Die Stadtwerke Trier betreiben mit ihrem Hauptklärwerk eine Abwasserreinigungsanlage mit einer Kapazität von 170.000 Einwohnerwerten (EW). In Trier war das Hauptklärwerk lange Zeit einer der größten Energieverbraucher der Unternehmensgruppe. Aufgrund nicht optimierter Regelung wurden hunderttausende Kilowattstunden wertvolle Energie aus dem öffentlichen Netz gezogen. Durch Investitionen in energieeffiziente Technik konnte dieser Anteil zwar deutlich verringert werden, dennoch bedurfte es einer intelligenten Steuerung, um die größtmögliche Effizienz aus der vorhandenen Technik zu erzielen und den Anlagenbetrieb sogar energieautark zu gestalten.
Die älteste Stadt Deutschlands war daher auf der Suche nach einem innovativen System, welches gleichzeitig den Energiebedarf in der Biologie optimiert, die Betriebssicherheit erhöht sowie die Kontrolle des Chemikalieneinsatzes verbessert. Durch die Optimierungsmaßnahme sollen die Betriebskosten deutlich reduziert und der Energiekreislauf innerhalb des Hauptklärwerkes geschlossen werden. So sollen Energieverbrauch und Energieproduktion aufeinander abgestimmt werden, damit keine weitere Energie extern bezogen werden muss. Bei diesem ehrgeizigen Ziel musste das Steuerungssystem auch sicherstellen, dass die Überwachungswerte des Kläranlagenablaufs zu jedem Zeitpunkt sicher eingehalten werden.
Digitaler Zwilling als Lösung
Mit diesem Vorhaben wurde das Unternehmen Aquatune, welches seit 2019 zum Xylem-Konzern gehört, betraut. Als erster Schritt wurde ein Echtzeit-Assistenzsystem für die Abwasserbehandlung auf dem Hauptklärwerk Trier implementiert. Hierdurch sollte der Betreiber bei der Einhaltung der Überwachungswerte unterstützt und der Energiebedarf für die Druckbelüftung der biologischen Behandlungsstufe minimiert werden. Das Optimierungssystem erstellt auf Basis modellbasierter Prognosen Vorschläge zur Wahl der Stellgrößen des Abwasserweges, die bei minimalem Verbrauch von Energie eine sichere Einhaltung der Ablaufwerte erlauben. Zuvor wurden lediglich konventionelle Regler zur automatischen Führung der betrachteten Prozesse genutzt.
Zusammen mit Xylem haben die Stadtwerke Trier die Optimierungstechnologie BLU-X eingesetzt. Die Technologie basiert auf künstlichen neuronalen Netzen, mit deren Hilfe datengetriebene Modelle für den Abbau der Kohlenstoff-, Stickstoff und Phosphorverbindungen erstellt werden. Alle hierfür erforderlichen Parameter und Daten erhält das System in Echtzeit vom vorhandenen Scada-System der Kläranlage. Der entstehende digitale Zwilling ermöglicht die Simulation hunderter Szenarien innerhalb von Sekunden, sodass abhängig von der aktuellen und erwarteten Belastung der Kläranlage die erforderliche Belüftungsintensität für den biologischen Abbau der Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen sowie der Chemikalienbedarf für die Phosphorfällung optimal geregelt werden.
Nach Abschluss des Modelltrainings und Probebetriebs wurde das System schließlich im November 2017 in Betrieb genommen und ermittelt fortan die optimalen Sollwerte für den Betrieb der Druckbelüftung der sechs parallel geschalteten biologischen Behandlungsbecken. Im zweiten Schritt wurde mithilfe von BLU-X ein Prognosemodell erstellt, um sowohl den Energieverbrauch als auch deren Produktion auf der Kläranlage vorherzusagen. Abhängig von dieser Vorhersage kann die Gasproduktion somit intelligent gesteuert werden.
Optimierung verhindert Spitzenverbräuche
Zu Beginn des Jahres 2018 wurden die Optimierungsergebnisse der ersten Phase mit den Daten des vorherigen Betriebs des Hauptklärwerks verglichen. Hieraus wurde ein wichtiger Parameter zur Messung des Erfolgs abgeleitet: die eingesetzte spezifische Energie, die benötigt wird, um ein Kilogramm Fracht zu eliminieren. Dieser Parameter verdeutlicht Schwankungen des Anlagenbetriebs, die vermeidbar sind.
Dank des optimierten Betriebs der Anlage konnte eine deutliche Verringerung dieser Schwankungen und damit der situationsabhängigen Spitzenenergieverbräuche erzielt werden. Seit der Implementierung von BLU-X Aquatune konnte das Hauptklärwerk Trier den Energieverbrauch der Belüftung um mehr als 20 Prozent senken. Dies entspricht einer Einsparung von 200.000 kWh pro Jahr. Selbstverständlich werden darüber hinaus alle Überwachungswerte des Kläranlagenablaufs sicher und kontinuierlich eingehalten.