Studie zur Akzeptanz Wie gerecht ist die deutsche Energiewende?

Bild: Dynamis
15.11.2017

Eine sozialwissenschaftliche Studie des Instituts für transformative Nachhaltigkeitsforschung misst erstmals, für wie gerecht die Deutschen die Energiewende halten.

Ein passenderen Zeitpunkt für die Veröffentlichung einer Studie über die Akzeptanz der Energiewende hätte das Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS) kaum wählen können: Noch bis Freitag den 17. November diskutieren Minister und Regierungschefs aus aller Welt auf der UN-Klimakonferenz in Bonn über wichtige klimapolitische Themen. Einer der wesentlichen Streitpunkte der laufenden Sondierungsgespräche einer möglichen Jamaika-Koalition ist der Ausstieg aus der Kohleenergie. Und erst Anfang des Monats stimmten die Münchner bei einem Bürgerentscheid für eine vorzeitige Abschaltung des örtlichen Steinkohlekraftwerks. Kurz gesagt: Die Energiewende prägt den politischen und gesellschaftlichen Diskurs aktuell wieder sehr stark.

Große Mehrheit befürwortet Energiewende

Die Zahlen des IASS könnten die Debatten nun um einen interessanten Aspekt erweitern: So befürwortet laut IASS eine große Mehrheit der Deutschen die Energiewende (88 %), will sich selbst daran beteiligen (75%) und hält die Förderung von erneuerbaren Energien (84 %), das Energiesparen (80 %) und die Energieeffizienz (85 %) für richtig. „Die Energiewende ist in allen gesellschaftlichen Gruppen als Zielsetzung fest verankert und positiv besetzt. Und das über alle Parteien hinweg“, erklärt Daniela Setton, IASS-Wissenschaftlerin und Hauptautorin der in diesem Jahr erstmals veröffentlichten Studie. Selbst unter Klimaskeptikern sprechen sich 77 % für die Energiewende aus.

„Ein überraschendes Ergebnis für uns war, dass der Kohleausstieg eine ähnlich hohe Zustimmung erhält wie der Atomausstieg“, hebt Daniela Setton hervor. Fast zwei Drittel der Bevölkerung (63 %) stimmen einem Ausstieg aus der Kohle zu. Das gilt auch mehrheitlich für die vier Bundesländer mit Braunkohleabbau (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt). In dem Kohlestandort Nordrhein-Westfalen befürworten einen Ausstieg sogar 60 %. Den Atomausstieg befürworten 68 % der Bevölkerung.

Wichtig ist eine hohe soziale Verträglichkeit

Bei den Themen Gerechtigkeit, Kosten, Steuerung und Bürgernähe der Energiewende überwiegen skeptische Einschätzungen. So halten zwei Drittel der Deutschen die Energiewende für teuer.„Fast jeder zweite Deutsche hält die Energiewende für eher ungerecht, nur jeder Vierte für eher gerecht. Das ist ein deutliches Signal. Energiepolitische Maßnahmen sollten stärker auf ihre soziale Verträglichkeit abgeklopft und einkommensschwache Haushalte gezielt unterstützt werden“, betont Ortwin Renn, Wissenschaftlicher Direktor am IASS und Projektleiter der Studie. „Erstaunlich dabei ist: Die Menschen, die sich finanziell und wirtschaftlich eher negativ von der Energiewende betroffen fühlen, befürworten diese dennoch. Die Politik kann mit breitem Rückhalt rechnen – erst recht, wenn sie die Energiepolitik künftig sozial nachhaltig ausgestaltet.“

Die Verantwortung für eine sozial gerechte Ausgestaltung der Energiewende sehen die Deutschen beim Staat. Er soll für niedrige Energiepreise sorgen, damit auch Geringverdiener nicht übermäßig belastet werden (57%). Aus Sicht der Bürgerinnen und Bürger ist eine Änderung der Befreiung der besonders energieintensiven Unternehmen von der Umlage für den Ausbau erneuerbarer Energien (EEG-Umlage) erforderlich. Diese Ausnahmeregelung für Unternehmen im Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) lehnen 72 % der Bevölkerung ab. Statt die Kosten der Energiewende über den Strompreis auf alle Verbraucher umzulegen, wollen 60 %, dass diejenigen Haushalte und Unternehmen, die für hohe Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sind, einen Großteil dieser Kosten übernehmen. Darüber hinaus spricht sich rund jeder Zweite – darunter auch 42 % der Haushalte mit einem hohen Stromverbrauch – für eine progressive Preiskomponente bei den Energiepreisen aus.

Bestätigtes Meinungsbild

Die neue IASS-Studie bestätigt das Meinungsbild einer bereits im August veröffentlichten repräsentativen Umfrage, die von Kantar Emnid im Auftrag der Agentur für Erneuerbare Energien durchgeführt wurde. Laut dieser bewerten 95% der Deutschen den Ausbau der Erneuerbaren Energien als wichtig bis außerordentlich wichtig, 65% der Umfrageteilnehmer äußerten sich zudem grundsätzlich positiv gegenüber Anlagen im Umkreis von bis zu fünf Kilometern vom Wohnort.

Alle Ergebnisse und Grafiken der Studie finden Sie hier zum Download.

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