Energieversorgung im Gebäudesektor Wärmepumpen: Was hemmt die Umrüstung?

Bis 2030 müssten Wärmepumpen im Bauwesen deutlich prominenter werden, um die Klimaziele zu erreichen. Forscher haben erarbeitet, wie sich die Akzeptanz bei Planern und Endverbrauchern steigern lässt.

Bild: iStock, Smileus
11.04.2022

Um die Klimaziele und mehr Energieunabhängigkeit zu erreichen, muss sich die Versorgung unseres Gebäudesektors ändern. Energieeffiziente Wärmepumpen tragen hier viel Potenzial, ihr Bestand müsste allerdings drastisch steigen. Was die Umrüstung hemmt und wie Barrieren überwunden werden können, haben Experten des ISOE untersucht.

Beim ökologischen Umbau des Gebäudesektors, wie ihn die Bundesregierung plant, spielen Wärmepumpen eine zentrale Rolle. Langfristig können sie CO2-intensive Öl- und Gasheizungen ersetzen, indem sie Umgebungswärme aus unterschiedlichen Quellen wie Boden, Grundwasser und Luft zum Heizen nutzen. Zudem lassen sie sich mit erneuerbar erzeugtem Strom betreiben.

„Um die Pariser Klimaschutzziele zu erreichen, muss auch das Einsparpotenzial an Treibhausgasen im Gebäudebestand durch die Umrüstung auf Wärmepumpen so rasch wie möglich genutzt werden“, sagt Dr. Immanuel Stieß vom Institut für sozial-ökologische Forschung ISOE. „Großer Nahholbedarf besteht insbesondere bei Mehrfamilienhäusern. Hier sind Wärmepumpen bislang noch kaum in Betrieb.“

Trigenerationssysteme als Potenzialträger

Vor allem als Teil von sogenannten Trigenerationssystemen, die Wärme-, Kälte- und Stromerzeugung kombinieren, können Wärmepumpen die Ökobilanz verbessern und zugleich Strom- und Heizkosten senken. In dem europäischen Forschungsverbund „TRI-HP – Trigenerationssysteme für die Nutzung verschiedener erneuerbarer Energiequellen“, an dem Stieß und sein Team beteiligt waren, wurden solche Systeme untersucht.

„Ein Großteil des für den Betrieb der Trigenerations-Wärmepumpen benötigten Stroms kann durch Photovoltaik vor Ort gewonnen werden“, erklärt Stieß. „Die Nutzung von Sonnenenergie auf dem eigenen Dach macht den Betrieb dieser Wärmepumpen besonders energieeffizient, autark und kostengünstiger als fossil betriebene Heizungen.“

Wärmepumpen der nächsten Generation

Ein weiterer Vorteil dieser TRI-Wärmepumpen ist, dass sie ohne synthetische Kältemittel auskommen. Stattdessen nutzen sie natürliche Kältemittel wie Propan oder CO2, wodurch sie im Betrieb besonders umwelt- und klimafreundlich sind. „In dieser Kombination stellen Trigenerationssysteme die Technologie für Wärmepumpen der nächsten Generation dar, eine Schlüsseltechnologie auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit und mehr Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen“, sagt Stieß.

Doch der ISOE-Forscher weiß auch: Technik alleine macht noch keinen Klimaschutz. Innovationen müssen auch bekannt sein und von den Anwendern und Entscheidungsträgern akzeptiert werden. In einem mehrstufigen Dialogprozess mit Investoren, Architekten, Eigentümern von Immobilien sowie Installateuren in vier europäischen Ländern, darunter Deutschland, haben Stieß und Kollegen ermittelt, wo nicht-technische Hürden, Anreize und Widerstände beim Thema Wärmepumpen liegen. Auch haben sie untersucht, welche ökonomischen, organisatorischen und kommunikativen Anforderungen und Bedürfnisse zu berücksichtigen sind, damit die Technologie erfolgreich eingesetzt werden kann.

„Im Dialog mit den Praxisakteuren haben wir gesehen, dass im Gebäudebestand die größte Herausforderung für den Einbau von Wärmepumpensystemen liegt,“ sagt Stieß. „Denn wie jede energetische Ertüchtigung in bestehenden Häusern und Wohnungen muss auch der Umstieg auf eine Wärmepumpe gut geplant werden. Das ist mit anfänglichen Investitionskosten verbunden, denen aber dann später Einsparungen im Betrieb gegenüberstehen.“

Neue Lösungen im Wärmesektor notwendig

Doch mit Blick auf die Pläne des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz, wonach ab 2025 jede neu eingebaute Heizung auf der Basis von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien betrieben werden muss, ergibt sich aus Sicht des Energieexperten zumindest im Neubau ein Gelegenheitsfenster, um die energieeffizienten Systeme zu etablieren. Die möglichst schnelle Abkehr von fossilen Brennstoffen für die Wärmeerzeugung sei aber nicht allein mit Blick auf Klimaziele, sondern auch aus sozialer Sicht entscheidend.

Stieß: „Vor allem Haushalte, die zur Miete wohnen, müssen wegen der aktuell enorm steigenden Preise für fossile Energieträger einen immer größeren Anteil ihres Einkommens für Energiekosten aufwenden. Das trägt erheblich zur Belastung von geringen und mittleren Einkommensgruppen bei.“

Schulungsoffensive für Fachverbände und Hersteller

Damit die Wärmewende vorankommt, muss laut Stieß zunächst die ökologische Bedeutung von Wärmepumpen für die Einsparung von CO2 und Treibhausgasen ins öffentliche Bewusstsein rücken. Aber auch auf der Planungsebene bestehe Handlungsbedarf: Die befragten Stakeholder in Deutschland, der Schweiz, Spanien und Norwegen bezeichneten den höheren Aufwand für eine erfolgreiche Planung und Installation innovativer Wärmepumpen sowie die damit verbundenen hohen Investitions- und Vorlaufkosten als großes Hemmnis.

„Es fehlen Blaupausen für eine vereinfachte Planung, die es Heizungsinstallateuren, Fachplanern und Architekten erleichtern, die Größe und Leistung einer Anlage an die Anforderungen von Gebäuden und Nutzern anzupassen“, sagt Stieß. „Zudem ist vielfach das Fachwissen im Umgang mit den komplexen Systemen bei einigen zentralen Akteuren noch nicht vorhanden.“

Insgesamt komme der Aus- und Fortbildung der beteiligten Handwerker eine besondere Bedeutung zu. Eine Schulungsoffensive sei notwendig, damit die neuen Wärmepumpensysteme in Wohngebäuden routiniert geplant, installiert, in Betrieb genommen und gewartet werden können. Der akute Fachkräftemangel erschwere Aus- und Fortbildungsmaßnahmen allerdings, er wird von befragten Stakeholdern als Hürde wahrgenommen.

Hin zu mehr Marktakzeptanz

Zur Verbesserung der Marktakzeptanz empfehlen die ISOE-Forscher, dass Wärmepumpen zum einen stärker standardisiert und zum anderen leichter installierbar werden. Kompakte, platzsparende Systeme oder Module, die fertig konfektioniert und einfach mit Komponenten anderer Hersteller kombiniert werden, erhöhen die Praxistauglichkeit sowohl für neue als auch für bestehende Gebäude. Die Lösungen müssen nach Einschätzung der Anwender leicht zu installieren und zu bedienen sein. Deshalb würden kombinierte Pakete, etwa eine Wärmepumpe mit Photovoltaik, intelligenter Steuerung und thermischem Speicher, von Investoren wie Architekten sehr geschätzt.

Eine vergleichsweise übersichtliche Antragstellung zur Förderung von Wärmepumpensystemen durch interessierte Abnehmer wird ebenfalls als wichtig erachtet. Zudem gebe es einen Bedarf an neuen Finanzierungs- und Geschäftsmodellen, zum Beispiel eines sogenannten Wärme-Contracting, um die Marktverbreitung innovativer Wärmepumpensysteme zu verbessern.

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