Moderne Züge sind mit immer komplexeren Embedded-Systemen ausgestattet, die die an Bord befindliche Elektronik steuern und überwachen, die Zuverlässigkeit sowie Sicherheit und den Fahrkomfort erhöhen und immer neue Funktionen bereitstellen. Um all diese Funktionen zu erfüllen, müssen Zugbetreiber und -integratoren eine Vielzahl verschiedener Systeme innerhalb eines Zuges installieren und warten. Die Herausforderungen dabei folgen auf dem Fuße: Immense Mengen an Daten, benötigte Leistung, physikalischer Platz in Kombination mit rauen Umweltanforderungen, höchste Systemzuverlässigkeit und strenge Marktregulierungen.
Virtualisierung ist dabei ein Ansatz, der in der IT schon lange bewährt ist, in mobilen Märkten aber noch nie notwendig war. Dabei spart dieser Ansatz Platz, garantiert Langzeitverfügbarkeit durch unabhängige Hardware und zahlt sich nach der Entwicklung der Abstraktionsschicht und bei entsprechend großem Funktionsumfang auch wirklich aus.
Vorteile von Virtualisierung
Viele Anwendungen in Zügen laufen parallel ab, müssen oftmals echtzeitfähig sein und beeinflussen die Sicherheit und den Fahrkomfort des Zuges. Einige Beispiele für die vielfältigen Einsatzgebiete sind:
Kommunikationssysteme
Bremskontrolle und Signaltechnik
Passagier-Informations-Systeme (PIS) und Unterhaltungssysteme
Wireless Access Points (WAP) für Internet im Zug
Video-Überwachungs-Systeme
Diagnose- und Wartungssysteme
Elektronische Fahrkartenausgabe
Um jede dieser Anwendungen auf einem dedizierten System laufen zu lassen, wird jedes Mal Platz, Strom, Montage, Verkabelung und Schutz vor Datenangriffen nötig. Auch im laufenden Betrieb bedeutet das mehr Wartungsaufwand für unterschiedliche Systeme, die schlimmstenfalls auf unterschiedlichen Architekturen basieren. Ein wahrer Alptraum für die IT-Integratoren, der oft im Austausch kompletter Einheiten, anstatt einzelner Komponenten, endet.
Durch die Virtualisierung und der Abstraktionsschicht zwischen Hard- und Software kann die Betriebslast vieler Anwendungen auf einer geringeren Anzahl physikalischer Systeme zusammengefasst werden. Kurzum: Mehrere Anwendungen teilen sich in unterschiedlicher Auslastung eine Hardware-Plattform und sparen damit Equipment-, Energie- und Verwaltungskosten. Weitere Vorteile der Virtualisierung sind:
Verbesserte Nutzbarkeit von Rechenressourcen im Vergleich zu mehreren Systemen, die nur einen Bruchteil ihrer Kapazität benötigen
Nur eine Hardwareplattform muss verwaltet und abgesichert werden
Erleichterte und kostengünstigere Upgrades, da nicht das komplette System ausgetauscht werden muss
Möglichkeit, kritische Funktionen von weniger kritischen zu separieren
Weniger komplexe und kostengünstigere Implementierung von redundanten Systemen
Konsolidierungsplattform für Züge
Embedded-Systeme in Zügen müssen umfangreiche und spezielle Anforderungen erfüllen, die weit anspruchsvoller sind als für General-Purpose-Anwendungen in einer IT-Umgebung. Lösungen für die Virtualisierung müssen sicherstellen, dass die benötigten Funktionen auf fest zugewiesene Ressourcen zugreifen können, ohne dabei in Wettbewerb mit Rechen-, Speicher- und Netzwerk-Ressourcen zu gehen. Zusätzlich spielt in letzter Zeit auch die Datensicherheit in Zügen, also Security, eine immer größere Rolle. Und natürlich sind die Umgebungsbedingungen im fahrenden Zug völlig andere, als die eines geschützten Serverraums. Die Systeme müssen Schock und Vibration widerstehen, starke Temperaturschwankungen und in diesem Zusammenhang auch Kondensationsfeuchtigkeit aushalten. Gleichzeitig ist das Platzangebot beschränkt, was sich auch auf die Möglichkeiten zur Kühlung der Systeme also der größtmöglichen Verlustleistung auswirkt.
Robust und zuverlässig
Die Kombination aus Virtualisierung und Eignung für den Bahnbereich kann mit der steigenden Zahl an Funktionen im Zug eine lohnenswerte Alternative zu verschiedenen Einzelsystemen sein. Beispielsweise innerhalb eines Rail-Data-Centers können sämtliche Funktionen eines Zuges mit nur einem System angesteuert werden, was nicht nur bei Updates auf schnellere Prozessorplattformen oder Speichermedien Zeit und Kosten spart. Die passende, derzeit noch einzigartige, Hardware liefert dazu nun MEN Mikro Elektronik mit einem robusten CompactPCI-Serial-SBC, der mit einem Intel-Xeon-D-Prozessor bestückt ist.
Seine Robustheit zeichnet sich beispielsweise durch ausschließlich fest verlötete Komponenten, der Vorbereitung zum Lackieren gegen Feuchte und Staub, einem erweiterten Temperaturbereich und der Möglichkeit zur Einbettung in einen massiven Conduction-Cooling-Rahmen aus und entspricht den Anforderungen des Bahnstandards EN 50155. Die vom Prozessor unterstützte Hardware-Virtualisierung, PCIe 3.0 auf der Backplane und zweimal 10-GBit-Ethernet an der Front bieten die nötigen Grundvoraussetzungen für die Abstraktion der Software von der Hardware und eine schnelle Datenübertragung. Die Entwicklung des für die Virtualisierung erforderlichen Hypervisors bleibt dabei Aufgabe des Kunden.
Damit bietet der SBC eine flexible Plattform für verschiedene sicherheitskritische Aufgaben oder für die Systemüberwachung, Videoüberwachung, Passagier-Infotainment oder der Daten- und Audioübertragung innerhalb eines Zuges und Kommunikation mit Wayside-Equipment oder dem Control-Center.
Durch den CompactPCI-Serial-Standard, der über die Backplane ein voll vermaschtes Ethernet-Netz bietet und die vielfältigen I/O-Möglichkeiten innerhalb eines Systems, können typische Network-Attached-Storage-Systeme (NAS), RAIDs oder Internet-Access-Systeme einfach realisiert werden. Dabei können durch die Virtualisierung nun auch mehrere Funktionsblöcke innerhalb eines Systems verbaut werden, die jeweils von einer CPU-Karte angesteuert werden. So könnte beispielsweise ein Funktionsblock aus einem PIS, einem elektronischen Ticketing-System und der Türkontrolle bestehen, ein weiterer Block als Video-Recorder und Internet-Access-System mit Fahrzeug-zu-Land-Kommunikation dienen und sich jeweils die dazu benötigten Speicher- und I/O-Karten teilen. Um die Verfügbarkeit des Systems zu erhöhen, kann der Hypervisor oder auch Virtual Machine Monitor (VMM) auch eingesetzt werden, um zwei via Ethernet-Kabel verbundene CPU-Karten zu kontrollieren. Je nachdem was eher benötigt wird, können zwei Systeme so redundant aufgebaut werden oder aber umgekehrt die Kapazität eines Systems verdoppelt werden.
Die Brücke zum Hypervisor
Kernelement für die Virtualisierung ist Intels Xeon-Prozessor, der erstmals in Kombination mit einem bahntauglichen SBC verwendet wurde. Er ist sowohl mit 16 Kernen (Modell D-1577), 8 Kernen (Modell D-1539) und 4 Kernen (Modell D-1519) verfügbar, wobei die 4-Core-Variante von MEN mit robusten M12-Steckern bestückt ist und sich daher besonders für Bahnanwendungen eignet. Die Virtualisierungstechnik VT-x von Intel, die auf allen Xeon-D-Prozessoren der 15xx-Familie integriert ist, ermöglicht den dynamischen Zugriff auf Kerne, Speicher und Ein-/Ausgabe innerhalb der Funktionsblöcke. Außerdem können Echtzeit- und Nicht-Echtzeit-Anwendungen simultan ausgeführt werden. Erreicht wird das durch Partitionierung des Prozessors, wobei sich jede Partition wie eine eigene virtuelle Maschine (VM) verhält und so auch mehrere Betriebssysteme und Anwendungen auf unterschiedlichen Partitionen laufen können. VT-x schafft also die Brücke von der Virtualisierungs-Hardware zur -Software indem es schon im Prozessor integriert die Komplexität der Software reduziert und kostensparend leistungsfähige Virtualisierungslösungen ermöglicht.
Alles in einem System
Durch Virtualisierung können nicht nur sämtliche Funktionen eines Zuges mit nur einem System gesteuert werden, was schon alleine erheblich Zeit und Kosten spart. Zusätzlich ergeben sich weitere Vorteile wie beispielsweise Langzeitverfügbarkeit oder schnellere Marktreife durch die Abstraktion von Software und Hardware – solange letztere den besonderen Umweltanforderungen gerecht wird.