Nachdem Stadtgas etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts durch Erdgas ersetzt wurde, verschwand auch der Wasserstoff aus dem Blickpunkt der Gasversorgung. Gerade die langjährigen Erfahrungen in der chemischen Industrie sowie in Stahlwerken bieten gute Möglichkeiten, die praktischen Erfahrungen mit Wasserstoff und Wasserstoffanlagen zu adaptieren.
Netzkopplungspunkt ist entscheidend
Unterschiedliche Studien sowie Erfahrungen von Projekthaus bei der Begleitung industrieller Wasserstoffprojekte haben ergeben, dass eine Versprödung von Rohrleitungswerkstoffen nicht oder nur in speziellen Fällen zu befürchten ist. Ein kritischer Punkt ist jedoch die Einbringung des Wasserstoffes in bestehende Rohrleitungssysteme. Hier kann etwa durch Anbohrung ein Schaden an der Oberfläche des Rohrleitungssystems entstehen, der dem Wasserstoff potenzielle „Angriffspunkte“ böte. Hieraus resultiert ein besonderer Stellenwert für die Netzverknüpfungs- oder Netzkopplungspunkt genannte Einbindung in das Erdgasnetz. An diesem Punkt wird der reine Wasserstoff dem Erdgasnetz zugegeben und durchmischt sich dann mit dem in der Erdgasleitung fließendem Erdgas. Wichtige Einflussfaktoren für die Durchmischung sind hierbei die Druck- und Strömungsverhältnisse sowie eventuell wechselnde Strömungsrichtungen in der Erdgasleitung.
Sensible Betrachtung des Wasserstoffgehalts
Bei der Einspeisung von Wasserstoff in das Erdgasnetz findet das Regelwerk des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) Anwendung. So wird die Einspeisung von regenerativ erzeugtem Wasserstoff als Zusatzgas im Arbeitsblatt G 262 „Nutzung von Gasen aus regenerativen Quellen in der öffentlichen Gasversorgung“ aufgegriffen. Darin heißt es: „Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Wasserstoffgehalt in einstelligem Prozentbereich im Erdgas in vielen Fällen unkritisch ist, wenn die brenntechnischen Kenndaten entsprechend DVGW-Arbeitsblatt G 260 eingehalten werden.“ [1] Gleichzeitig werden begrenzende Faktoren für die Wasserstoffbeimischung angegeben. Diese können unter anderem die Anforderungen von Gasturbinenherstellern oder die Nutzung von Erdgas als Treibstoff gemäß DIN 51624 sein.
Neue Prozessgas-Chromatographen notwendig
Der DVGW gibt in der G 262 auch einen Hinweis darauf, dass viele Prozessgas-Chromatographen nicht ohne weiteres in der Lage sind, Wasserstoffanteile zu messen. Die technische Richtlinie G14 der Physikalisch Technischen Bundesanstalt gibt für den Fall, dass keine geeichte Wasserstoffmessung installiert ist, einen Grenzwert von 0,2% für den Wasserstoffgehalt an [2]. Die durch Biomethan als Wegbereiter vorangetriebene technische Entwicklung kommt hier dem Wasserstoff zugute. So sind mittlerweile Prozessgas-Chromatographen verfügbar, die speziell für den Erdgasmarkt mit Fokus auf die Biomethan- und Wasserstoffeinspeisung weiterentwickelt worden sind. Diese Geräte erfassen neben Standard-Erdgas auch die Komponenten Wasserstoff und Sauerstoff eichpflichtig. Für Neuanlagen und Anlagenerneuerungen stehen fortschrittliche Gasqualitätsmessgeräte zur Verfügung. Eine Vielzahl der Altgeräte kann jedoch nicht ohne weiteres eine größere Konzentration von Wasserstoff im Erdgas messen. Aus diesem Aspekt heraus sind jeweils projektspezifisch der Netzkopplungspunkt für die Wasserstoffeinspeisung und die an diesem Punkt gegebenen Rahmenbedingungen des Leitungssystems in die Betrachtung einzubeziehen, um eine möglichst schnelle Durchmischung und damit eine rasch sinkende Wasserstoffkonzentration im Erdgassystem sicherzustellen.
Weitere Informationen
[1] DVGW: Arbeitsblatt G 262 - Nutzung von Gasen aus regenerativen Quelle in der öffentlichen Gasversorgung; Stand Sept. 2011 [2] Physikalisch-Technische Bundesanstalt: Technische Richtlinie G14 - Messgeräte für Gase; Ausgabe 11/07