Michael Riechel ist mit diesem Beitrag im Energy 4.0-Kompendium 2020 als einer von 50 Machern der Energiebranche vertreten. Alle Beiträge des Energy 4.0-Kompendiums finden Sie in unserer Rubrik Menschen.
Neben der Energiewende sind für Michael Riechel der zunehmende Wettbewerb und die Digitalisierung die drei größten Herausforderungen der Energiewirtschaft. Dabei ist sich der Vorstandsvorsitzende der Thüga sicher, dass sich die Energiewende in den nächsten Jahrzehnten ohne gasbasierte Energieträger nicht zum Erfolg führen lässt – insbesondere im Wärmebereich. Nach seiner Einschätzung wird dabei Wasserstoff eine ganz wichtige Rolle spielen.
Der Stadtwerke-Verbund beschäftigt sich nicht erst seit dem aktuellen Hype mit diesem Zukunftsthema: Bereits 2013 haben 13 Unternehmen aus der Thüga-Gruppe eine Power-to-Gas-Demonstrationsanlage in Frankfurt in Betrieb genommen. Dort wurde Wasserstoff ins Verteilernetz eingespeist und die Technologie auf Herz und Nieren getestet. Aktuell beteiligt sich die Thüga gemeinsam mit den Stadtwerken Heide am Reallabor Westküste 100. Dort soll eine regionale Wasserstoffwirtschaft im industriellen Maßstab abgebildet und skaliert werden.
Herausforderung Digitalisierung
Ganz real ist heute schon der Wettbewerb in der Energiebranche. Dieser wird nach Riechels Beobachtung auch aufgrund laufender Konsolidierungsprozesse immer härter. Ein Dorn im Auge ist ihm hier insbesondere der Eon-RWE-Deal: „Dass damit auf der Vertriebsseite ein neuer Player mit deutschlandweit rund 20 Millionen Kunden und in Teilbereichen einer marktbeherrschenden Position entsteht, wurde nicht kritisch genug gewürdigt“, sagt der Thüga-Chef. Allerdings sieht er darin auch eine Chance für die Thüga, nämlich als „schlagkräftiger Verbund“ weiter zu wachsen. „Für Kooperationen sind wir stets offen, das ist ja Teil unserer DNA“, betont der Ingenieur, der schon seit über 30 Jahren in der Energiewirtschaft arbeitet.
Dies leitet direkt zur dritten Herausforderung über: der Digitalisierung. Denn klar ist, dass der Druck steigen wird, digitale Innovationen – wie Data Analytics, Machine Learning oder KI – mitzugehen. Laut Riechel sind insbesondere kleine und mittelgroße Stadtwerke nicht in der Lage, allein auf allen zukünftigen digitalen Feldern mitzuhalten. Die Antwort lautet: stärkere Zusammenarbeit. „Im digitalen Feld müssen wir auf gemeinsame Plattformen setzen. Was nicht markenbildend und wettbewerbsdifferenzierend ist, sollte darauf sowie auf Shared Services umgestellt werden“, so seine Empfehlung.
KI für Energieversorger
Das Stadtwerke-Netzwerk hat diesbezüglich schon einige Projekte auf den Weg gebracht. Unter anderem arbeitet man seit Mitte 2019 an einer gemeinsamen Abrechnungsplattform für die Marktrollen Vertrieb, Verteilnetz- und Messstellenbetreiber. „Um für die Zukunft gewappnet zu sein, müssen wir auch das Kerngeschäft weiter verbessern“, sagt Riechel dazu.
Angesichts von in Summe sieben Millionen Zählpunkte sind die Potenziale entsprechend groß. Und auch in den Zukunftsmärkten wie Big Data und Geo Machine Learning bringt man sich frühzeitig in Stellung. So hat das Start-up Geospin, eine 100prozentige Tochter der Thüga SmartService, den Kundenfinder entwickelt. Dieser unterstützt mit Hilfe von KI Energieversorger bei der Suche nach neuen Kunden für Produkte wie PV-Anlagen mit Speicher oder bei der optimalen Positionierung von Ladesäulen für E-Autos.