Was als Standard bei der Zellkultivierung galt, sollte neu bewertet werden: Die meisten physiologischen Aktivitäten und Funktionen von Zellen werden durch die dort herrschende Sauerstoff-Konzentration reguliert oder moduliert, wie Zellwachstum und -differenzierung, Glykolyse und Angiogenese. Sauerstoff wird von unserem Körper als Metabolit benötigt, in der Form von Reaktiven Sauerstoffspezies (ROS) schadet er allerdings und induziert Zytotoxizität, Apoptose, DNA-Schäden und Immunantworten. Die Sauerstoff-Konzentration in humanen Geweben variiert abhängig davon, wie weit entfernt sich die sogenannten Mikroumgebungen von arteriellem Blut befinden. Dieses Sauerstoff-Defizit wird auch Hypoxie genannt. Oftmals liegt der O 2-Gehalt bei nur etwa 0,5 bis 7 Prozent, sodass die atmosphärische Konzentration mit circa 21 Prozent Sauerstoff für die meisten Gewebe viel zu hoch liegt und äußerst schädlich für die Zellen ist. Während diese wichtigen Begebenheiten bei traditionellen Methoden der Zellkultur außer Acht gelassen werden, bieten neue geschlossene Sicherheitswerkbänke die Möglichkeit zu Zellkulturarbeiten unter hypoxischen Bedingungen für biologisch relevante Ergebnisse.
Sicherheitswerkbank für Zellmanipulationen
Bisherige Zellkulturarbeiten, darunter Mediumwechsel, Zellpassagieren, Transfektion von Zellen oder andere Manipulationen, werden in der Regel in Sicherheitswerkbänken bei atmosphärischem Sauerstoff durchgeführt, während die Inkubation in Standard-Zellkulturgefäßen in einfachen Kohlendioxid-Brutschränken stattfindet. Diese Inkubatoren lassen eine Regulierung des CO 2-Gehalts, der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit zu, die des Sauerstoffs wird aber nicht berücksichtigt. Für Arbeiten unter physiologischen Sauerstoffkonzentrationen wurden verschiedene Lösungen gefunden; z.B. gibt es die Möglichkeit, in kleinem Maßstab Zellen in Modular Sealed Chambers zu kultivieren. Diese fassen nur sehr kleine Mengen an Zellkulturgefäßen und verlieren ihre sauerstoffarme Atmosphäre vollständig, sobald sie zur Entnahme oder Manipulation der Zellen geöffnet werden. Für die Kultivierung von Zellen in größeren Maßstäben stehen Tri-Gas-Inkubatoren zur Verfügung, bei denen neben der CO 2- auch die O 2-Konzentration eingestellt werden kann. Allerdings schwanken Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Gaskonzentration signifikant mit jedem Öffnen der Inkubatortüren. Diese Schwankungen wirken sich bereits negativ auf die Zellkulturen aus, führen zu unbekannten Ergebnissen in der Zellexpression und -morphologie, zumal die Manipulation der Zellen auch hier noch immer bei Luft-Sauerstoff zum Beispiel in Klasse-II-Werkbänken stattfindet.
Zellstress vermeiden
Mit einer Hypoxie-Workstation wurde ein neues Konzept für die Kultivierung von Zellen unter definiert niedrigen Sauerstoffbedingungen geschaffen mit einer Kombination aus begasbarem Inkubator und geschlossener Sicherheitswerkbank. Im Gegensatz zu den bisherigen Standards können Zellen in einer Hypoxie-Workstation in einer völlig abgeschlossenen, kontrollierbaren Kulturumgebung isoliert, optimiert, differenziert und inkubiert werden. Dem Anwender ist es möglich, die interne Umgebung der Workstation zu überwachen und Temperatur, Luftfeuchtigkeit sowie die programmierbare Gaskonzentration von sowohl Sauerstoff als auch Kohlenstoffdioxid zu kontrollieren. Der Zellstress reduziert sich dadurch signifikant. Durch ein integriertes Hepa-Filtersystem ist ein besonderes Merkmal der SCI-tive Workstation steril-filtrierte Luft. Durch diesen Kontaminationsschutz wird eine sterile Zellkulturarbeit möglich. Auch kann der Anwender durch eine extra Hepa-Filtrierung der Abluft in Zusammenhang mit einem besonderen Handschuhsystem bei der Arbeit vor potenziell infektiösem Material geschützt werden. Der Zugang zu den Zellen im inkubierten Arbeitsbereich der SCI-tive Workstation erfolgt sonst mit bloßen oder Labor-behandschuhten Händen über ein einfach zu handhabendes Armstulpensystem mit geringster Störung der Atmosphäre. Zudem werden Medien oder andere Zellkulturutensilien über eine begasbare Schleuse schnell und auf kontrolliertem Wege ein- und ausgeschleust. Beides bedeutet weniger Stress für die Zellen.
Lab in a box als neues Konzept
Mit dem Prinzip des lab in a box ist es möglich, unter in-vivo-Bedingungen normale Zellkulturarbeiten und die einfache Inkubation der Zellen mit Zellanalyse-Experimenten in der Hypoxie-Workstation zu vereinen. Die Platzierung integrierter Mikroskope und Cell-Imaging-Systeme mit digitaler Software direkt in der Hypoxie-Workstation ermöglichen verschiedenste Zellanalysen, Zell-Monitoring und -Tracking, ohne dass die sorgfältig kontrollierte physiologische Atmosphäre gestört wird. Damit bietet die SCI-tive Workstation einen auf verschiedene Weise nutzbaren Laborraum mit kleinem Grundriss, wodurch sich andere Gas-kontrollierte Inkubatoren und Klasse-II-Sicherheitswerkbänke an sich erübrigen. Durch die Arbeit unter in-vivo-Bedingungen mit einer Hypoxie-Workstation werden Zellen wesentlich geringerem oxidativem Stress ausgesetzt und es können physiologisch relevante Ergebnisse erzielt werden. Für Stammzellen ist die Arbeit unter kontrollierten Sauerstoff-Bedingungen essentiell, um sicherzustellen, dass Zelldifferenzierungsprozesse nicht in ungeeigneten Zelltypen resultieren. In der Krebsforschung bekommt die Kontrolle der Sauerstoffkonzentration ebenfalls eine immer größere Bedeutung, da als Resultat des unkontrollierten Wachstums von Tumoren die Sauerstoffversorgung in vielen Tumorregionen signifikant niedriger ist als in gesundem Gewebe. Auch liegt eine starke Beeinflussung von Sauerstoff auf die embryonale Entwicklung vor, sodass zum Beispiel in-vitro-Fertilisation bei drei bis fünf Prozent Sauerstoff stattfinden sollte. In anderen Bereichen wie der Werkstoff- und Polymerkunde oder der Materialforschung, assoziiert mit der Krebsbehandlung und Drug-Delivery-Systemen, bekommt die Arbeit unter kontrolliert niedrigem Sauerstoffgehalt eine immer größer werdende Relevanz. Arbeiten mit einer Hypoxie-Workstation können bessere Ergebnisse erzielen, sie rationalisieren und das Qualitätsmanagement vereinfachen. Darüber hinaus können durch das lab-in-a-box-Konzept andere Geräte wie beispielsweise Inkubatoren und Klasse-II-Sicherheitswerkbänke eingespart werden.