Wo die Schwingungen nicht im Einklang liegen, entstehen Probleme. Das mag esoterisch klingen, doch die Rede ist von der Frequenz im Stromnetz. 50 Hz sind gesetzt, ein Toleranzbereich existiert quasi nicht. Sind die Transportwege mit Strom unter- oder überversorgt, besteht die Gefahr, dass diese 50 Hz über- oder unterschritten werden. Im besten Fall bemerken es die Verbraucher an flackernden Glühbirnen, im schlimmsten Fall drohen umfassende Stromausfälle, die auch Netzelemente beschädigen können. Dadurch entstehen für Energieunternehmen nicht nur Kosten, sondern auch Reputationsprobleme. Eine konstante Netzstabilität liegt also im Interesse aller Beteiligten.
Dreh- und Angelpunkt ist die Regelenergiebereitstellung. Werden hier Stromspeichersysteme integriert, können sie genau an dieser Stelle die Netzstabilität unterstützen, indem sie bei Bedarf Leistung aufnehmen oder kurzfristig abgeben. Vorteilhaft ist hier die Fähigkeit der Speicher, Strom sehr schnell bereitzustellen. Denn um die Netzfrequenz zuverlässig bei 50 Hz zu halten, muss die Bereitstellung neuer Energie schnell erfolgen. Die Reaktionsgeschwindigkeit liegt bei wenigen Sekunden, dann muss das Netz für höchstens einige Minuten durch Ein- oder Ausspeisung stabilisiert werden.
Konsum und Produktion in einer Hand
Stromspeicher können jedoch mehr zur Netzstabilisierung beitragen als das reine Abfedern kurzfristiger Last- oder Nachfragespitzen, Peak Shaving genannt. Sie lassen sich als Zusatzdienstleistung in Energiekonzepte integrieren, unabhängig davon, ob diese in Privathäusern oder Industrieunternehmen ihren Standort haben. Bisher galten gesetzlich geregelte Einspeisetarife als attraktive Brückenfinanzierung für Verbraucher. Doch mit sinkenden Tarifen und steigenden Stromkosten lohnt sich die Einspeisung von grüner Energie immer weniger – sie selbst zu verbrauchen immer mehr. Die Nutzung moderner Speichertechnik weckt und unterstützt den Wunsch nach Autarkie und bildet die technische Basis für neue Arten, Strom zu vermarkten.
Grundsätzlich müssen die erneuerbaren Energien auch die Verantwortung für das Netz und seine Stabilität übernehmen. Gleichzeitig werden immer öfter Photovoltaik- und Windanlagen abgeschaltet. Noch werden fossil befeuerte Kraftwerke im Regelleistungsbetrieb benötigt und müssen daher mit einer gewissen Leistung laufen. Erst wenn auch diese Aufgaben an erneuerbare Anlagen übergehen, sind die Netze frei für alternative Energien. Damit entwickelt sich der Verbraucher weiter zum Prosumer – einer Mischung aus Konsument und Produzent. Wo früher die zentralisierte Kraftwerksstruktur einen einheitlichen Strompreis unabhängig vom Verbrauchsort und -zeitpunkt mit sich brachte, steht nun ein Paradigmenwechsel an. Denn die Zunahme der dezentralen Erzeugungsanlagen macht es immer schwieriger, das Netz zu kontrollieren – da die Einspeiser ungesteuert arbeiten.
Versorgungswende und Industrie 4.0
Ob das Internet der Dinge oder die Elektromobilität – verschiedene komplexe Systeme müssen mit dem Stromnetz und der Energiebereitstellung zusammenwachsen. Das E-Auto als Zwischenspeicher für Energie wird bald Realität und die Vernetzung hat längst im Alltag Einzug gehalten. Das muss auch für die Speichersysteme gelten, deshalb brauchen Anwender die Möglichkeit, aktiv am Energie- und Regelmarkt teilzunehmen. Dazu sind Stromspeicher notwendig, die hohe Leistungen in Be- und Entladung bereitstellen können. Gemeinsam mit Smart Metern und intelligenten Steuerungen lassen sie sich in die Infrastruktur von morgen einbinden.
Neben Physik und Prosumern stellt der Energiemarkt als Vermittlungsmechanismus die dritte zentrale Säule dar, die es zu berücksichtigen gilt. So können im Rahmen des dezentralen Konzepts Gelder, die früher für die Netzstabilität aufgewendet wurden, für Kleinanlagen verwendet werden – im Sinne einer Umverteilung für eine dezentrale, intelligent gesteuerte Energiewende. Auf diese Weise entfallen zusätzliche Investitionen.
Entlastung der Prosumer
Für dieses Vorhaben ist es sinnvoll, die Regelleistung auf dezentralen Behind-the-Meter-Anlagen zu fahren, anstatt in zentrale Greenfield-Anlagen zu investieren. Dezentrale Anlagen hinter dem Zähler können dann mehrere Anwendungen kombinieren. Bei allem Bestreben, den Endkunden in den Versorgungskreislauf zu integrieren, darf dies natürlich nicht zu einer Belastung für ihn werden – weder finanziell noch vom Aufwand. Darum müssen die virtuellen Kraftwerke, die aus den vielen dezentralen Einheiten entstehen, durch übergeordnete Teilnehmer kontrolliert werden.
Steuernachteile im Solar-Eigenverbrauch lassen sich vermeiden, wenn Stromspeicher mit Photovoltaik-Anlagen nichteinspeisend betrieben werden. Damit wird für den Prosumer nicht nur der organisatorische Aufwand für die Strombereitstellung reduziert, sondern auch seine Kosten. Wenn der Speicher gerade nicht für das Gesamtnetz arbeitet, steht er für den eigenen Haushalt oder das eigene Unternehmen als Stromlieferant zur Verfügung. Wird jedoch Strom im Netz benötigt, bezieht ihn das virtuelle Kraftwerk automatisch aus seinem dezentralen Pool.
Die ersten Schritte zur Stromversorgung der Zukunft sind bereits gemacht, viele Investitionen wurden getätigt, sowohl vom Staat als auch von Unternehmen und Bürgern. Für ein tragfähiges Gesamtkonzept gilt es nun, die einzelnen Bausteine zusammenzusetzen und die letzten Schritte zu gehen. Dann wird aus der Energiewende eine Versorgungswende.