Verborgene Harmonien Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten

Künstlerische Illustration der Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten.

Bild: B. Schröder/HZDR
07.08.2024

Rechenzentren werden schon bald voraussichtlich rund 10 Prozent der weltweiten Energieerzeugung für sich benötigen. Dieser Anstieg ist unter anderem auf die Eigenschaften der verwendeten Speichermaterialien – Ferromagnete – zurückzuführen. Forscher weltweit suchen deshalb nach schnelleren und energiesparenden Materialien. Zu den vielversprechendsten Kandidaten zählen Antiferromagnete. Das Verständnis und die Kontrolle dieser Quantenmaterialien sind der Schlüssel zur Weiterentwicklung zukünftiger Technologien. Ein internationales Forschungsteam berichtet nun über einen großen Schritt nach vorn.

Die Wechselwirkung zwischen Spins und dem Kristallgitter eines Materials ist für spintronische Anwendungen von wesentlicher Bedeutung, da sie den Spin – das magnetische Moment des Elektrons – nutzen, um Informationen in magnetische Bits zu schreiben. In ferromagnetischen Materialien treten diese Spins stark in Wechselwirkung und erzeugen einen als Spinwelle bekannten Welleneffekt, der sich durch das Material ausbreiten kann. Spinwellen sind interessant, weil sie Informationen transportieren können, ohne dabei Elektronen zu bewegen – anders als die elektrischen Ströme in heutigen Computerchips.

Das bedeutet, dass weniger Energieverluste durch Wärme auftreten. Und ebenso wie sich Licht als quantisierte Teilchen, sogenannte Photonen, beschreiben lässt, haben auch Spinwellen ihre eigenen Quasiteilchen, die Magnonen. Schwingen die Atome im Gitter eines Materials gleichmäßig, wird diese Bewegung wiederum durch weitere Quasiteilchen, die als Phononen bezeichnet werden, beschrieben.

Antiparallel ausgerichtete Spins

Die Forschungsarbeiten des Teams konzentrierten sich auf das antiferromagnetische Material Kobaltdifluorid (CoF2), in dem ebenfalls Magnonen und Phononen vorhanden sind, nur dass die Spins antiparallel ausgerichtet sind, was eine tausendmal schnellere Spindynamik als bei herkömmlichen ferromagnetischen Materialien ermöglicht – und womöglich ein schnelleres und energieeffizienteres Lesen und Schreiben von Datenbits. Die Spindynamik selbst haben die Forschenden mittels Licht im Terahertz-Frequenzbereich angeregt.

Vor fast einem Jahrhundert erstmalig bei Kohlendioxid beschrieben, tritt auf atomarer und molekularer Ebene darüber hinaus die sogenannte Fermi-Resonanz auf. Dazu müssen zwei durch die Aufnahme von Wärmeenergie hervorgerufene Schwingungsmoden interagieren, wobei eine die doppelte Frequenz der anderen aufweist.

Das Prinzip der Fermi-Resonanz wurde bisher getrennt entweder auf magnonische oder phononische Systeme ausgeweitet. In dieser Arbeit erreichte das Team jedoch zum ersten Mal eine starke Kopplung zwischen dem Spin und dem Kristallgitter, die eine gegenseitige Energieübertragung zwischen diesen Teilsystemen eines antiferromagnetisch geordneten Materials darstellt.

Magnonen und Phononen im Gleichklang

Nun haben Experimentalphysiker und Theoretiker des Institute for Molecules and Materials (IMM) der Radboud-Universität, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität zu Köln und des Ioffe-Instituts einen neuartigen Energieübertragungskanal zwischen Magnonen und Phononen in einem Antiferromagneten unter der Bedingung der Fermi-Resonanz entdeckt.

Dies könnte in Zukunft die Kontrolle solcher antiferromagnetischen Systeme im Hinblick auf eine schnellere und energieeffizientere Datenspeicherung ermöglichen. Die Forschenden nutzten den intensiven beschleunigerbasierten Terahertz-Laser am ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlungsquellen des HZDR, um die antiferromagnetische Spinresonanz gezielt anzuregen.

Durch ein mehrere Tesla starkes externes Magnetfeld konnten sie die Resonanzfrequenz gezielt verändern. Diese Konfiguration ermöglichte es ihnen, die Spinresonanz- mit den Gitterschwingungsfrequenzen unter der Bedingung der Fermi-Resonanz abzustimmen.

Prozess kontrollieren durch Abstimmen der Frequenzen

Das Team stieß dabei auf ein neues Regime der gekoppelten Magnon-Phonon-Dynamik, das einen Energieaustausch zwischen diesen beiden Teilsystemen unter den Bedingungen der Fermi-Resonanz ermöglicht. Durch Abstimmung der Frequenzen der Magnonen lässt sich dieser Prozess kontrollieren und insbesondere die Magnon-Phonon-Kopplung verstärken.

Dieses neue Regime ist als Verbreiterung der Phononenspektren und einer asymmetrischen Umverteilung des spektralen Gewichts der Phononen beobachtbar. Letztlich deuten die Ergebnisse auf einen hybridisierten Zwei-Magnonen-ein-Phonon-Zustand hin. Die Arbeit könnte sich für jene Bereiche der Magnonik und Phononik als wichtig erweisen, in denen die kohärente Energiekontrolle eine zentrale Rolle spielt.

Innovative Funktionalitäten in der zukünftigen Datenspeicherung

Die Forschungsergebnisse zeigen einen Weg auf, wie die Spin-Gitter-Kopplung antiferromagnetischer Materialien gezielt beeinflusst werden kann. Das ermöglicht erstens eine beträchtliche Ausweitung der herkömmlichen Betriebsfrequenzen ferromagnetischer Materialien vom Gigahertz- bis in den Terahertz-Bereich. Zweitens könnte dies die Effizienz des magnetischen Schreibvorgangs erheblich verbessern und den Gesamtenergieverbrauch erheblich senken.

Die Ergebnisse bieten daher eine innovative Möglichkeit, die Dynamik von Antiferromagneten zu kontrollieren, was zu konzeptionell neuen Datenspeichertechnologien auf der Grundlage solcher Materialien führen kann. In zukünftigen Studien will das Forschungsteam untersuchen, ob die Bedingung der Fermi-Resonanz auf die Kontrolle anderer neuartiger Quantenmaterialien ausgeweitet werden kann, was zu Fortschritten in der Materialwissenschaft und Quantentechnologie führen könnte.

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