Mehr Tempo beim Windanlagen-Bau ist notwendig, sofern die Menge der in Deutschland produzierten Windenergie nicht nur beibehalten, sondern gesteigert werden soll. Derzeit gibt es etwa 30.000 Windenergieanlagen deutschlandweit. Etwa die Hälfte davon könnte in den kommenden zehn Jahren vom Netz gehen, weil beispielsweise die EEG-Förderung abläuft oder technische Komponenten veraltet sind.
Doch welche Flächen eignen sich für das Repowering oder den Neubau von Windenergieanlagen? Wo gibt es nicht nur ausreichend Platz, sondern auch genug Wohlwollen in der Bevölkerung, damit lokale Windenergie-Ausbauprojekte Erfolg haben können? Diese Frage will ein Konsortium aus Wissenschaft und Wirtschaft im Forschungsprojekt „WindGISKI“ beantworten.
Berücksichtigung demografischer und soziologischer Faktoren
Ziel ist es, ein Geoinformationssystem zu entwickeln, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz für jeden Winkel Deutschlands berechnet, wie erfolgversprechend Windenergie-Ausbauprojekte dort sein werden. Bei der Prognose werden nicht nur harte Faktoren berücksichtigt, etwa der Abstand zu Siedlungen oder das Windvorkommen, sondern es fließen erstmals auch umfangreiche demografische und soziologische Faktoren in die Bewertung ein. Dazu gehören beispielsweise die politische Ausrichtung in der Region, das Durchschnittsalter, der Bildungsgrad und vieles mehr. Auch die Anzahl der bisherigen Windenergieanlagen wird berücksichtigt.
Dass dieser Ansatz vielversprechend ist, hat eine Machbarkeitsstudie gezeigt, die das Institut für Integrierte Produktion Hannover (IPH) und die Nefino im Sommer und Herbst 2020 durchgeführt haben. Die Wissenschaftler haben Daten aus vergangenen Windenergieprojekten analysiert und Zusammenhänge festgestellt. Allerdings sind diese Zusammenhänge nicht unbedingt linear.
So ist in Regionen, in denen bereits einige Windenergieanlagen vorhanden sind, die Bevölkerung grundsätzlich aufgeschlossener für weitere Bauprojekte. Werden es allerdings zu viele, steigt die Wahrscheinlichkeit für Widerstand. Regionen mit einem hohen Anteil von umweltbewussten Bürgern stehen Windenergieanlagen in der Regel offener gegenüber, doch auch hier kann Widerstand wachsen, wenn beispielsweise Artenschutz-Bedenken eine Rolle spielen.
Ziele des Projekts
Die Realisierungswahrscheinlichkeit hängt also von vielen verschiedenen Faktoren ab, die sich noch dazu gegenseitig beeinflussen. Um komplexe Zusammenhänge zu erkennen, werden im Forschungsprojekt „WindGISKI“ Künstliche Intelligenz sowie Methoden des Data Mining eingesetzt. Als Grundlage dienen Daten von vergangenen Windenergie-Ausbauprojekten.
Damit wird die Künstliche Intelligenz angelernt, bis sie die Erfolgsaussichten und die Realisierungsdauer nachbilden kann. Im Anschluss kann sie Zukunftsprognosen abgeben und die Realisierungswahrscheinlichkeit von Windenergie-Projekten für Potenzialflächen jeder Region in Deutschland vorhersagen.
Das Geoinformationssystem, das im Forschungsprojekt entwickelt werden soll, soll bei zwei Problemen helfen. Zum einen soll es einfacher werden, vielversprechende Flächen für zukünftige Windenergie-Projekte zu identifizieren. Zum anderen kann das System dazu beitragen, herauszufinden, welche Hindernisse andernorts den Ausbau bremsen und wie sich diese Hürden beseitigen lassen. Beides trägt dazu bei, den Ausbau der Windenergie in Deutschland zu beschleunigen.
Beteiligung mehrerer Unternehmen
Insgesamt acht Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verbände sind an „WindGISKI“ beteiligt: Das Institut für Statik und Dynamik der Leibniz Universität Hannover koordiniert das Projekt als Konsortialführer.
Weitere Beteiligte sind das Institut für Integrierte Produktion Hannover, die Nefino, das Institut für Windenergie der Hochschule Bremerhaven (Fk-Wind), der Landesverband Erneuerbare Energien Niedersachsen | Bremen (LEE), die ARSU-Arbeitsgruppe für regionale Struktur-und Umweltforschung, das Institut für Informationsverarbeitung der Leibniz Universität Hannover und die Professur für Organisation & Innovation der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.
Das mit insgesamt zwei Millionen Euro geförderte Verbundprojekt ist am 1. Dezember 2021 gestartet und hat eine Laufzeit von drei Jahren. Gefördert wird es vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) im Förderprogramm KI-Leuchttürme. Projektträger ist die Zukunft–Umwelt–Gesellschaft (ZUG).