Einheitliche Messgröße Neues Tool misst tatsächliche Leistung von Quantencomputern

Die reale Leistung von Quantensystemen bestimmen? Mit einem anwendungsnahen Tool soll es möglich sein.

Bild: iStock, Yuuji
07.12.2020

Der sogenannte Q-score ist die erste universelle Metrik für Quantencomputer, die auf allen programmierbaren Quantenprozessoren anwendbar ist. Das Tool misst die tatsächliche Effektivität eines Quantensystems in der Praxis, statt einfach nur die theoretische Leistung zu betrachten.

Heute ist die Anzahl der Qubits, der Recheneinheit von Quantencomputern, die gebräuchlichste Kennzahl, um die Leistung eines Quantensystems zu bewerten. Qubits sind jedoch flüchtig und unterscheiden sich in ihrer Qualität (etwa hinsichtlich Geschwindigkeit, Stabilität oder Konnektivität) von Technologie zu Technologie stark. Als Vergleichswerkzeug sind sie daher ungeeignet.

„Wenn Organisationen in Quantencomputing investieren wollen, benötigen sie eine zuverlässige Metrik, um den für sie effizientesten Weg zu wählen“, sagt Elie Girard, CEO von Atos. „Da der Q-score hardwareunabhängig ist, ist er eine objektive, einfache, faire und vor allem verlässliche Messgröße.“

Der Q-score konzentriert sich statt auf die theoretische Leistung auf die Fähigkeit von Quantensystemen, bekannte Rechenprobleme zu lösen, an denen herkömmliche Computer scheitern. Dadurch misst er die tatsächliche Leistung von Quantenprozessoren bei der Lösung eines konkreten Optimierungsproblems.

Um einen Bezugsrahmen zum Vergleich von Leistungsbewertungen zu bieten, wird sich dabei auf ein kombinatorisches Standard-Optimierungsproblem gestützt, das für alle Bewertungen gleich ist. Hierbei handelt es um das Max-Cut-Problem, das dem bekannten Travelling-Salesman-Problem (TSP) ähnelt.

Q-score anhand des TSP-Problems

Die Problemstellung des Travelling-Salesman-Problems stellt sich wie folgt dar: Ein Reisender muss eine Anzahl von n Städten in einem Rundkurs besuchen, wobei die Entfernungen zwischen allen Städten bekannt sind und jede Stadt nur einmal besucht werden sollte. Was ist die absolut kürzeste mögliche Route, sodass er jede Stadt genau einmal besucht und in die Ausgangsstadt zurückkehrt?

Dieses scheinbar einfache Problem wird recht komplex, wenn es darum geht, eine definitive, perfekte Antwort unter Berücksichtigung einer zunehmenden Anzahl von n Variablen zu geben. Das Max-Cut-Problem hingegen ist ein allgemeineres Problem mit einer breiten Palette von Anwendungen, zum Beispiel bei der Optimierung von elektronischen Platinen oder der Positionierung von 5G-Antennen.

Der Q-score wird dann auf Grundlage der maximalen Anzahl an Variablen innerhalb eines solchen Problems berechnet, die eine Quantentechnologie optimieren kann. So entsprechen zum Beispiel 23 Variablen gleich 23 Q-score oder Qs.

Atos will in Zukunft jedes Jahr eine Liste der leistungsfähigsten Quantenprozessoren der Welt herausbringen, basierend auf deren Q-score. Der erste Bericht ist für 2021 geplant. Das Unternehmen bietet hierzu im ersten Quartal ein kostenloses Software-Kit an, mit dem sich der Q-score auf jedem Prozessor ausführen lässt. Hersteller sind dazu eingeladen, das Tool auf ihrer Technologie laufen zu lassen und ihre Ergebnisse zu veröffentlichen.

Messungen bei aktuellen Quantenprozessoren

Mithilfe der Quantum Learning Machine (QLM), eines leistungsstarken Quantensimulators, hat Atos Q-score-Schätzungen für verschiedene Plattformen berechnet. Diese Schätzungen berücksichtigen die Eigenschaften, die die Hersteller öffentlich zur Verfügung stellen.

Bei aktuellen Quantum Processing Units (QPUs) bewegen sich die Ergebnisse um einen Q-score von 15 Qs. Vor einem Jahr lag der geschätzte durchschnittliche Q-score noch im Bereich von 10 Qs, für ein Jahr in die Zukunft erwartet Atos einen durchschnittlichen Q-score von über 20 Qs. Die weltweit leistungsstärksten Hochleistungsrechner (Exascale-HPCs), die bald auf den Markt kommen sollen, könnten laut dem Unternehmen einen äquivalenten Q-score von fast 60 erreichen.

Der Q-score lässt sich für QPUs mit mehr als 200 Qbits messen. Er ist vom Atos Quantum Advisory Board, einer Gruppe internationaler Experten, Mathematiker und Physiker, am 4. Dezember 2020 auf einer Tagung überprüft worden.

„Die Einführung des Q-score ist ein wichtiger innovativer Schritt für Atos“, sagt Bob Sorensen, Senior Vice President of Research, Chef-Analyst für Quantencomputing bei Hyperion Research. Er biete der Quantencomputing-Community eine Möglichkeit, Fortschritte besser zu beurteilen – und das anhand von „Anwendungsfällen aus dem wirklichen Leben“.

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