Dribblings unterbinden, Spielzüge vorausahnen, den gegnerischen Spieler ohne Foul vom Ball trennen: Mit Hilfe von Virtual-Reality-Systemen (VR) lassen sich solche Trainingseinheiten auch abseits vom Fußballplatz realisieren. Der Vorteil hierbei ist, dass sich jeder potentielle Gegenspieler, jede gegnerische Mannschaft sowie deren individuelle Spielweise simulieren lassen. Fußballspieler und Trainer können somit Situationen aus nächster Nähe analysieren, spezifische Trainingskonzepte erarbeiten und Übungen direkt in der virtuellen Umgebung durchführen.
Zukunftstechnologie für DFB-Akademie
Um diese Szenarien bald Wirklichkeit werden zu lassen, hat der Deutsche Fußball Bund (DFB) seine Kooperation mit dem US-amerikanischen Startup Strivr Labs ausgeweitet. Derzeit ist der DFB damit beschäftigt, seine Akademie für den Nachwuchs grundlegend zu überarbeiten und mit neuen Inhalten zu füllen. In diesem Zuge kam Technologie von Strivr – interaktive 360-Grad-Videos, die mit VR-Brillen wiedergegeben werden – schon in einigen Akademiemodulen und Think Tanks zum Einsatz. Jüngst wurde die neue Technik bereits der Nationalmannschaft und den U21-Spieler vorgeführt.
Oliver Bierhoff, Projektleiter der DFB-Akademie, sagt über das Vorhaben: „Mit der Akademie wollen wir das Innovationszentrum des Fußballs errichten. Es ist unser Ziel, neueste Technologien, die bereits in anderen Disziplinen oder auch außerhalb des Sports erfolgreich zum Einsatz kommen, zu entdecken und auf Einsetzbarkeit im Fußball zu testen. Virtual Reality ist ein hochspannendes Zukunftsthema, bei dem wir von Anfang an dabei sein und unsere Ideen einbringen wollen.“
Spielzüge virtuell lernen
VR-Systeme bieten bereits jetzt vielversprechende Einsatzmöglichkeit für das Fußballtraining. Beispielsweise können Spieler einzelne Spielzüge einstudieren. Ein dreidimensionales Video wird über die VR-Brille wiedergegeben. Reagiert der Spieler, messen Sensoren an Händen und Beinen seine Bewegungen, die auf die weitere Berechnung des Videos Einfluss nehmen.
Außerdem will der DFB die virtuelle Umgebung dazu nutzen, bestimmte Situationen und Spieler zu analysieren. Die 3D-Videos sollen zudem zur Schulung der psychologischen und kognitiven Fähigkeiten der Fußballspieler einsetzt werden. Im Moment ist geplant, die neuen vor allem VR-Systeme im Jugendbereich anzuwenden und zu testen.
Trockenübung für viele Sportarten
Das VR-Konzept ist hervorgegangen aus einem Forschungsprojekt an der amerikanischen Universität Stanford. Der Gründer und CEO von Strivr Labs, Derek Belch, war aktiver Spieler und Assistenztrainer des American-Football-Teams Stanford Cardinal. Er entwickelte das Virtual-Reality-Konzept im Zuge seiner Masterarbeit und testete es im Rahmen seiner Trainertätigkeit.
Inzwischen hat Belch dem VR-Ansatz für andere Sportarten erweitert. Sein Unternehmen, das nun mitten im Silicon Valley beheimatet ist, stattet nicht nur Profi-Teams aus der National Football League (NFL) aus, sondern auch Basketball-, Eishockey- und Baseball-Mannschaften. Quarterbacks können mit Hilfe von VR-Brillen beispielsweise Spielzüge üben, ohne sich einer Verletzungsgefahr aussetzen zu müssen. Ebenso sind Reaktionstests möglich. Eishockey-Torwarte etwa können ihre Reflexe verbessern, indem sie versuchen, die Torschüsse ihrer virtuelle Gegenspieler abzuwehren.
Fußball noch zu schnell für VR
Allerdings gestaltet es sich als vergleichsweise schwierig, das VR-System auch für den Fußball nutzbar zu machen. Das Problem sind die hohe Geschwindigkeit von Fußballspielen und teils sehr lange andauernden und komplexen Spielzüge. Um komplette Szenen darzustellen, müssen deutlich längere Bewegungsabläufe visualisiert werden. Die Spielweise im American Football ist dagegen von Natur aus für den Einsatz von VR geeignet. „Der Schlüssel ist es daher, herauszufinden, wo die Technologie für den jeweiligen Sport am meisten Sinn macht“, erläutert Derek Belch.
Der DFB ist vom Potenzial der Technik überzeugt und will künftig eng mit Strivr Labs zusammenarbeiten, um neue Anwendungsfelder zu erschließen. Vielleicht ist also schon bald möglich, in der virtuellen Umgebung gegen Ronaldo und Messi anzutreten und zu trainieren, wie man ihnen am besten den Ball abnimmt. Reagieren sie dann auch noch wie ihre realen Ebenbilder, sind völlig neue Trainingskonzepte möglich.
„Virtual Reality ist eine äußerst spannende Technologie, die noch am Anfang ihrer Entwicklung steht und viele Möglichkeiten bietet. Diese wollen wir von Beginn an nicht nur mitbegleiten, sondern sie nach unseren Vorstellungen mitprägen“, erklärt Markus Weise, Leiter Konzeptentwicklung der DFB-Akademie.