Mit welchem Ziel wurde Neoception damals gegründet und wo sehen Sie sich jetzt?
Neoception wurde gegründet, um kleinen und mittelständischen Unternehmen den Zugang zur Industrie 4.0 und IoT-Welt zu erleichtern. Unser Ansatz war es, als IT-Dienstleistungshaus zu starten und durch Partnerschaften und Dienstleistungen die Fähigkeiten zu erlangen, um einfach anzuwendende Produkte zu entwickeln, die die Digitalisierung beschleunigen und manuelle Prozesse reduzieren. Heute fokussieren wir uns auf zwei Hauptbereiche: Intralogistik und Produktdatenmanagement. Im Bereich Intralogistik bieten wir den einfachsten Einstieg in digitale, RFID-basierte Kanban-Systeme an. Im Produktdatenmanagement konzentrieren wir uns auf die Verwaltungsschale, eine Technologie zur Standardisierung und interoperablem, unternehmensübergreifenden Austausch von Produktdaten. Unser Fokus liegt dabei auf produktiven und wirtschaftlich sinnvollen Lösungen für das Erstellen und Verwenden von Digitalen Zwillingen (Digital Twin) und damit auch dem Digitalen Produktpass (Digital Product Passport). Damit ist auch klar, dass wir das als zentrale Technologien für die Zukunft der Industrie betrachten.
Wie definieren Sie diese Technologien?
Der Digital Twin ist ein digitales Abbild eines physischen Produkts, einer Maschine oder eines Prozesses. Er wird – wie der reale Konterpart – mit unterschiedlichen Merkmalen ausgestattet und aus unterschiedlichen Quellen mit Daten befüllt. So kann dieser zum Beispiel auch mit Daten aus dem Live-Betrieb angereichert werden, um Prozesse zu optimieren und die Effizienz zu steigern. Der Digital Product Passport wiederum ist eine Sammlung aller relevanter Informationen rund um eine Produktinstanz. Er enthält Informationen von den verwendeten Materialien über die Produktionsprozesse bis hin zu den Wartungsanforderungen. Wir bei Neoception entwickeln Lösungen, die über die reinen Standardkonzepte hinausgehen und praktischen Nutzen bieten. So erweitern wir den Digital Twin zu einem Digital Information Twin. Unsere Interfaces und Schnittstellen sind immer standardisiert, aber wir denken weiter und berücksichtigen die praktischen Anforderungen unserer Kunden. Mit dem Hintergrund unseres Mutterkonzerns Pepperl+Fuchs und der engen Zusammenarbeit mit unseren Kunden wissen wir genau, was in der Praxis sinnvoll ist und benötigt wird. Unsere Lösungen sind darauf ausgelegt, nicht nur den Standards zu entsprechen, sondern diese sinnvoll anzuwenden, um auch echten Mehrwert zu bieten und bereits heute industrielle Anwendungen zu unterstützen.
Was ist der Unterschied zwischen einem Digital Twin und einem Digital Information Twin?
Die Begriffe können in der Tat verwirrend sein. Ein Digital Twin ist im Allgemeinen die Gesamtheit aller digitalen Artefakte eines realen Objektes. Das kann zum Beispiel ein Simulationsmodell sein, das eine Maschine, eine Anlage oder einen Prozess digital abbildet. Er wird häufig verwendet, um physische Prozesse digital zu simulieren und Prozesse zu optimieren. Der Digital Information Twin ist eine weitergehende, strukturgebende Abstraktionsebene. Er umfasst nicht nur die Simulationsmodelle, sondern alle Daten, die zu einem Produkt gehören. Dazu zählen Zertifikate, Betriebsanleitungen, Produktionsdaten, Seriennummern und vieles mehr. Der Digital Information Twin stellt somit eine umfassendere Sicht auf das Produkt dar und integriert alle relevanten Informationen. Wir sehen den Digital Information Twin als eine Art „Super-Twin“, der alle Aspekte eines Produkts abdeckt. Er ermöglicht es, alle Informationen rund um ein Produkt zu sammeln und verfügbar zu machen, egal ob es sich um Simulationsdaten, Dokumentationen oder Produktionsdaten handelt. Dadurch wird er zu einem zentralen Element in der digitalen Transformation und ermöglicht eine umfassende Optimierung von Prozessen und Abläufen auch über Unternehmensgrenzen hinweg.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration von Digital Information Twins in bestehende Systeme?
Die größte Herausforderung bei der Integration von Digital Information Twins ist die Heterogenität der bestehenden Systeme und Datenquellen. Unternehmen verfügen über viele unterschiedlich strukturierte und verwaltete Datentöpfe. Unsere Lösung besteht darin, diese Daten zu konsolidieren und an einer zentralen Stelle sicht- und nutzbar zu machen. Dies erfordert ein einmaliges Integrationsprojekt zur Analyse und Anbindung der Schnittstellen. Nach der Integration kann der Nutzer durch Konfiguration für neue Anwendungen die Daten standardisieren und in einem einheitlichen Format bereitstellen. Ein weiteres Problem ist die Datenqualität, die wir durch spezielle Tools und Technologien verbessern. Konsolidierte und standardisierte Daten können dann zur Prozessoptimierung und Entwicklung neuer Geschäftsmodelle genutzt werden. Die Integration von Digital Information Twins erfordert somit eine strategische Herangehensweise, um die vollen Vorteile zu realisieren.
Hängen der Digital Information Twin und der Digital Product Passport eigentlich zusammen?
Der Digital Product Passport benötigt Daten aus den unternehmensinternen Systemen. Zusammen mit einem Digital Information Twin wird es möglich, die benötigten Daten automatisiert zusammenzustellen und zur Erfüllung der Nachweispflicht über Unternehmensgrenzen hinweg zur Verfügung zu stellen. Es ist zwar möglich, den Digital Product Passport auch ohne einen Digital Information Twin der Produkte aufzusetzen, man schafft damit jedoch eine Insellösung. Mit einem Digital Information Twin können neben dem Digital Product Passport weitere Daten und detaillierte Einblicke in den Zustand und die Nutzung des Produkts sicher zur Verfügung gestellt werden. Damit bietet er die Möglichkeit auch zukünftigen Regelungen des EU Data Acts Folge zu leisten, in dem Maschinen- und Anlagenbauer dazu verpflichtet werden sollen, Daten der Anlage transparent mit dem Anwender zu teilen. Liegen die Daten bereits im Digital Information Twin in der entsprechenden Struktur vor, hat man als Resultat quasi „automatisch“ den Digital Product Passport. Sie können also den Digital Product Passport für jedes ihrer Produkte „manuell“ erstellen, ohne dass Daten aus den Digital Information Twins notwendig sind. Aber je mehr Produkte ein Hersteller hat, desto aufwendiger und fehleranfälliger wird alleine schon die Erstellung und Pflege der Produktpässe, von weiteren Anwendungen ganz zu schweigen. Nur mit Hilfe eines Digital Information Twins kann man sich zunächst auf Mehrwerte für den Kunden konzentrieren und erhält den Digital Product Passport quasi nebenbei.
Erläutern Sie doch bitte, welche Vorteile der Digital Product Passport bietet?
Der Digital Product Passport ist ein zentrales Element, um die Nachhaltigkeit von Produkten zu steigern und übernehmensübergreifende Datenkommunikation zu vereinfachen. Er enthält alle relevanten Informationen über ein Produkt, von Materialien und Produktionsprozessen bis hin zu Wartungsanforderungen. Der Digital Product Passport verbessert die Transparenz entlang der Lieferkette, unterstützt die Einhaltung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsvorgaben und fördert die Wiederverwertbarkeit und Reparierbarkeit von Produkten. Durch die standardisierte Darstellung und Strukturierung der Daten können Prozesse automatisiert und optimiert werden, was die Effizienz und Qualität erhöht. Insgesamt bietet der Produktpass zahlreiche Vorteile für die Nachhaltigkeit, schafft Transparenz gegenüber den Endnutzern und bildet die Basis für zukünftige Kontrollen.
Die Digital Product Passports bieten ja nicht nur Vorteile, sie werden ab 2025 stufenweise auch Pflicht…
Das ist richtig! Es gibt Branchen wie die Möbelindustrie, die bereits bis 2025 die EU Deforestation Regulation vollständig umgesetzt und Nachweise für ihre Produkte erbringen müssen. Auch der Batteriepass wird 2027 in Kraft treten. Wir rechnen damit, dass bis 2030 fast alle Industrien verpflichtet sein werden einen Digital Product Passport zu erstellen, darunter die Elektronik-, Kommunikationstechnik- und Fahrzeugbranche. Auch Textilien, Kunststoffe und Gebäude werden dann Regularien unterliegen. Im Moment ist es ein Plan der EU, diese Regularien für verpflichtende Digital Product Passports bis 2030 umzusetzen. Allerdings ist noch nicht alles vollständig festgelegt, und es gibt noch viel Arbeit zu tun, unter anderem zu definieren, wie die Nachweise erbracht werden können. Daher ist es sehr empfehlenswert, dass jeder in einer verantwortungsvollen Position in einem Unternehmen ein genaues Auge auf diese Entwicklungen hat und sich darauf vorbereitet, wie sich die Regularien für die eigene Industrie entwickeln.
Macht es für Unternehmen Sinn, jetzt schon Digital Product Passports zu modellieren?
Ja, es ist sehr sinnvoll. Vor allem, wenn der Weg zu dem Digital Product Passport sich selbst schon lohnt. Der Prozess der Datenstandardisierung und -integration ist komplex und zeitaufwendig. Unternehmen sollten frühzeitig damit beginnen, um später die Regularien erfüllen zu können und von zusätzlichen Nutzenmöglichkeiten zu profitieren. Hierbei ist es wichtig sich bei den entsprechenden Industrieverbänden zu beteiligen und darauf hinzuwirken, dass offene Standards wie die Verwaltungsschale als Nachweis anerkannt werden, um maximale Synergieeffekte zu nutzen. Obwohl die Standardisierung noch nicht vollständig abgeschlossen ist, gibt es bereits klare Richtlinien und Anforderungen, die als Grundlage dienen können. Durch die frühzeitige Erfassung und Strukturierung ihrer Daten und die Erstellung erster Anwendungen können Unternehmen notwendige Anpassungen vornehmen und sicherstellen, dass ihre Lösungen den zukünftigen Anforderungen entsprechen. Die Einhaltung der kommenden EU-Regularien bietet nicht nur Pflichten, sondern auch Chancen. Unternehmen, die frühzeitig investieren, können sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und ihre Position im Markt stärken – und das schon heute.
Warum ist Neoception der ideale Partner für Unternehmen, die eine komplett digitale Wertschöpfungskette aufbauen wollen?
Weil wir seit den Anfängen der Industrie 4.0 Bewegung dabei sind und über umfangreiche Erfahrung und Expertise verfügen. Wir haben aktiv an der Entwicklung und Standardisierung von Technologien wie dem Digital Twin, der Verwaltungsschale und dem Digital Product Passport mitgewirkt und kennen die Anforderungen und Herausforderungen unserer Kunden genau. Unser Ansatz basiert auf der Entwicklung standardisierter Produkte und Lösungen, die einfach lizenzier- und konfigurierbar sind. Dies ermöglicht es unseren Kunden, schnell und effizient neue Anwendungsfälle umzusetzen, ohne jedes Mal ein neues Projekt starten zu müssen. Darüber hinaus verfügen wir über umfangreiche Erfahrung in der Implementierung und Integration unserer Lösungen in bestehende Systeme und Plattformen. Wir kennen die Herausforderungen der Datenintegration und -standardisierung und haben die notwendigen Tools und Technologien entwickelt, um diese Herausforderungen zu meistern. Insgesamt bietet Neoception die ideale Kombination aus Erfahrung, Expertise und innovativen Lösungen, um Unternehmen dabei zu unterstützen, eine komplett digitale Wertschöpfungskette aufzubauen und ihre Prozesse zu optimieren.
Was wollen Sie unseren Lesern zum Schluss noch mitteilen?
Ich möchte alle Leser ermutigen, sich jetzt mit den eigenen Daten zu beschäftigen und die Möglichkeiten von Digital Information Twins sowie der Verwaltungsschale zu nutzen. Die Technologie entwickelt sich schnell und bietet zahlreiche Vorteile, wie die Optimierung interner Prozesse, Verbesserung von Qualität und Effizienz sowie Einhaltung von Regularien, wie beispielsweise dem Digitalen Product Passport. Unternehmen, die frühzeitig handeln, können sich Wettbewerbsvorteile sichern. Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen Unternehmen sind entscheidend für den Erfolg der digitalen Transformation. Durch den Datenaustausch und die Zusammenarbeit in Ökosystemen wie Catena-X und Manufacturing-X können Prozesse weiter optimiert und die Effizienz auch unternehmensübergreifend gesteigert werden. Nutzen wir gemeinsam die Chancen der digitalen Transformation und gestalten die Zukunft der Industrie.