Verbindungstechnik Es geht auch ohne Draht

„All Wireless“: Die drahltlose Kopplung von Smartphone und Bordelektronik erlaubt neue Formen der Aufgabenteilung.

Bild: Peiker
05.08.2014

Mit der Studie „Vision all wireless“ zeigt Peiker, wie die Zusammenarbeit zwischen Auto und Smartphone künftig aussehen könnte. Der drahtlose Austausch von Daten und Energie benötigt jedoch weltweit einheitliche Standards.

Das Smartphone ist Musikbox, Adressbuch, Spielekonsole, Kamera, Zugang zu sozialen Netzen, Navigationssystem – und nicht zuletzt ein Telefon. Seine vielfältigen Anwendungen werden immer und überall eingesetzt. Daher ist es für viele Nutzer unverständlich, dass die Einbindung des Gerätes ins Fahrzeug nur rudimentär oder umständlich möglich ist. Die Folge: Für die händische Nutzung des Smartphones im Auto riskiert manch einer 60 Euro Strafe und einen Punkt in Flensburg.

Mit speziellen Telefonaufnahmeschalen und Bluetooth-­Freisprecheinrichtungen gibt es bereits Lösungen, allerdings ist die unterstützte Funktionalität dabei meist auf Telefonie und Musikwiedergabe beschränkt. Da stellt sich die Frage, wie am einfachsten auch andere Smartphone-Anwendungen im Fahrzeug nutzbar gemacht werden können. Eine Antwort auf diese Frage gibt die Konzeptstudie „All Wireless“ von Peiker.

Kernidee ist die einfachste Art der Integration des Smartphones: Es werden keinerlei Kabel benötigt, stattdessen beschränkt sich die Anbindung auf die Ablage des Gerätes an einer dedizierten Stelle im Fahrzeug, unter der eine Box mit den benötigten drahtlosen Techniken verborgen ist. Als Ort bieten sich die Mittelarmlehne, das Handschuhfach oder auch die Ablage unter der Headunit an. Die Telefonanbindung muss dabei sicherstellen, dass das Telefon einen guten Empfang hat, geladen wird und Daten mit dem Fahrzeug austauschen kann.

Koppelantenne

Moderne Fahrzeuge haben vermehrt speziell isolierte Scheiben, um die Temperatur des Innenraums nicht unnötig aufzuheizen und dadurch die Klimaanlage in Größe und somit auch Energieverbrauch klein zu halten. Sie wirken demzufolge wie ein Faradayscher Käfig: Jegliche Strahlung wird abgeschirmt. Dies ist fatal für den Einsatz von Mobiltelefonen, da sie mit maximaler Sendeleistung arbeiten müssen, um noch außen empfangen zu werden, falls dies überhaupt gelingt. Daher ist der Einsatz einer Außenantenne unerlässlich. Die Anbindung an die Antenne des Mobiltelefons kann drahtlos erfolgen, wobei lediglich die Luftstrecke zwischen der Antenne und einer korrespondierenden Spule in der Ablage überbrückt werden muss. Die Ablage selbst ist via Kabel mit der Außenantenne verbunden. Die Luftstrecke sorgt in der Regel für eine Dämpfung des Signals um einige Dezibel. Diese Dämpfung kann durch einen kleinen Verstärker, einem sogenannten Kompensor, weiter minimiert werden. Egal ob mit oder ohne Kompensor, das resultierende Signal ist auf jeden Fall besser als das des ungekoppelten Gerätes.

Drahtloses Laden

Aktuelle Smartphones sind mit leistungsfähigen Prozessoren ausgerüstet, die allerdings auch einen entsprechenden Stromverbrauch zur Folge haben. Sind zusätzlich noch Außenverbindungen wie WLAN, Bluetooth und GPS-Empfang aktiv, ist das Laden des Gerätes im Fahrzeug unerlässlich. Um auch bei dieser Disziplin einen Stecker zu vermeiden, setzt Peiker beispielsweise auf drahtloses Laden. Wie bei allen Techniken, bei denen Geräte unterschiedlicher Hersteller miteinander funktionieren müssen, wird ein einheitlicher Standard benötigt. Momentan gibt es drei große Konsortien, die sich darum bemühen: die Powermatters Alliance (PMA), das Wireless Power Consortium (WPC) und die Alliance for Wireless Power (A4WP). Die Standards sind leider nicht untereinander kompatibel, und welcher sich letztendlich durchsetzen wird, ist eine spannende Frage: Die WPC hat mit „Qi“ bereits diverse Geräte auf dem Markt und somit einen Vorsprung vor den anderen. Die A4WP setzt mit „Rezence“ auf eine überlegene Technik, die PMA hat mit ihrem System bereits öffentliche Einrichtungen ausgerüstet. Ein Indikator dafür, dass das Rennen noch im Gang ist, stellt die Zusammensetzung der Konsortien dar: Praktisch jeder große Hersteller von Chips, Mobilgeräten und Unterhaltungselektronik ist in wenigstens zwei Initiativen vertreten.

Grundlegende Unterschiede bei den Standards sind der Einsatz der niederfrequenten Induktion (wie bei den elek­trischen Zahnbürsten) und der hochfrequenten Magnetresonanz. Letztere ist im Moment nicht so energieeffizient wie die Induktion, erlaubt dafür aber mehr Freiräume in der Positionierung des Smartphones auf dem Lader. Verschiebungen von mehreren Zentimetern in alle Richtungen beeinflussen das Laden kaum. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, wenn man die Technik in größeren Bereichen wie dem Handschuhfach einsetzen möchte. Dass mit einer Vorrichtung auch mehrere Geräte gleichzeitig geladen werden können, ist ein Vorteil, der im Fahrzeug allerdings zu vernachlässigen ist.

Einheitlicher Datenaustausch

Der Datenaustausch zwischen Fahrzeug und Smart­phone ist seit 2001 über den Bluetooth-Standard etabliert. Dazu gehört neben Musikwiedergabe und Telefonie auch das Herunterladen des Telefonbuchs auf die Headunit. Letzteres ist heutzutage allerdings mehr und mehr ein Problem: Die geringe Bandbreite des reinen Bluetooth bedingt, dass das Herunterladen von mehreren Tausend Einträgen durchaus eine halbe Stunde dauern kann und in der Zwischenzeit nur das bei der letzten Nutzung zwischengespeicherte Telefonbuch zur Verfügung steht. Neue Einträge sind in dieser Zeit nicht verfügbar. Eleganter wären ein direkter Abgriff der Daten des Telefons sowie die Nutzung der auf ihm befindlichen Rechenkapazität und Applikationen. Dies bedingt auch, dass das Telefon zum Beispiel über Lenkradtasten, Drehdrücksteller oder andere Bedienelemente des Fahrzeugs ferngesteuert werden kann. Es gibt bereits einige Ansätze in dieser Richtung, zum Beispiel „Mirrorlink“, „AppLink“, „Intellilink“, „CarPlay“ und „An­dro­id Auto“. Allerdings arbeiten alle nur mit bestimmten Fahrzeugen und ausgewählten Telefonen zusammen.

Um für die breite Masse der Nutzer interessant zu werden und nicht für Frustration beim Wechsel des Fahrzeugs oder Smartphones zu sorgen, muss ein globaler Standard eingesetzt werden, ähnlich wie einst Bluetooth. Eine Möglichkeit könnte „Miracast“ sein, das Bestandteil der WLAN-Spezifikation ist. Es erlaubt bereits den Transport von Audio und Videodaten und hat auch schon den zuvor angesprochenen Steuerkanal, allerdings nur als Option, so dass viele Hersteller von Mobil­geräten Miracast vorerst ohne den Steuerkanal anbieten.

Neue Arbeitsteilung

Der Datenaustausch zwischen Smartphone und Headunit bietet die sehr interessante Möglichkeit, die Funktionalität der Headunit auf fahrzeugspezifische Aufgaben zu reduzieren und den gesamten Infotainmentblock auf das Smartphone auszulagern. Das Telefondisplay wird auf den Bildschirm der Headunit eingeblendet und die Audiodaten werden über die Fahrzeuglautsprecher wiedergegeben. Die Vorteile liegen auf der Hand: Das Smartphone enthält bereits alle Daten, es hat mehr Speicher, mehr Rechenpower und ist aufgrund seines kürzeren Lebenszyklus immer auf dem neuesten Stand. Weiterhin ist die Software des Mobiltelefons leichter zu aktualisieren als die einer Headunit und kann neue Funktionen bieten, die zur Zeit der Fahrzeugentwicklung noch gar nicht existierten.

Allerdings muss dafür Sorge getragen werden, dass während der Fahrt nicht alle beliebigen Applikationen genutzt werden können und der Fahrer von seiner Primäraufgabe, dem sicheren Lenken des Fahrzeugs im Verkehr, abgelenkt wird. Um dies sicherzustellen, muss das Smartphone beim Einbringen ins Fahrzeug in einen speziellen Car-Mode mit reduzierter Benutzeroberfläche umgeschaltet werden. Diese erlaubt mit wenigen Symbolen Zugriff auf die essentiellen Apps zur Musikwiedergabe und Navigation, auf Adressbücher (für Telefonie und zur Selektion von Navigationszielen) und auf andere relevanten Programme. Dieses Vorgehen bietet den Automobilherstellern auch die Möglichkeit, ihr „Look and Feel“ zu erhalten. Symbole, Farben und Schriftarten können auf das Fahrzeugdesign abgestimmt sowie eigene Applikationen eingebunden werden. Damit ist sichergestellt, dass den Herstellern von Premiumfahrzeugen nicht das Heft aus der Hand genommen wird, wenn es darum geht, dem Nutzer ein Produkt aus einem Guss zu bieten und die Kontrolle über die Software zu behalten. Anbietern von günstigeren Fahrzeugen spielt der Ansatz ebenfalls in die Hände: Sie können die Entwicklung der Infotainment-Funktionalität Dritten überlassen und somit attraktive Funktionen ohne eigenen Aufwand realisieren.

Die Idee der Arbeitsteilung zwischen Headunit und Smartphone mittels einer drahtlosen Verbindung wurde von Peiker bereits 2004 zu einem deutschen und 2005 zu einem europäischen Patent angemeldet, lange bevor die ersten proprietären Lösungen auf den Markt kamen. Aber auch damals war klar, dass ein solches System nur Erfolg haben kann, wenn ein weit verbreiteter Standard genutzt wird.

Bereits heute existieren Clouddienste, die Daten und Rechenleistung zentral in Serverfarmen halten und Bilder sowie Töne an Endgeräte übertragen. Telefon und Fahrzeug werden in Zukunft nur ein Terminal für die Cloud sein, die dank künftiger Mobilfunktechniken wie 5G verzögerungsfrei große Datenvolumen in die Geräte übertragen und sie als Hardware und in der Stromaufnahme schlank halten.

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