Die Elektrifizierung von Fahrzeugkomponenten wird als einer der möglichen Ansätze gesehen, die künftigen Verbrauchs- und CO 2-Reglementierungen der Gesetzgeber zu erfüllen. Elektrische Komponenten können zielgerichteter und damit effizienter betrieben werden. Allerdings stellt das traditionelle 14-Volt-Niederspannungsnetz eine Limitierung für eine weitere Elektrifizierung im Fahrzeug dar.
Elektrische Energieversorgung
Durch die Zunahme elektrischer Komponenten im Fahrzeug steigt der Bedarf an elektrischer Leistung. Die resultierende hohe Belastung des 14-V-Bordnetzes, etwa in kritischen Fahrsituationen, kann dazu führen, dass die Betriebsspannung der Steuergeräte eine kritische Schwelle überschreitet und ein Fehlverhalten bis hin zum Neustart ausgelöst wird. Daher wird seit mittlerweile 15 Jahren die Einführung einer zweiten Spannungsebene (giespeicher betrieben werden und dadurch kurzfristig auftretende Leistungsspitzen nicht das 14-V-Netz belasten.
Lösungsvielfalt bei Bordnetzkomponenten
Der erhöhte durchschnittliche Energiebedarf im Fahrzeugbordnetz kann durch leistungsfähigere Generatoren beziehungsweise größere Energiespeicher abgedeckt werden. Die hohen transienten Lasten stellen die wirkliche Herausforderung dar. Für dieses Problem existieren verschiedene Lösungsmöglichkeiten:
�?� Redundante Energiespeicher für sicherheitsrelevante Fahrzeugsysteme mit hoher transienter Leistungsaufnahme: Im normalen Fahrzeugbetrieb ist der zusätzliche Energiespeicher vom Bordnetz entkoppelt, er dient daher nur als Backup für die Hauptenergieversorgung.
�?� Dezentrale Leistungsmodule zur lokalen Stromversorgung (Insellösung): Dem elektrischen Verbraucher wird lokal Leistung zur Verfügung gestellt, wodurch Spannungsspitzen im Bordnetz geglättet werden. Ein Leistungsmodul besteht in der Regel aus einem Doppelschichtkondensator (EDLC), einem bidirektionalen DC/DC-Wandler und einem Steuergerät. Durch die Entkoppelung transienter Hochleistungsverbraucher (etwa elektrisch angetriebene Servolenkung) kann eine stabile Stromversorgung sichergestellt werden. Aufgrund der relativ hohen Kosten von EDLC könnte auch eine Hochleistungsbatterie eingesetzt werden. Die Insellösungen stellen eine kostengünstige Lösung für kleinere Fahrzeuge (Segment B und C) dar und werden mittelfristig eine wichtige Rolle in der Entwicklung spielen.
�?� Zweite Spannungsebene: Die Einführung einer zweiten Spannungsebene (zum Beispiel 48 V [1]) ermöglicht es - im Gegensatz zur Insellösung - auch Hochenergieverbraucher, wie Antriebsstrangkomponenten für Mild-Hybridfahrzeuge [2], über lange Zeit betreiben zu können. Bordnetze mit einer zweiten Spannungsebene sind zwar wesentlich komplizierter, gleichzeitig aber auch leistungsfähiger und ermöglichen eine erweiterte Elektrifizierung.
Co-Simulation und Modellbibliothek
Die steigende Komplexität moderner mechatronischer Systeme erfordert die Einführung eines Systemsimulationsansatzes im modellbasierten Entwicklungsprozess. Es genügt nicht mehr, eine Komponente aus der Sicht des zuständigen Fachbereichs darzustellen. Stattdessen müssen komplexe Interaktionen, Lastfälle oder Randbedingungen aus unterschiedlichsten Domänen im Entwicklungsprozess berücksichtigt werden. Das Kompetenzzentrum „Virtual Vehicle“ in Graz beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Thema Co-Simulation, der „gekoppelten Simulation“. Die entwickelten Methoden und Werkzeuge wurden in der Co-Simulationsplattform Icos umgesetzt, bei der jedes Teilsystem unabhängig modelliert werden kann. Icos verbindet dabei die Simulationswerkzeuge beziehungsweise die Modelle (und damit die virtuelle Darstellung der Komponenten) aus den unterschiedlichen Disziplinen. Dabei werden komplexe Aufgaben wie Datenaustausch, Synchronisation, Extrapolation oder zentral die Fernsteuerung der Simulationstools ausgeführt. In der Abbildung oben ist ein Entwicklungsframework für die Bordnetzentwicklung basierend auf Co-Simulation und Modellbibliothek dargestellt. Es stellt dem Entwickler einen „virtueller Prototyp“ des Gesamtsystems zur Verfügung, der die für ihn relevanten dynamischen Effekte darstellt. Die Simulationsmodelle für Fahrzeugkomponenten und Randbedingungen sind in einer zentralen Modellbibliothek (Datenbank) abgelegt und werden direkt von der Co-Simulationssoftware aufgerufen. Die Definition der Bordnetztopologie und -architektur sowie die Dimensionierung der relevanten Bauteile (Generator, Batterie) erfolgt auf einem ganzheitlichen Ansatz, der die Simulation aller relevanten Effekte aus verschiedenen Bereichen berücksichtigt.
Bordnetzanalyse in der Fahrdynamikregelung
Als ein praktisches Beispiel für die Stabilitätsuntersuchung des Bordnetzes soll hier die Simulation einer Kurvenfahrt für ein Fahrzeug mit elektromechanischer Lenkung (Electric Power Steering, EPS, 1,4 kW Spitzenleistung) und Fahrdynamikregelsystem (Vehicle Dynamics Control, VDC, 1 kW) gezeigt werden. Beide Systeme sind sicherheitsrelevant und erfordern eine bestimmte Mindestspannung bei der Aktivierung, was durch ein leistungsfähiges Bordnetz sichergestellt werden muss.Im virtuellen Prototypenfahrzeug (s. Seite 25) koppelt der Generator das Bordnetz mit dem Gesamtfahrzeug und fungiert als Spannungsquelle. Ein Bleiakku dient als Energiespeicher, typische elektrische Verbraucher sind vorgesehen. Das gesamte Simulationsmodell besteht somit aus:
�?� der fahrdynamischen Abbildung des Fahrzeugs
�?� dem elektrischen Bordnetz
�?� relevanten Subsystemen mit elektrischen Aktuatoren
Die Simulationsergebnisse für den gewählten Testfall (Abbildung Seite 27), zeigen, dass die hohe transiente Leistungsanforderung durch dezentrale Leistungsmodule erfüllt werden kann. Der Ladezustand des Doppelschichtkondensators sinkt nach entsprechender Systemaktivierung ab. Durch eine geeignete Strategie zum Wiederaufladen des EDLC muss eine ausreichende Verfügbarkeit der Systemfunktion sichergestellt werden. Gleichzeitig muss eine übermäßige Belastung des 14-V-Bordnetzes vermieden werden. Die Ableitung der Strategie ist somit eine Optimierungsaufgabe, die eine ganzheitliche Betrachtung des Gesamtsystems zwingend voraussetzt.
Elektrifizierung des Bordnetzes essenziell
Die Einführung weiterer Niederspannungsebenen im Fahrzeug wird zu einer weiteren Elektrifizierung traditionell mechanischer Komponenten führen. Die gesamtheitliche Betrachtung des Systems „Fahrzeug“ und aller seiner Komponenten mittels Co-Simulation macht die Komplexität in der Entwicklung von zukünftigen Bordnetzen beherrschbar. Der deutlich erhöhte Gestaltungsspielraum dank mehr Spannungsebenen im Fahrzeug unterstützt die Forderung nach energieoptimaler Nutzung und Senkung der CO 2-Emissionen für Pkw, erfordert aber auch eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den an der Entwicklung beteiligten Fachabteilungen.
Weitere Informationen
[1] Dörsam, T.; Kehl, S.; Klinkig, A.; Radon, A.; Sirch, O.: Die neue Spannungsebene 48 V im Kraftfahrzeug. In: ATZelektronik 7 (2012), Nr. 1, S. 20 - 25
[2] Picron, V.; Fournigault, D.; Baudesson, P.; Armiroli, P.: Kostengünstiges Hybridsystem mit 48-V-Bordnetz. In: ATZ 114 (2012), Nr. 10, S. 802 - 807