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Mergers & Acquisitions Quarterly Transaktionsgeschehen in der Industrieautomatisierung

Das Jahr 2023 kann ein guter Investitionszeitraum für strategische Investoren und Industrieholdings sein, sofern diese eine klare M&A-Strategie verfolgen.

04.04.2023

Wer kauft wen, warum und für wie viel? Wie entwickelt sich die Industriestruktur? Konsolidiert sich der Markt? Steht eine Übernahmewelle bevor? Wann ist ein guter Zukauf- oder Verkaufszeitpunkt? Wer steigt in den Markt ein? Diese Fragen beantworten wir im ersten M&A Quarterly für die Industrieautomatisierung.

Vierteljährlich werden wir einen M&A Quarterly zur Industrieautomatisierung veröffentlichen. Wir bei Aquin sind seit über zehn Jahren in der Industrieautomatisierung aktiv, haben viele Projekte erfolgreich durchgeführt und tausende von Transaktionen getrackt. Der quartalsweise erscheinende M&A Quarterly hat folgende Bausteine: Wir analysieren und interpretieren zunächst die Bewertungen der wichtigsten börsennotierten Unternehmen der Industrieautomatisierung, aufgegliedert in unseren hauseigenen synthetischen Automation-Index sowie die Entwicklung der EBITDA-Multiples im Vergleich zur Entwicklung des Gesamtmarktes. Dann zeigen wir die aktuellen Statistiken zum laufenden M&A-Geschehen in der DACH-Region und geben einen Ausblick auf das laufende Jahr 2023.

Um einen synthetischen Index für die Industrieautomatisierung zu erstellen (siehe Abbildung 1), haben wir zunächst eine Vergleichsgruppe börsennotierter Unternehmen identifiziert (über 40 Unternehmen, beispielsweise TE Connectivity, Infineon, Analog Devices, Rockwell Automation, Dürr, Teradyne, Eaton, Keysight, Schneider Electric, ABB, Siemens, Eaton, Emerson). Zur Berücksichtigung der Größe der Einzelwerte innerhalb unserer Peer Group haben wir einen anhand der Marktkapitalisierung gewichteten Preis-Index nach Paasche aufgestellt. Um Vergleiche mit dem allgemeinen Markt ziehen zu können, haben wir zudem den sehr breiten MSCI World Index sowie den Technologie-Index NASDAQ Composite herangezogen. Um einen einfachen visuellen Vergleich zwischen den Indizes zu ermöglichen, haben wir alle Werte auf einen gemeinsamen Startwert von 100 am 1. Januar 2020 normiert.

Industrieautomation auf Rekordhoch

Es ist zu beobachten, dass nach dem überstandenen Pandemie-Schock im Frühjahr 2020 der Aktienmarkt weltweit gestiegen ist und knapp zwei Jahre später ein Rekordhoch erreichte. Seitdem haben jedoch Lieferkettenprobleme, Inflation und Rezessionsängste sowie der Krieg in der Ukraine die allgemeine Marktstimmung, insbesondere seit Anfang 2022, deutlich getrübt. Unternehmen im Bereich Industrieautomatisierung konnten sich jedoch behaupten, denn diese outperformen seit circa Mitte 2021 den MSCI World und konnten seit letztem Herbst sogar den NASDAQ Composite hinter sich lassen. Aquins synthetischer Industrial Automation Index hat seit Januar 2020 um satte 44 Prozent zugenommen und steht nur wenige Punkte unterhalb seines Rekordhochs.

Steigende Zinsen bremsen

Zur Darstellung der Entwicklung eines EV/EBITDA-Multiples für die Industrieautomatisierung (siehe Abbildung 2) definieren wir einen Median-Multiple der Peer Group beziehungsweise des o.g. Indexes basierend auf aktuellen Aktienkursen und Finanzzahlen des jeweils letztverfügbaren Stichtags je Unternehmen. Im Rahmen unserer Analyse haben wir herausgefunden, dass die Unternehmen in unserer Peer-Group in der Regel höhere Bewertungen aufweisen als jene im DAX. Im Vergleich zu den im NASDAQ 100 gelisteten Unternehmen sind sie jedoch in der Regel etwas niedriger bewertet. Vor und bis zum Erreichen des Allzeithochs an der Börse zeigte sowohl unsere Peer Group als auch der Vergleichsindex NASDAQ 100 einen sehr hohen EV/EBITDA-Multiple.

Derzeit bewegen sich die Bewertungen der Unternehmen innerhalb unserer Peer Group auf einem ähnlichen Niveau wie vor Pandemiebeginn, allerdings deutlich niedriger als im Jahr 2021. Seit Mitte 2022 hat sich der EV/EBITDA Multiple auf ein Niveau von 15 x eingependelt. Damit verhalten sich die Börsenmultiples ähnlich wie die Bewertungsmultiples bei M&A-Transaktionen, die zuletzt ebenfalls zurückgegangen waren, wenn jedoch auch nicht ganz so stark. Ursächlich für den Rückgang dürften die steigenden Zinsen sein, die kreditfinanzierte Übernahmen verteuert bzw. den Diskontierungs-Zinssatz in Bewertungsmodellen erhöht, was den Zeitwert der zukünftigen Gewinne schmälert.

Unter der Bedingung, dass das von einer Transaktion betroffene Target seinen Sitz in der DACH-Region hat, haben wir im abgelaufenen Jahr insgesamt 116 Transaktionen in der Industrieautomatisierung registriert. Davon waren circa 67 Prozent grenzüberschreitend. Mehr als 78 Prozent der Käufer waren dabei strategische Investoren.

2023 guter Investitionszeitraum

Wir denken, dass das Jahr 2023 ein guter Investitionszeitraum für strategische Investoren und Industrieholdings ist, sofern diese eine klare M&A-Strategie verfolgen, mit dafür verfügbarer Liquidität ausgestattet sind und so die fallenden Kaufpreise nutzen können. Gleichzeitig geht damit ein weiterer Rückgang von Carve-outs einher. Im Kontext von weniger „billig“ verfügbarem Geld dürfte der Investitionsdruck von Seiten der Finanzinvestoren etwas nachlassen, wenngleich attraktive Unternehmen mit starker technologischer Differenzierung nach wie vor hochattraktiv sein dürften, so dass kein „Ausverkauf“ zu erwarten ist. Finanzinvestoren bauen nach dem sogenannten Buy&Build-Ansatz nach wie vor umfangreiche Portfolios in der Industrieautomatisierung auf. Tatsächlich betreffen circa 2/3 der Transaktionen von Finanzinvestoren Add-ons.

Transformationsbedarf nimmt weiter zu

Wie viele Transaktionen für 2023 insgesamt zu erwarten sind, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch kaum abschätzen und das nicht nur wegen den übergreifenden Faktoren wie dem andauernden Krieg in der Ukraine, den Unsicherheiten in Bezug auf das Weltwirtschaftswachstum oder der Inflationsentwicklung. Üblicherweise führen rückläufige Aktienkurse dazu, dass freies Kapital der Strategen in Richtung Aktienrückkäufe investiert wird statt in Richtung Fusionen und Übernahmen. Sofern sich die Rahmenbedingungen jedoch nur unwesentlich ändern, nehmen wir den Markttenor als positiv wahr: Das Bewusstsein für M&A steigt in den Vorstandsetagen sowie in kleineren und mittleren Unternehmen, die eine Transformation vom Komponentenlieferanten hin zu Lösungsanbietern entwickeln müssen. Intelligente Software (inkl. AI-Features) wird weithin als Schlüssel für profitables Wachstum anerkannt. Beispielsweise sehen sich Sensorhersteller nach wie vor mit der breit gestellten Frage konfrontiert, wie die schier unendliche Fülle von gemessenen Daten ihrer Sensoren denn auch ausgewertet werden kann. Der Transformationsbedarf in der Automatisierung nimmt also weiter Fahrt auf und hat auch in den vergangenen Monaten die Entscheider zu vielen M&A-Aktivitäten veranlasst.

Bildergalerie

  • Abbildung 1: Aquins synthetischer Industrial Automation Index

    Abbildung 1: Aquins synthetischer Industrial Automation Index

    Bild: Aquin

  • Abbildung 2: EV/EBITDA-Multiples börsennotierter Unternehmen

    Abbildung 2: EV/EBITDA-Multiples börsennotierter Unternehmen

    Bild: Aquin

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