Fachbeitrag Qualität im Stadtquartier sichern

04.02.2014

Für 60 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes sind Städte verantwortlich. Das macht eine nachhaltige Stadtentwicklung mit konkreter Planung, Finanzierung und einem funktionierenden Management unabdingbar. Zertifikate garantieren hohe Werthaltung für ganze Stadtquartiere.

Von nachhaltigen Quartieren profitieren alle – Mieter, Vermieter sowie Investoren, Kommunen, Bürger und Bewohner. Doch während für den Mieter hoher Komfort zu geringen Kosten nachhaltig erscheint, sieht das der Vermieter etwas anders. Er soll teure energetische Sanierungen durchführen, und der Mieter profitiert von den dadurch erzeugten geringen Nebenkosten. Abgesehen von diesen finanziellen Aspekten in der Realisierung gilt es aber noch immer inhaltliche Kontroversen auszugleichen.

Nachhaltige Quartiere sind für den einen lebenswerte Orte mit guter sozia­ler Durchmischung, generationenübergreifenden Einrichtungen und familienfreundlichem Umfeld, während andere darunter Hightech-Siedlungen im Passivhausstandard mit dem Elektroauto in der Garage verstehen, das über die eigene Photovoltaikanlage am Dach des vollautomatisierten und per Smartphone steuerbaren Eigenheimes gespeist wird. Dabei betrachtet jeder eben nur den für ihn relevanten Teil der Nachhaltigkeit. Echte Nachhaltigkeit erfordert aber den Blick auf das Ganze.

Den hohen Stellenwert nachhaltiger Stadtquartiere zeigt eine repräsentative Umfrage des Forschungsunternehmens One Poll bei über 2000 Personen: Rund 20  Prozent der Mieter sind bereit, bis zu zehn Prozent mehr Miete für ein nachhaltiges Quartier zu bezahlen.

Kriterien für Stadtquartiere

Allen Zertifizierungssystemen ge­mein ist die Erweiterung der Gebäude­kriterien auf zusätzliche Themenfelder, die weit über das Gebäude hinausgehen. Von großem Gewicht ist bereits die Wahl des Standorts, was die Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) unter „Flächeninanspruchnahme“ er­fasst. Bewertet wird grundsätzlich die Gesamtbilanz und die Auswirkung auf das Quartier. Infrastruktur und Lage sind ebenso zentrale Nachhaltigkeitsfaktoren. Ein gut ausgebautes Netz öffentlicher Verkehrsmittel beispielsweise beeinflusst den CO2-Ausstoß positiv und erhöht die Attraktivität des Quartiers. Lebenszykluskosten sind der zentrale wirtschaftliche Aspekt. In diesem Zusammenhang wird bei Stadtquartieren neben der Projektentwicklersicht zusätzlich die kommunale Perspektive mit Infrastrukturfolgekosten und Steuer­einnahmenpotenzial sowie Kaufkraft­steigerung herangezogen.

Weitere ökonomische Faktoren sind Wertstabilität und eine flächeneffiziente Planung. Zudem sind verschiedene Bereiche der Landschaftsplanung zu berücksichtigen. Dem Schutz der Artenvielfalt muss auch inmitten von Städten Rechnung getragen werden. Hier zeigt sich, dass die Kriterien oft gegensätzlich sind: So steht der Grünflächenanteil im direkten Widerspruch zur Flächeneffizienz. Darüber hinaus nimmt die Ressourcenschonung einen zentralen Stellen­wert ein. Aber nicht alle Zertifizierungssysteme für Stadtquartiere berufen sich wie das deutsche System DGNB-NSQ auf die wissenschaftlich anerkannten drei Säulen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie und Soziokulturelles.

In den meisten Systemen findet die Zertifizierung in drei Schritten statt: von der ersten Rahmenplanung über die Erschließung bis hin zur Erstellung des Baus. Inzwischen sind Projekte aus Deutschland, Luxemburg, Dänemark und der Schweiz als „DGNB-Stadtquartier“ zertifiziert. Weitere Projekte in europäischen und asiatischen Ländern, wie in der Mongolei, sind in der Vorbereitung. Darunter sowohl Projekte von Investoren als auch Kommunen, wie beispielsweise das geplante Stadtquartier Neckarbogen in Heilbronn als voraus­gedachte Nachnutzung des Gartenschau­geländes der Bundesgartenschau 2019. Mit der DGNB-Stadtquartierszertifizierung wird das Projekt langfristig und gezielt einer nachhaltigen Wertsteigerung zugeführt.

Die Komplexität von Stadtentwicklungen erfordert weitreichendes Expertenwissen im Bereich der Stadtplanung seitens der Auditoren. Es hat sich herausgestellt, dass der Auditor auf ein interdisziplinäres Team zurückgreifen können muss, um die zahlreichen Nachweise zu erbringen. Vorrauschende Planung und Durchhaltevermögen sind bei diesen Projekten mit oft 20 Jahren Laufzeit deutlich stärker gefragt als das bisher bei Immobilienzertifizierungsprozessen der Fall ist.

Basis für Green Buildings

Ein sogenanntes Green City Development Management, das eine fachkundige Begleitung während des gesamten Prozesses beinhaltet, sollte gerade wegen der langen Laufzeiten von Quartiersentwicklungen von Anfang an installiert sein. Die größten Stellhebel ergeben sich dabei während der Planungsphase. Werden Wechselwirkungen zwischen einzelnen Faktoren rechtzeitig erkannt, lassen sich spätere und kostenintensive Nachbesserungen vermeiden. Zudem kann ein Green-City-Development-Management-Team von Anfang an die DGNB-konforme Dokumentation übernehmen und so den Mehraufwand am Ende des Zertifizierungsprozesses auf ein Minimum reduzieren. Die Experten unterstützen auch in den Ausschreibungen und helfen so, Nachträge zu vermeiden.

Soweit Zertifizierung nicht nur als Labeling verstanden wird, sondern Mehrwerte generieren soll, ist es unabdingbar, diesen Schritt in die Nutzungsphase ohne Wissensverlust zu heben. Insgesamt liefert ein zertifiziertes Stadtquartier die Basis für nachhaltige Hochbauten, und so sind damit bereits bis zu 20 Prozent der für eine DGNB-Gebäude-Zertifizierung erforderlichen Punkte erreicht. Quartierszertifikate haben folglich sehr großes Potenzial ein gutes Qualitätssicherungsinstrument zu sein, allerdings führt dies besonders in der Anfangsphase zu Mehrkosten in Planung und Organisation.

Die Frage ob Quartierszertifikate also eher Greenwashing oder Qualitätssicherung sind, stellt sich daher eigentlich nicht. Vielmehr richtet sich an Quartiersentwickler und Anwender die Frage, ob sie dieses wissenschaftlich fundierte Instrument in der ganzen Breite und Tiefe auch nutzen – oder am Ende doch nur auf die Medaillenfarbe schauen.

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  • Mehrwert: Nachhaltiges Quartier als Basis für Green Buildings

    Mehrwert: Nachhaltiges Quartier als Basis für Green Buildings

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