden je nach Anforderung durch ein leitfähiges Geflecht oder eine leitfähige Folie abgeschirmt. Elektromagnetische Störungen werden so vom Kabelschirm oder von der Durchführung aufgenommen und über die Erdung des Rahmens abgeleitet. Systeme wie die des Herstellers Roxtec, die gleich mehrere Kabel in einem Rahmen aufnehmen und dessen Module geteilt sind, sind besonders platzsparend und lassen sich schnell installieren.
Um die optimale EMV-Kabeldurchführung zu finden, muss der Hersteller oder Betreiber entscheiden, für welchen Frequenzbereich die Dämpfung erfolgen und welches Level der Dämpfung erreicht werden soll. Gemessen wird die Dämpfung in Dezibel, wobei die Kurve nicht linear, sondern exponentiell verläuft. Eine Erhöhung der Dämpfung um drei Dezibel bedeutet somit eine doppelt so gute Dämpfung des Signals, während eine Erhöhung um 30 Dezibel zu einer tausendmal besseren Dämpfung führt. Mit relativ geringem Aufwand lässt sich die Dämpfung also signifikant verbessern.
Schutz nach innen und außen
Wichtig ist auch, einen Überblick über die verschiedenen EMV-Funktionen und -Produkte zu gewinnen. Kabeldurchführungen mit der Bezeichnung „PE“ (Potential Equalization) liefern eine wichtige Grundfunktion im Bereich EMV, nämlich den Potenzialausgleich. Dieser schützt die empfindliche Elektronik im Schaltschrank gegen Überspannungen, ist somit ein Schutz nach innen. Gleichzeitig erdet die Folie auch etwaige niederfrequente Störsignale auf der Abschirmung des Kabels. Mit „BG“ (Bonding and Grounding = Ausgleich und Erdung) gekennzeichnete Durchführungen verfügen neben dem Potenzialausgleich über eine hohe Stromtragfähigkeit und können Kurzschluss- oder Blitzschlagströme direkt ableiten. Statt mit einer Folie ist dieses System mit einem Kupfergeflecht ausgestattet, zudem lässt es sich sehr leicht installieren. Besonders wichtig bei EMV-Anwendungen: Aufgrund ihres Designs bieten sowohl PE- als auch BG-Produkte eine sehr viel bessere Leistung in hohen Frequenzbereichen als dies durch herkömmliche Erdung per Kabel möglich wäre. Eine Kabeldurchführung mit der Kennzeichnung „ES“ (Electromagnetic Shielding = elektromagnetische Abschirmung) bietet sowohl Schutz nach innen als auch nach außen. Die leitfähige Folie ermöglicht den Potenzialausgleich und Schutz gegen leitungsgebundene Störsignale, während eine leitfähige Barriere die höherfrequenten Störsignale aus der Luft, sprich: die Radiowellen, dämpft. So werden zum Beispiel Mobilfunk- oder Radaranlagen vor störenden Frequenzen des Umrichters geschützt.
Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien und den neuen Smart Grids gewinnt auch die elektromagnetische Abschirmung zusehends an Bedeutung. Hersteller von Windenergieanlagen und Umrichtern sollten daher rechtzeitig auf EMV-Maßnahmen setzen. Nur so lassen sich Störungen der Umgebung und der eigenen Anlage – sowie damit verbundene Mehrkosten – vermeiden.